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Durchblick im Renten-Durcheinander

Die deutsche Altersvorsorge ist vieles, aber nicht übersichtlich. Zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Jahr flattern unterschiedlich gestaltete Auflistungen aus den drei Säulen - der staatlichen, betrieblichen oder privaten Altersvorsorge - in die Briefkästen von Millionen Deutschen. In dieser Gemengelage aus Zahlen einen Überblick zu behalten, ist hart. Dazu kommt, dass die Träger nicht bei allen Vorsorgeprodukten diese sogenannten Standmitteilungen verschicken müssen. Wenn die Rente dann fließt, ist die Zahl auf dem Konto dann oft niedriger als erwartet.


Frühzeitig Handlungsbedarf zu erkennen, soll nun einfacher werden. Union und SPD haben sich deshalb im Koalitionsvertrag auf eine "säulenübergreifende Renteninformation" unter Aufsicht des Bundes geeinigt. Wie eine solche aussehen könnte, zeigt ein Forschungsbericht, den die Universität Ulm und Aon Hewitt, die Beratungstochter des Versicherungsmaklers Aon, vor Kurzem vorstellten.


"Bürger müssen sich einen Überblick verschaffen können", sagt André Geilenkothen. Er ist Partner bei Aon Hewitt und Co-Autor der Studie. In der skizzieren die Verfasser eine Plattform, auf der die Bürger alle erreichten und noch erreichbaren Rentenleistungen abrufen können. Innerhalb der kommenden zwei bis drei Jahre solle und könne bereits mit der Pilotphase des Systems gestartet werden, sagt Geilenkothen. "Mit der Studie lässt sich ein solches System in kürzester Zeit umsetzen. Das ist ein riesiger Fortschritt."


Allerdings hört sich der Plan einfacher an, als er ist. Das Grundproblem: Die Studie strebt an, dass der Versicherte unterm Strich eine konkrete Zahl erfährt, nämlich was er aus allen drei Rentenarten künftig im Monat genau zu erwarten hat. Doch diese Zahl hängt von einer Reihe unsicherer Faktoren ab: Wie entwickelt sich das Einkommen und damit die Beträge des Versicherten, wie entwickelt sich der Zins, wie erfolgreich legt der Versicherungsträger das Geld an? Das Portal soll zwar genau anzeigen, was im Alter jeden Monat ausgezahlt wird. Doch ob es künftig auch so kommt, ist unsicher, weil die Zahl aus einer Menge von mehr oder weniger groben Schätzungen zusammengerechnet worden ist. Deshalb sind Verbraucherschützer nicht nur begeistert von dem Vorschlag.


Das Konzept sieht vor, die einheitliche Plattform schrittweise aufzubauen. Am Anfang sollen die Versorgungsträger freiwillig mitmachen. Um eine Verpflichtung komme man aber irgendwann nicht herum, ist Geilenkothen überzeugt: "Es wird ja nicht einfacher. Die Erwerbsbiografien werden immer kleinteiliger."


Das Portal könnte so funktionieren: Der Bürger gibt bei der Plattform zunächst an, wie und wo er für das Alter vorgesorgt hat. Die Plattform soll Zugriff auf die Standmitteilungen der Träger bekommen. Ein Algorithmus soll aus allen Informationen dann die für den Bürger relevanten herausfiltern und übersichtlich darstellen. Die Informationen würden demnach nur auf Nachfrage gesammelt und könnten allein vom jeweiligen Kunden gespeichert werden. Das soll ausschließen, dass Versicherungen auf eine riesige Datensammlung fremder Kunden zugreifen können. Da das Portal die Zahlen nicht selbst erzeugt, müsste der Staat als Betreiber auch nicht haften, sollten die Zahlen falsch sein.


Geilenkothen sieht in dem Forschungsbericht lediglich eine Skizze für die Machbarkeit einer solchen Plattform, keine fertige Anleitung, die nur noch von Programmierern umgesetzt werden müsste. Wichtige Punkte sind deshalb noch offen: Es ist nicht klar, welche Daten gesammelt, wie sie aufbereitet und den Rentenversicherten genau gezeigt werden sollen. Das festzulegen, sei Aufgabe der Politik, die auch die gesetzliche Grundlage für eine solche Plattform noch schaffen müsse, sagt Co-Autor Geilenkothen. Die wichtigen Werte könnten jedenfalls aus den Standmitteilungen der Träger abgelesen werden. Das wären zum Beispiel Auszahlungszusagen, angenommene Zinsen und Kosten. Diese sollten zusammengerechnet und verständlich dargestellt werden, so transparent wie möglich.


Das Programm soll einen Brutto-Betrag anzeigen

Weil für die meisten Versicherten zählt, wie viel am Anfang jedes Monats aufs Konto überwiesen wird, soll ein Algorithmus die geschätzte monatliche Rente abbilden. Das wäre die entscheidende Zahl, der Wert, an dem sich die Menschen orientieren würden. Das Konzept sieht einen Brutto-Wert vor, in heutiger Kaufkraft berechnet. Steuern werden also nicht abgezogen, trotzdem sollen Versicherte so in der Lage sein, einzuschätzen, wie viel sie sich von ihrer Rente später leisten können. Im Idealfall gibt die Plattform damit den Bürgern eine Orientierung, ob sie mit ihrer Vorsorge auskommen oder doch noch lieber etwas mehr für ihre Rente tun wollen.


Der Knackpunkt aber bleibt die Zahl, die genau diese Orientierung geben soll. Zumindest anfangs wird es keine einheitlichen Regeln geben, wie die Versicherer ihre Beiträge errechnen müssen. Und die hängen stark von Prognosen ab. Ein scheinbar sicherer Wert basiert also auf unsicheren Annahmen. "Eine solche Zahl unterliegt immer einer gewissen Unsicherheit", gibt Geilenkothen zu. Seine Studie empfiehlt trotzdem, die Prognosen der Versicherungen zu verwenden. Es gebe keine vergleichbaren Vorhersagen. So müssten unterschiedliche Gehaltstrends in den Branchen und unterschiedliche Annahmen über die Entwicklung der Kapitalmärkte berücksichtigt werden. In der Studie steht: "Eine nur annähernd umfassende Abbildung all dieser Aspekte existiert aktuell nicht und würde massiven Aufwand an Zeit und Kosten nach sich ziehen." Deshalb solle der Staat für das Portal diese Daten verwenden..........mehr auf SZ.DE

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