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Interview

"Ich bin immer noch der Kicker von der Straße" - GQ Magazin

Franck Ribéry ist in München heimisch geworden und zeigt uns das jetzt auch. Erstmals gewährt er einem Fotografen Einlass in seine Villa. Im großen GQ-Interview spricht er über sein Haus, seine Familie, seine größten Niederlagen - und seine größten Triumphe.

Autoren: 
Josip Radović & Marvin Lauser

Von der Straße aus ist der Blick auf das Haus von Franck Ribéry im Münchner Süden verstellt. Die Hecken sind über zwei Meter hoch. Als der Hausherr uns hereinlässt, sehen wir als Erstes: eine von Zypressen gesäumte Allee. Und zwei Bagger.

Das ist nicht die Sorte Vehikel, die normalerweise bei Fußballern in der Einfahrt steht. Aber Ribéry wohnt erst seit ein paar Wochen hier. Das alte Haus war zu klein für die sechsköpfige Familie. Jetzt lässt er gerade den Garten des neuen Anwesens umgestalten. Seine Initialen schmücken den Grund seines Pools, der gerade fertiggestellt wird. Ribéry erscheint in der Tür. „Hallo Leute, schön, dass ihr da seid. Ich habe Pizza bestellt. Im Wohnzimmer stehen Getränke für euch. Ihr seid meine Gäste, bedient euch!“ Dann setzt er sich wieder auf die Terrasse zu seiner Frau und einigen Freunden, die gerade aus Frankreich zu Besuch sind.

Der langjährige Bayern-Spieler öffnet uns in den folgenden Stunden alle Türen seines Hauses, trinkt zwischendurch Espresso, fläzt sich locker in den Sesseln. Dann steht er wieder mit einem Grinsen vor dem GQ-Fotografen. Er lässt sich auch auf die Motivvorschläge des GQ-Teams ein, nur bei seiner Frisur versteht er keinen Spaß. Die richtet er vor jedem Schuss noch selbst. Obwohl, Frisur wäre jetzt zu viel gesagt bei den raspelkurzen Haaren. Trotzdem: Da lässt er keinen ran. Davon abgesehen kann man sich keinen entspannteren Gastgeber vorstellen. Was erstaunlich ist, schließlich zeigt der Superstar zum allerersten Mal, wie er lebt. 


GQ: Franck Ribéry, Sie wohnen erst seit ein paar Wochen in Ihrem neuen Haus, trotzdem haben Sie uns erlaubt, Sie in Ihrer Privatsphäre zu fotografieren. Mussten Sie sich überwinden?

Franck Ribéry: Tatsächlich bin ich bei so etwas sehr vorsichtig, weil meine Familie und meine Kinder für mich das Wichtigste sind. Schließlich ist dieses Haus hier der einzige Rückzugsort, den wir haben. Auf der anderen Seite interessieren sich eben so viele Menschen für mein Leben und unterstützen mich schon meine ganze Karriere lang. Deshalb ist es auch in Ordnung, ihnen Einblicke in mein Leben zu geben.


Darum haben Sie uns auch hierher eingeladen?

Ja, mir ist wichtig, dass die Leute sehen, wie ich funktioniere. Wie ich mit meiner Frau, meinen Kindern, meiner Familie lebe, wie und wo ich zu Hause bin. Es geht mir um Authentizität, und es gibt wohl keinen anderen Ort, an dem man echter ist als zu Hause. Ich habe nichts zu verbergen. 


Viele hätten Angst, ihren Wohlstand so zu zeigen. 

Ich habe kein Problem damit. Ich hatte hier noch nie Probleme mit den Menschen und komme mit der deutschen Mentalität sehr gut klar. Auch wenn mich die Leute überall erkennen, respektieren sie meine Privatsphäre und wahren immer Distanz. Es heißt oft, dass Deutschland eine Neidgesellschaft ist. Aber ich bin damit noch nie konfrontiert worden. Ich verstehe die Aufregung um meine Person und dass die Menschen Autogramme und Fotos möchten. Aber das ist das Mindeste, was ich zurückgeben kann. Es gibt natürlich auch schon mal negative Erlebnisse. 


Erzählen Sie. 

Es gab schon Fälle, da sind mir Menschen im Auto hinterhergefahren und haben mich bis zur Haustür verfolgt. Ich stieg aus und fragte sie, was das sollte. Es war am Ende harmlos, sie wollten nur ein Foto. Ich tat ihnen den Gefallen, machte ihnen aber dennoch klar, dass solche Aktionen nicht gehen. 


Mit dem Erfolg steigt auch die Anzahl der Menschen, die Ihnen nahe sein wollen. Wie viele echte Freunde haben Sie? 

Ich habe vier, fünf Freunde. Sie begleiten mich mein ganzes Leben. Und mit der Zeit lernt man die Leute einzuschätzen. Ich merke sofort, warum jemand wirklich in meinem Umfeld ist. Über die Jahre habe ich so etwas wie Sensoren dafür entwickelt. Ich spüre, wenn mich jemand ausnutzen will. Diese Leute haben keine Chance bei mir.


Heute sind Sie einer der erfolgreichsten Fußballer der Welt in einem der erfolgreichsten Clubs der Welt. Gab es Momente, in denen Sie aufgeben wollten? 

Nie! Selbst als ich von der Akademie flog, glaubte ich daran, dass ich dann eben einen anderen Weg gehen muss. Ich arbeitete sogar mit meinem Vater auf dem Bau und hielt mich bei meinem Heimatverein in Boulogne-sur-Mer fit. Ich weiß, wie es ist, schwere Phasen durchzumachen. So habe ich auch gelernt, die einfachen Dinge des Lebens zu schätzen. Wir hatten immer zu essen auf dem Tisch und die Rückendeckung der Familie. Das ist viel wichtiger als die neuesten Turnschuhe oder ein schnelles Auto. 


Ich erziehe meine Kinder, als ob wir kein Geld hätten

Ihre vier Kinder wachsen ganz anders auf. Wie vermitteln Sie ihnen, was im Leben wirklich zählt?

Natürlich wachsen sie unter anderen Bedingungen auf. Trotz des Wohlstands, den ich mir durch meine Karriere erarbeitet habe, haben sich meine Mentalität und die Einstellung zum Leben nicht verändert. Und mir ist wichtig, dass sie wissen, dass es ihnen gut geht und dass sie ein privilegiertes Leben führen. Ich möchte, dass sie ihre Sachen respektvoll behandeln und nichts für selbstverständlich nehmen. Ich erziehe meine Kinder eigentlich genau so, als ob wir kein Geld hätten. Sie sollen nicht verschwenderisch sein und sich gut benehmen. Anstand ist mir sehr wichtig. Es ist leichter, meinen Kindern in dieser Umgebung die richtigen Werte zu vermitteln. 


Warum ist das hier einfacher? 

Ich bin im Ghetto aufgewachsen, da war man ganz anderen Dingen ausgesetzt. Vor ein paar Wochen wurde mir das mal wieder klar. Meine älteste Tochter wollte bei uns eine Pyjamaparty veranstalten. Ich hatte keine Ahnung, was das sein sollte. Ein paar Tage später war ich dabei, Luftmatratzen aufzupumpen und mit meiner Frau Bonbons und Schokolade im Haus zu verteilen. Irgendwann kamen die Freundinnen meiner Tochter hier an, und wir hatten alle einen der schönsten Abende überhaupt. Wir guckten mit den Kindern Filme, hörten -Musik und alberten im ganzen Haus herum. Alle waren ausgelassen, und man spürte in jedem Winkel des Hauses die Freude der Kinder. Ich schüttelte spätabends nur den Kopf, als die Kids im Bett waren und ich mit meiner Frau aufräumte. Es hat Spaß -gemacht, aber das ist etwas, von dem ich selbst als Kind nicht mal geträumt hätte.


Muss man im Leben auch mal hinfallen, um die schönen Momente auch wirklich genießen zu können?

Ich bin froh, dass ich meinen Weg gegangen bin. Mit allen Höhen und Tiefen. Wenn ich zum Beispiel an meine größte sportliche Niederlage denke – das verlorene Champions-League-Finale 2012 zu Hause in der Allianz Arena gegen Chelsea – dann denke ich gleichzeitig an die folgenden Triumphe im Jahr darauf, in dem wir alle Titel gewonnen haben.


Was geht Ihnen da durch den Kopf? 

Diese Niederlage war der schlimmste Moment meiner Karriere. Ich war kaputt, antriebslos, hatte überhaupt keine Lust, aus dem Bett zu steigen. Ich verspürte tagelang keinen Appetit und war völlig fassungslos. Die meiste Zeit saß ich mit meiner Familie zu Hause, und wir versuchten zu verarbeiten, was passiert ist. Aber zum Glück geht es im Fußball sehr schnell, und nur Wochen später begann eine Erfolgsgeschichte, an die man sich lange erinnern wird. Ein Jahr später hatten wir alles gewonnen, so nah liegen Freud und Leid beieinander, deshalb muss man das Leben lieben.


Ich bin immer noch der Kicker von der Straße


Noch lieber als beim FC Bayern sind Sie nur in Ihrem eigenen Haus. Hier haben Sie sogar so etwas wie ein Spielzimmer.

Eigentlich ist das hier alles für meine Kinder und meine Familie. Deshalb der Pool, der riesige Garten, die Tischtennisplatte, das Trampolin oder das Heimkino. Es ist das Haus meiner Kinder, ich habe das alles für sie gemacht. 


Sie sind seit zehn Jahren beim FC Bayern, das Fußballgeschäft wird immer extremer. Zuletzt wechselte Neymar für 222 Millionen Euro Ablöse den Verein. Haben Sie sich eine solche Entwicklung jemals vorstellen können?

Ich habe keine Ahnung, woher das alles kommt. Alles hat sich ins Extreme entwickelt, die Transfersummen sind explodiert. Aber für mich hat sich gar nichts verändert. Ich bin immer noch der gleiche Kicker von der Straße, der es hasst zu verlieren. Natürlich ist Fußball auch mein Beruf, aber für mich ist es in erster Linie ein Spiel, das ich liebe und das mir Spaß machen muss.


Würden Sie den Verein wechseln, wenn man Ihnen ein unmoralisches Angebot machen würde?

Natürlich spielt Geld eine Rolle, denn es ist wichtig, um ein schönes Leben zu führen. Aber es wird niemals an erster Stelle stehen. Wenn ich schlecht oder gar nicht spiele, bin ich unglücklich. Dann hilft mir auch kein Geld auf der Bank, es motiviert mich nicht. Ich hatte Angebote aus China und Katar, aber solange ich fit bin und mithalten kann, interessiert mich das nicht. Ich werde nie des Geldes wegen irgendwohin wechseln. Ich bin gesund und habe Lust. Ich spiele so lange, bis mein Körper „Stopp!“ sagt.



via http://www.gq-magazin.de/