Marine Le Pen öffnet die Partei ihres umstrittenen Vaters für neue Wähler. Sie ist gegen Einwanderung, für den Sozialstaat, gegen die Globalisierung. Ein Jahr vor den Wahlen liegt sie in den Umfragen vor Präsident Sarkozy. Von Mathieu von Rohr
Wenn Marine Le Pen einen Raum betritt, nimmt sie ihn als Erstes körperlich ein. Sie ist schlank, trägt enge Jeans und Blazer, sie hat sich die Haare blondiert, aber dennoch wirkt sie, als ob sie einen Ring beträte, angespannt, bereit loszuschlagen.
Sie hat von ihrem Vater die breiten Schultern geerbt, das flächige Gesicht, sie ist 42 Jahre alt und unverkennbar die Tochter von Jean-Marie Le Pen. Sie ist er und doch nicht er, sie fasziniert, weil sie beides ist, Ebenbild und Gegensatz des Mannes, der jahrzehntelang das Ungetüm der französischen Politik war.
Sie hat auch ihr mächtigstes Organ ihrem Vater zu verdanken, ihre Stimme, die schon dröhnt, wenn sie einfach nur spricht. Tief und rau klingt sie, es ist die Stimme einer Frau, die seit vielen Jahren raucht, vor allem aber die einer Kämpferin. Es liegt Aggression darin, etwas Vulgäres auch. Marine Le Pen tritt an als Frau, die von unten kommt und es denen zeigen will, die sie "die Kaste" nennt, der politischen Elite Frankreichs.
An einem sonnigen Nachmittag in Metz, Lothringen, spricht Marine Le Pen im winzigen, vollbepackten Konferenzraum des Hotels Technopole, eines schäbigen Kastens im Industriegebiet. Der Ort scheint nicht zu passen zu der Überlebensgröße, die sie gewonnen hat durch unzählige Titelbilder und Auftritte im Fernsehen. Aber in ihren Worten entlädt sich brachiale Energie, und es wird spür-bar, was für eine begabte Politikerin sie ist.
Sie hat nur Stichworte vor sich, keine ausformulierte Rede, röhrt in harten, knappen Sätzen los, spricht von der schwindenden Kaufkraft, von Leuten, denen am Ende des Monats nur 50 oder 100 Euro übrigbleiben. Sie warnt vor Flüchtlingen aus Tunesien, vor Einwanderern überhaupt, fordert Sozialsysteme für Franzosen statt für Migranten, kommt schließlich auf ihr großes Thema zu sprechen: den Kampf gegen die Globalisierung, die Frankreich kaputtmache.
Sie will aus dem Euro aussteigen, Zollgrenzen wieder einführen, Banken nationalisieren, es ist das Gegenprogramm zu einem Europa, an das auch in Frankreich kaum jemand mehr glaubt. "Was schlagen die anderen vor, die Konservativen und die Sozialisten? Nichts! Die sind damit beschäftigt, den Front national zu bekämpfen!" Sie poltert, sie ist kaltschnäuzig, anders als die dressiert wirkenden Schönredner, die sonst im Fernsehen zu sehen sind, und das gefällt vielen.
"Wahlen sind sexuelle Affären", schrieb die Schriftstellerin Christine Angot vor kurzem in "Libération": "Marine Le Pen gefällt 20 Prozent von uns und fasziniert 80 Prozent. Eine Kerl-Frau, phallisch, das mögen wir. Eine Frau, die ihren Vater dominiert, die seine Ergebnisse übertrifft."
Seit Januar dieses Jahres ist Marine Le Pen die Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei Front national, kurz FN, die Nachfolgerin ihres Vaters. Und Frankreich ist wie besessen von ihr. In knapp einem Jahr sind Präsidentschaftswahlen, es gibt Umfragen, die sie vor dem unpopulären Präsidenten Nicolas Sarkozy auf dem zweiten Platz sehen, nur knapp hinter Martine Aubry, der Sozialistin, die vergangene Woche ihre Kandidatur verkündet hat. Damit würde sie es in die Stichwahl schaffen, es wäre ein Triumph.
Als ihrem Vater vor neun Jahren das Gleiche gelang, am 21. April 2002, empfanden viele Franzosen das als nationale Katastrophe. Im ersten Wahlgang lag Le Pen vor dem Sozialisten Lionel Jospin. Am nächsten Tag schrien Demonstranten "Nie wieder!", Bürger verbündeten sich gegen rechts. In der zweiten Runde wählten sie Jacques Chirac mit 82 zu 18 Prozent, der Bösewicht war noch einmal ausgetrieben.
Als Jean-Marie Le Pen in den siebziger Jahren den Front national gründete, erfand er damit den europäischen Rechtspopulismus. Mit dem nach hinten gescheitelten Haar, der Hornbrille, der Augenklappe, die er in früheren Jahren trug, war er die Karikatur des hässlichen Rechtsaußen, berüchtigt für Zitate, die den Holocaust verharmlosten. Le Pen trat auf wie ein Wüterich, ein Ungetüm aus einer anderen Zeit, ein Mann, der auf seine Gegner auch schon mal brüllend losrannte. Seine Anhänger waren Erzkatholische, Rechtsextreme, Vichy-Verehrer - doch vor allem enttäuschte Protestwähler.
Auf den größten Erfolg folgte der Abstieg. Der Front national, zerstritten bis zur Spaltung, ging beinahe pleite. Die Partei brauchte ein neues Gesicht und fand es ausgerechnet in der jüngsten Tochter des alten Mannes. Es scheint nun, als habe es nur sie gebraucht, um den FN von einem Bund der Geächteten zu einer Partei wie jeder anderen zu machen. Laut Umfragen sieht ihn die Mehrheit der Franzosen bereits so. Als Partei, die man nicht nur wählt, weil man unzufrieden ist, sondern weil man für Marine Le Pen ist.
Der moderne europäische Rechtspopulismus will nicht mehr schockieren, er will in die Mitte der Gesellschaft vorstoßen. Geert Wilders in den Niederlanden, Pia Kjaersgaard in Dänemark haben das bereits geschafft. Marine Le Pen arbeitet daran, sie nennt das "Entdämonisierung". Der Unterschied zwischen ihr und dem Vater ist, dass sie auf vertrauenerweckende Weise normal wirkt, wie eine Frau, die man auf dem Sportplatz mit ihren Kindern antreffen könnte. Die Franzosen nennen sie bei ihrem Vornamen, wie eine gute Bekannte.
Wenn man ihr in die Provinzen folgt, in denen der FN am erfolgreichsten ist, nach Hénin-Beaumont im Norden oder eben nach Metz in Lothringen, wo die Industrie abgewandert und die Arbeitslosigkeit hoch ist, spürt man keinen Aufbruch, sondern trifft in tristen Sälen auf verdruckste Parteimitglieder, die versichern, dass sie keine Rassisten seien, noch bevor man ihnen eine Frage stellen konnte. Erst als Marine Le Pen vor ihnen steht, richten sie sich auf, als käme hier jemand, der sie freispricht von jedem Verdacht.
In Metz attackiert sie die politische Klasse, das "System UMPS", zusammengesetzt aus den Parteikürzeln der konservativen UMP und des sozialistischen PS. Das seien lauter Eliteschulabsolventen, die "seit 30 Jahren die Politik kolonisieren", während der Front national eine "neue Elite aus dem Volk" hervorbringen wolle. "Das mögen die nicht!", donnert sie. "Die sagen sich: Wer sind diese Arbeiter, diese Hausfrauen, diese Studentinnen?"
Sie redet über Politik, wie normale Leute über Politik reden. "Das ist scheußlich", ruft sie, "unfassbar!" Sie hat Wut im Angebot, und die Leute kaufen sie ihr ab. Bei den Arbeitern ist der Front national schon lange stärkste Partei, nun will er den Mittelstand für sich erobern.
Marine Le Pen steht für die Abkehr von einem politischen System, das nicht mehr funktioniert. Wenn sie von der in sich geschlossenen Elite spricht, die Führungspositionen in Politik und Wirtschaft unter sich ausmache, trifft sie einen wunden Punkt. Nirgendwo in Europa ist die Kluft zwischen Regierenden und Regierten so groß wie in Frankreich.
Kaum einer hat diese Abgehobenheit so sehr verkörpert wie Dominique Strauss-Kahn, der Präsidentschaftskandidat der Sozialisten werden sollte und nun in New York der versuchten Vergewaltigung angeklagt ist. An jenem Sonntagmorgen im Mai, als Frankreich zu der Schreckensnachricht von seiner Verhaftung erwachte, war Marine Le Pen die Erste, die aussprach, was sich bis dahin keiner traute: "Ich bin nicht besonders überrascht. Es wusste jeder im Pariser Dorf, dass er ein pathologisches Verhältnis zu Frauen hat." Das war Marine Le Pen in ihrer liebsten Rolle. Als Einzige, die Klartext redet in einem Land, dessen Politiker alle unter einer Decke stecken.
Einige Wochen nach ihrem Auftritt in Metz empfängt sie zum Gespräch in ihrem kleinen Büro im Europäischen Parlament in Straßburg, sie übt ihr wichtigstes politisches Mandat in einer Organisation aus, die sie ablehnt. In der Nationalversammlung in Paris verfügt der FN über keine Sitze, weil das französische Wahlrecht kleine Parteien benachteiligt.
Sie fixiert ihr Gegenüber mit kaltem Blick, in ihrem Gesicht liegt ein harter Zug. Es gibt Wahlplakate, auf denen sie lieblich lächelt, aber grimassenhaft wirkt, es sieht aus, als ob ihr jemand zu mehr Weiblichkeit geraten hätte. Wenn sie wirklich lacht, lacht sie tief aus dem Bauch.
Sie erzählt eine Geschichte aus ihrer Kindheit, sie soll zeigen, wer sie ist und was es bedeutete, aufzuwachsen als Tochter ihres Vaters. Acht Jahre alt war sie, als im Treppenhaus vor dem Appartement ihrer Familie eine Bombe explodierte, für ihren Vater bestimmt. Die Druckwelle zerriss die Außenwand des Hauses. Marine, ihre beiden älteren Schwestern und die Eltern blieben unverletzt.
"Da habe ich gelernt, dass Politik gefährlich ist", sagt sie, "ich habe die tiefe Ungerechtigkeit verspürt, die mich ein Leben lang begleitete. Ich trage sie immer in mir, wie die Angst, meinem Vater könnte etwas zustoßen. Das war der Zement unserer Familie." Wer Le Pen heiße, sei eine Ausgestoßene. Das habe sie gepanzert. "Das war mein Antrieb", sagt sie. "Wahrscheinlich bin ich deswegen Anwältin und dann Politikerin geworden." Sie sagt, sie wolle sich nicht zum Opfer machen, aber sie tut es unentwegt, es ist die Waffe der Underdogs.
Wenn man sie anspricht auf die defensiven Parteigenossen in Metz und Hénin-Beaumont, die sich rechtfertigen für ihre Partei, wischt sie das mit einer Handbewegung weg. "Ach", sagt sie, "man hat uns dessen so lange bezichtigt, dass wir Rassisten seien, Fremdenfeinde. Das sind wir nicht." Sie dementiert nicht, dass es Antisemitismus in der Partei früher gab, behauptet aber, das habe es auch bei anderen Parteien gegeben. Nun sage sie allen, die so dächten: "Ihr seid hier falsch, adieu, wir sind weder Rassisten noch Antisemiten noch Fremdenfeinde." Der Front national sei "weder links noch rechts", schon gar nicht rechtsextrem.
Sie hat Zeichen gesetzt, zum Beispiel hat sie in einem Interview den Holocaust als "Höhepunkt der Barbarei" bezeichnet, was keine überraschende Erkenntnis ist, aber für Schlagzeilen sorgte. Sie sagt, sie habe "Missverständnisse" beseitigen wollen, die durch Äußerungen ihres Vaters entstanden waren. Sie hat auch ein paar Kandidaten mit dunkler Haut rekrutiert.
Sie kritisiert die Einwanderung, wie ihr Vater, doch ihr Feindbild ist der Islam. Sie redet vom Zerfall der Gesellschaft in Ethnien, von Straßengebeten, Fast-Food-Ketten, die mit Halal-Fleisch werben. Noch häufiger redet sie allerdings über soziale Fragen und den Kampf gegen die internationale Finanzwelt. Sie spricht von "intelligentem Protektionismus". Das klingt dann eher links.
Gegen Ende des Gesprächs, auf die Frage, wie es Frankreich gehe, hält sie einen Monolog, der wie eine Rede klingt: "Die Regierenden haben es geschafft, eines der größten Länder der Welt in die Pleite zu treiben. Wir sind wie Griechenland. Wie kann es sein, dass Frankreich seine Identität verloren hat, seine Stimme in der Welt? Sieben Millionen Arbeitnehmer in Armut, ein Viertel der Bevölkerung, das nicht für sich sorgen kann." Sie holt nur kurz Luft. "Allein das diskreditiert die UMP und den PS, die sich seit Jahrzehnten die Macht teilen, ihre Resultate."
Der Sitz des Front national liegt verschämt in einer kleinen Nebenstraße von Nanterre, im Nordwesten von Paris, in
einem silbergrauen Bürogebäude, an dem es keinen Schriftzug gibt. Die Partei, die das Establishment herausfordert, ist ein amateurhaft wirkender kleiner Verein, es arbeiten kaum zwei Dutzend Leute hier.
Seit der Wahl von Marine Le Pen wirken sie wie Verdurstende, denen man zu trinken gegeben hat. Dem Pressechef Alain Vizier, seit mehr als 20 Jahren im Amt, liegt die Genugtuung als breites Grinsen im Gesicht. Alle Telefone klingeln gleichzeitig, an der Wand gegenüber hat er ein Dutzend Titelbilder von Magazinen aufgehängt, die Marine zeigen: "Le Point", "Le Nouvel Observateur", sogar die linke Zeitschrift "Marianne". Vizier hat ein Produkt, das alle wollen, das gab es hier noch nie.
Es war ein harter Kampf an die Spitze ihrer Partei, gegen die alten Gefolgsleute ihres Vaters, die sagten, sie werde die Partei verraten, gar mit Sarkozy paktieren, um an die Macht zu kommen. Am Ende wurde sie mit mehr als zwei Dritteln der Stimmen gewählt, und ihr Erfolg hat für den Moment fast alle Gegner verstummen lassen. Wenn Jean-Marie Le Pen das Hauptquartier der Partei betritt, die er gegründet hat, begrüßen sie ihn, als ob sich nichts verändert hätte: "Bonjour président", sagt der Mann am Empfang. Der Alte kommt fast jeden Vormittag, und wenn die Tochter außer Haus ist, setzt er sich in ihr Chefbüro und lässt sich von ihrer Sekretärin Kaffee bereiten.
Nachmittags kann man Jean-Marie Le Pen in seinem Büro in Saint-Cloud am Stadtrand von Paris besuchen, in einer Villa mit dem Namen Montretout, die ihm ein Verehrer vermacht hat, ein Palais aus der Zeit Napoleons III., in dem die Le Pens ihre heile Familie inszenierten, bis sie in den Achtzigern zerbrach. Die Mutter zog sich nach der Trennung für den "Playboy" aus, eine Tochter brannte mit ihrem Mann zu einer Konkurrenzpartei durch, die sich vom FN abgespaltet hatte. Es ist das Hauptquartier eines Clans, bei dem Privates und Politisches immer eins waren. Marine Le Pen und ihre Schwester Yann wohnen noch immer hier.
Man trifft auf einen massigen 83-jährigen Mann, der tief im Sessel sitzt und nichts bereut. "Wissen Sie", sagt er zur Begrüßung, "ich bin ein Mythos in der französischen Politik. Das Bild, das meine Gegner von mir gezeichnet haben, ist extrem, emblematisch und praktisch unmöglich zu korrigieren." Er brüllt immer wieder vor Lachen, in einem Raum, an dessen Wänden er selbst hängt, auf Fotos, in Öl und mit Bleistift schraffiert.
Die Geschichten, die Jean-Marie Le Pen erzählt, handeln davon, wie ungerecht er behandelt worden sei, vom Krieg und drohender Überfremdung, es sind die Themen seines Lebens. Er fängt unaufgefordert an, Dinge zu erklären, die er mal gesagt hat, und macht es damit nicht besser. Er neige zum Relativieren, sagt er. Wenn man ihn kritisiere wegen seines Spruchs, die Gaskammern seien in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs ein Detail, antworte er einfach: "Ich habe verstanden, der Zweite Weltkrieg war also ein Detail in der Geschichte der Gaskammern." So etwas amüsiert ihn sehr.
Er will nicht zugeben, dass es ihn schmerzt, nicht mehr Chef zu sein. "Ich war die erste Stufe der Rakete, sie ist die zweite", sagt er. Erscheint es ihm seltsam, wie sehr die Medien seine Tochter lieben, die ihn so hassten? "Sie wollen die Ungerechtigkeit wiedergutmachen, die sie mir widerfahren ließen." Ist er stolz auf sie? "Ziemlich, ja, doch, ziemlich."
Vater und Tochter betonen ihr enges Verhältnis, aber es gibt Differenzen. Sie ließ einen Lokalpolitiker ausschließen, den ein Foto beim Hitlergruß zeigte, der Vater kritisierte sie dafür. Er habe eine humanistischere Sicht, sagt er, aber Marine sei der Boss. Sie behauptet, es sei kein Problem, wenn ihr Vater ihr öffentlich widerspreche. Aber natürlich ist es eines.
Die Frage lautet: Gibt es einen echten Unterschied zwischen Vater und Tochter? Sie selbst sagt darauf nur, sie sei jünger, eine Frau, natürlich gebe es Unterschiede. Sie will sich nicht distanzieren von der Geschichte ihrer Bewegung. Es ist ein anspruchsvoller Seiltanz, den sie betreibt.
Sie ist dabei, eigene Leute zu installieren. Eine Armada von smarten jungen Männern in dunklen Anzügen, mit kurzgeschorenen Haaren. Wenn man die fragt, was das Neue an der Partei sei, erhält man keine politischen Analysen zur Antwort, sondern nur einen Namen: Marine. Einer sagt, sie wolle die Macht mehr als er, das sei der Unterschied.
Es ist ihre Person, ihre Schlagfertigkeit, die sie zum Talkshowstar gemacht und der Partei Tausende neue Mitglieder gebracht hat. Sie spürt die Themen, mit denen sie gewinnen kann, und drängt sie den anderen auf: Auch die Sozialisten reden jetzt über Protektionismus. Sie hat eine Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gestartet. Sarkozys Innenminister versucht, sie beim Thema Einwanderung rechts zu überholen.
Einer ihrer wichtigsten Berater ist Louis Aliot, ihr Lebenspartner, ein athletischer Typ mit südlichem Akzent, 41 Jahre alt. Er ist zuständig für ihr Wahlprogramm, er hat mit ihr einen Kreis von Beratern rekrutiert, darunter Parteifremde, ein rechter Grüner, ein ehemaliger Sozialist, ein linker Wirtschaftsfachmann. Es ist ein persönlicher Stab, der sympathischer wirken soll als ihre Partei.
Man weiß wenig über Marine Le Pen und Louis Aliot, sie hält ihr Privatleben aus den Medien raus, ihre Kinder sind tabu. Wer sie wirklich ist, die Frau hinter der öffentlichen Figur, bleibt ein Rätsel. Sie arbeite härter als alle und fordere allen viel ab, sagt Marie-Christine Arnautu, eine FN-Politikerin und alte Freundin der Familie. Bevor sie in der Politik durchstartete, hat Marine Le Pen 14 Kilogramm verloren. Arnautu sagt, das sei Ausdruck ihrer Disziplin, es habe nichts damit zu tun, dass man als Frau gut aussehen müsse in der Politik.
Marine Le Pen hat zwei Scheidungen hinter sich, sie hat drei Kinder und zieht sie allein auf. Wie jede Mutter, die ihre Kinder nur am Wochenende sieht, habe sie gelitten, erzählt Arnautu. Viele Französinnen könnten sich deswegen mit ihr identifizieren. Marine Le Pen selbst sagt: "Ich glaube, als Mann ist es leichter, die Bodenhaftung zu verlieren. Als Frau, als Mutter, hat man einen engen Bezug zur Wirklichkeit." Früher waren die Wähler des FN überwiegend Männer, inzwischen ist das Verhältnis ausgeglichen.
Aber kann sie Wahlen gewinnen? Bei den Kantonalwahlen im Frühling erzielte der FN in den Wahlkreisen, in denen er antrat, im ersten Durchgang 19 Prozent, mehr als die Regierungspartei UMP. Marine Le Pen kann den etablierten Parteien gefährlicher werden, als ihr Vater es je war. Wenn der FN 2012 nach neun Jahren wieder in die Nationalversammlung einziehen sollte, könnte sie die Politik Frankreichs jahrelang mitprägen, im Parlament und im Fernsehen. Aber erst einmal kämpft sie um den Job von Sarkozy, und sie tut so, als könne sie wirklich gewinnen.
In Metz erklärt sie ihren Anhängern, warum sie an ihre Chance glaubt: "2002 waren die Franzosen nicht bereit, jemanden vom Front national zu wählen. 2007 wählten sie jemanden, der redete, als sei er vom Front national, es aber nicht war. 2012 werden sie bereit sein."
Sarkozy war auch einmal angetreten als Außenseiter, als jemand, der das System aufmischen wollte, doch kaum war er im Elysée angekommen, umarmte er das System.
Das würde ihr nicht passieren. ◆
(*) Töchter Marine, Yann, Vater Jean-Marie, Mutter Pierrette, Tochter Marie-Caroline.
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