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Das Oberste Gericht entmachtet Pakistans Premier Sharif

Die Presse – 29.07.2017
Der Regierungschef stolpert über Enthüllungen aus den Panama-Papers. Pakistan droht nach der Amtsenthebung eine neue Phase der Instabilität.


Die Korruptionsaffäre, die Pakistans Premier seinen Job gekostet hat, reicht rund um den Globus: Ihren Ausgang nahm sie vor einem Jahr in Panama. Journalisten enthüllten mithilfe der Kundenkartei einer dort beheimateten Kanzlei dubiose Geschäfte von Prominenten in Steueroasen. Pakistans Öffentlichkeit brachten die Panama-Papers auf die Spur von Luxusimmobilien in London, die dem Familienclan von Nawaz Sharif gehören. Da Sharif monatelang nicht zweifelsfrei erklären konnte, woher das Geld dafür stammte und seine Verbindung zu Briefkastenfirmen verschwiegen hatte, erreichte der Skandal am Freitag in Islamabad seinen Höhepunkt: Sharifs Amtsenthebung.

Das Oberste Gericht sprach sein Urteil in einer angespannten Atmosphäre. 3000 bewaffnete Einsatzkräfte waren vor dem Justizgebäude positioniert, als die fünf Richter am Mittag ihre Entscheidung verkündeten: Sharifhabe sich unehrlich verhalten und könne deshalb nicht mehr ehrenwertes Mitglied des Parlaments sein, hieß es in dem einstimmig gefällten Urteil. Dadurch sei auch Sharifs Amtszeit als Regierungschef mit sofortiger Wirkung beendet.

TV-Bilder zeigten Oppositionsanhänger vor dem Gerichtsgebäude, die als Reaktion auf den Urteilsspruch in Jubel ausbrachen. „Pakistan hat heute gewonnen", sagte Oppositionschef Imran Khan, der sich für die 2018 geplanten Wahlen nun Rückenwind erhofft. Politische Beobachter warnen jedoch vor neuen politischen Turbulenzen. „Bis zu den Wahlen wird es nun eine Phase der Instabilität geben", kommentierte die TV-Journalistin Amber Rahim Shamsi.

Sharif, der jegliches Fehlverhalten zurückwies, kritisierte das Urteil zwar, leistete dem Wunsch der Richter jedoch Folge: Er habe zwar starke Bedenken gegen die Entscheidung, werde sich aber daran halten, ließ der 67-Jährige mitteilen. Kurz nach Bekanntgabe des Urteils trat der Premier von seinen „offiziellen Verpflichtungen" zurück.

Sharifs Rückzug bestätigte eine pakistanische Tradition: Seit der Staatsgründung 1947 gelang es keinem Regierungschef, eine volle Amtszeit zu absolvieren. Wie schwer der Machterhalt ist, bekam Sharif in den 1990er-Jahren zu spüren, als er zweimal die Regierung anführte: 1993 verlor er erstmals sein Amt, ebenfalls in Folge eines Korruptionsskandals. Nach seiner Rückkehr an die Macht büßte er 1999 erneut den Premierministerposten nach einem Militärputsch ein.

Auch am aktuellen Amtsenthebungsverfahren hatte das Militär einen Anteil: Im April hatte das Oberste Gericht eine Untersuchungskommission eingerichtet, die die Vorwürfe gegen Sharif klären sollte. Beteiligt am Ermittlungsteam war auch die Armee, was zu heftiger Kritik aus dem Regierungslager führte. Die Generäle verbindet mit Sharif ein spannungsreiches Verhältnis.

Am Ende stellten die Ermittler in ihrem 256Seiten langen Abschlussbericht Sharif tatsächlich ein vernichtendes Zeugnis aus. Angesichts des Firmengeflechts des Sharif-Clans sprachen sie von einem wahrscheinlichen Versuch der Geldwäsche. Zudem deckten sie auf, dass Dokumente, die zur Verteidigung des Regierungschefs vorgelegt wurden, offenbar gefälscht waren. Die Dokumentation ließ dem Obersten Gericht nach Meinung von Analysten kaum eine andere Wahl, als Sharif seines Amtes zu entheben. Die Richter riefen zudem die Antikorruptionsbehörde des Landes zu einer Fortsetzung des Verfahrens auf. Ermittelt werden soll darin auch gegen Sharifs Kinder, die in den Panama-Papers namentlich genannt wurden.

Sharifs Tochter Maryam galt vor ihrer Verwicklung in den Skandal als aussichtsreichste Nachfolgekandidatin. Nun wird die Regierungspartei, die immer noch über eine komfortable Parlamentsmehrheit verfügt, möglicherweise aus dem Regierungskabinett einen neuen Premier wählen. Als chancenreich gilt Verteidigungsminister Khawaja Muhammad Asif, ein enger Vertrauter Sharifs. Auch Shahbaz Sharif, der jüngere Bruder des zurückgetretenen Premiers und aktueller Regierungschef im Bundesstaat Punjab, zählt zu den Favoriten - für ihn müsste allerdings erst ein Platz im Parlament freigeräumt werden.

Sicher scheint, dass Nawaz Sharif trotz seiner Entmachtung sein Land weiter prägen wird: Als Chef der Regierungspartei steht ihm die Entscheidung über seinen Nachfolger zu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2017)

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