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Geheimsache Sportpsychologie - ZDF SPORTreportage

Der tragische Unfalltod von Junior Malanda hätte der Anfang vom Ende der Erfolgsgeschichte des VfL Wolfsburg werden können. Es kam anders. Auch, weil die Macher im Verborgenen auf professionelle Hilfe setzten.

TV-Beitrag (aufgrund der enthaltenen Bilder vom DFB-Pokal und der Bundesliga nicht online verfügbar)
zdf.de (Online-Artikel)

Die Prüfung Junior Malanda

von Mathias Liebing, Juli 2015

Die Fußball-Bundesliga hielt den Atem an, als am 12. Januar die Runde machte, dass der Wolfsburger Profi Junior Malanda tödlich verunglückt war. Ein Autounfall beendete das Leben und damit die aussichtsreiche Karriere des erst 20-jährigen Belgiers. Die Todesnachricht erschütterte den VfL Wolfsburg in seiner Architektur: Als zwei Tage später Ralf Kellermann und Nadine Kessler in Zürich als weltbester Frauenfußball-Trainer und Weltfußballerin ausgezeichnet wurden, gestanden sie freimütig, dass sie sich im Moment nicht recht freuen könnten. Die Trauer um Malanda überwog.

Öffentlich blieb nahezu unbeobachtet, wie der VW-Klub dieses Worst-Case-Szenario managte. Bekannt wurde nur, dass der VfL das in einer ersten Reaktion abgesagte Trainingslager in Südafrika mit einem Tag Verspätung doch antrat und dass Sportpsychologe Professor Andreas Marlovits eingeflogen wurde. Was der studierte Theologe, Sportwissenschaftler und Psychologe aber konkret mit dem Team, dem Trainer und dem Funktionsstab umsetzte, blieb der Öffentlichkeit verborgen. „Für Sportpsychologen gilt“, erklärt Werner Mickler, Sportpsychologie-Dozent an der Hennes-Weisweiler-Akademie des Deutschen Fußball-Bundes, „vergleichbar mit der Medizin eine Art Verschwiegenheitspflicht.“ Im Prinzip dringe also von der Zusammenarbeit mit Sportler oder Trainer nichts nach außen – es sei denn, dies ist vereinbart.

Im Verborgenen längst etabliert

Wie sehr sich die Sportpsychologie im Schatten der öffentlichen Wahrnehmung im Profi-Fußball aber schon verbreitet hat, brachten nun die Recherchen zum ZDF Sportreportagen-Beitrag „Geheimsache Sportpsychologie“ zum Vorschein. „Wohl jeder Bundesligist arbeitet auf seine Weise mit Sportpsychologen zusammen“, bestätigt Mickler, ergänzt aber, „dass die Vereine oft bestrebt sind, dies nicht an die große Glocke zu hängen.“ So sind Klubs wie der FC Schalke 04, die TSG Hoffenheim oder der VfB Stuttgart noch die Ausnahme, bei denen der Sportpsychologe neben Ärzten, Physiotherapeuten und Fitnesstrainern schon zum Funktionsteam gehört. In der Regel greifen die Vereine auf Sportpsychologen aus dem Umfeld zurück. Mickler: „Entweder die Klubs empfehlen ihren Spielern jemanden oder geben bei der Auswahl ihren Akteuren die Wahlfreiheit.“

Absolut etabliert ist der Einsatz bereits in den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten. Dies wird vom DFB durch Zertifizierungsvoraussetzungen sogar indirekt gefördert. Allerdings seien hier oft Diplompsychologen im Einsatz, erklärt Mickler, „die sich dann auch um die schulische und körperliche Entwicklung kümmern.“ Zudem macht das Fach etwa ein Drittel des Inhalts der Fußballlehrerausbildung in der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef aus. Mickler: „Die Zeiten, in denen beim Thema Sportpsychologie die Nase gerümpft wurde, sind vorbei. Die große Mehrzahl ist sehr interessiert, wie in diesem Bereich gearbeitet werden kann. Viele haben bereits Erfahrungen. Einige wenige sind anfangs noch distanziert, merken dann aber schnell, wie wichtig die Sportpsychologie für ihren Alltag als Trainer ist.“

Alltägliche Herausforderungen

Im Alltag des VfL Wolfsburgs spielt die Sportpsychologie nur eine untergeordnete Rolle. Die Mission von Prof. Andreas Marlovits ist dem Anschein nach erfolgreich beendet. So hat die öffentliche Auseinandersetzung beim VfL mit dem Tod Junior Malandas mit dem Pokalfinalsieg ein Ende gefunden. Klaus Allofs, der Geschäftsführer Sport, bestätigte zudem, dass der Verein im Umfeld einen Sportpsychologen habe, mit dem punktuell gearbeitet würde. Vielleicht entsteht kurzfristig wieder Bedarf: Womöglich muss der Vizemeister einen weiteren Verlust verarbeiten – den ihres umworbenen Superstars Kevin De Bruyne. Natürlich ist die Situation bei einem möglichen Wechsel des Belgiers nicht mit dem Todesfall Malanda zu vergleichen, direkte Auswirkungen auf die Hierarchie im Team hätte eine solche Situation aber allemal. Das wäre dann Sportpsychologie in ihrer alltäglichen Anwendung.

Foto: Screenshot Rohmaterial
TV-Beitrag in Zusammenarbeit mit Steffen Focke