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Schlupfloch kostet Staat Milliarden: So könnte es geschlossen werden

Es gibt Steuern, die muss jeder in Deutschland bezahlen. Eigentlich. Denn seit Jahren kriechen große Konzerne beim Immobilienkauf durch ein Schlupfloch und sparen so jährlich eine Milliarde Euro an Steuern. An Lösungsvorschlägen mangelt es jedoch nicht.

Die Grunderwerbsteuer müssen eigentlich alle bezahlen, die sich eine Wohnung oder ein Haus kaufen. Bis 2006 lag sie bundesweit bei 3,5 Prozent. Über solche Sätze würden sich Hauskäufer heute freuen. Seit die Länder die Sätze selbst festlegen dürfen, herrscht ein regelrechter Wettlauf um den höchsten Steuersatz. In manchen Bundesländern liegt die Grunderwerbsteuer heute sogar bei 6,5 Prozent.


So funktioniert das Steuerschlupfloch

Dieser Anstieg hat viele Konzerne dazu animiert, bei ihren Immobiliengeschäften "kreativer" zu werden. Anstatt eine Immobilie zu kaufen, schließen sie sogenannte „Share Deals" ab. Der Verkäufer überträgt seine Immobilien in eine eigene Firma. Der Käufer kauft dann nicht die Immobilien selbst, sondern nur einen Teil der Firma. Meistens sind das 94,9 Prozent.

Warum tun sie das? Bis zu der Schwelle von 95 Prozent bleibt der Kauf grunderwerbsteuerfrei. Dafür muss diese Konstellation mindestens fünf Jahre bestehen. Vorteil: Der Käufer hat trotzdem die Kontrolle über die Firma. Nach fünf Jahren kauft er dann den Rest auf.


Ein bekanntes Beispiel für diese Praxis ist das Sony-Center in Berlin, das 2017 für rund 1,1 Milliarden Euro den Besitzer wechselte: Die neuen Eigentümer hätten eigentlich 66 Millionen Euro Grunderwerbsteuer zahlen müssen. Berlin ging aber leer aus.


Die Grünen kritisieren: Die Immobilienpreise werden nach oben getrieben

Share Deals kosten den Fiskus jährlich etwa eine Milliarde Euro an Steuern, schätzt die Bundestagsfraktion der Grünen, die dazu eine kleine Anfrage stellte. Der Bund gab 2017 nur ein Drittel mehr für sozialen Wohnungsbau aus. Das ist jedoch bei weitem nicht der einzige Kritikpunkt. Weitere Gründe sind:


Immobilienspekulation wird angeheizt. Unternehmen können Immobilien in eine Firma auslagern und verkaufen. Die Spekulationen werden durch die Wartezeit von fünf Jahren lediglich nach hinten verschoben.

Preise werden nach oben getrieben. Verkäufer wissen, dass sich Unternehmen fast umsonst Geld am Kapitalmarkt leihen können. Wenn sie dann noch einen Share Deal vereinbaren, hat der Käufer quasi doppelt gespart. Der Verkäufer kann also höhere Preise verlangen. Der Käufer wiederum kann höhere Preise zahlen. Dieses Vorgehen lohnt sich nur für teure Immobilien

Uns ist klar, dass wir Ihnen gerade die Anleitung zur Steuervermeidung gegeben haben. So einfach ist es in der Regel natürlich nicht - vor allem, wenn Sie sich als Privatperson einfach nur ein Haus oder eine Wohnung kaufen wollen. Auch eine Scheinfirma zu eröffnen und die Notare und Anwälte dafür zu bezahlen, kostet viel Geld. Dieser ganze Aufwand rechne sich erst ab einem Immobilien-Kaufpreis von etwa 15 Millionen Euro, schätzen Immobilienexperten.


Deshalb werden in Share Deals meistens große Portfolios hin und her geschoben. Damit sich das Steuervermeiden richtig lohnt, umfassen diese oft über 800 Apartments, schreibt die Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Grünen. In dieser Antwort hat die Bundesregierung auch die größten Deals der jüngeren Geschichte aufgelistet. Unter den Käufern finden sich alte Bekannte wie Vonovia, die Deutsche Wohnen oder ein chinesischer Staatsfonds.


Jetzt können Sie sich schon denken, dass es nicht bei ein paar hundert verkauften Wohnungen bleibt. Zu den Höchstzeiten des Immobilienbooms, das war 2015, wurden 333.400 Wohnungen in Paketen von 800 Apartments oder größer verkauft. 67 Prozent davon waren Share Deals, wie die „ Welt " ausgerechnet hat. 2017 wurden nur noch 58.600 Wohnungen in so großen Paketen verkauft, davon waren 25 Prozent Share Deals. Das dürfte jedoch durch den abkühlenden Immobilienboom zu begründen sein.


So wollen die Finanzminister Share Deals verhindern

Die Regelungen, die zu den Share Deals führen, stehen exemplarisch für ein Gesetz, das gut gedacht, aber schlecht gemacht war. Eigentlich wollte man eine Doppelbesteuerung verhindern. Beim Kauf von Unternehmensanteilen sollte nicht automatisch Grundsteuer anfallen. Das ist auch der Grund, warum andere Lösungsvorschläge - von denen es haufenweise gibt - häufig nicht verfassungskonform waren.


Nach langjährigen Verhandlungen haben sich die Finanzminister der Länder Ende vergangenen Jahres auf eine Lösung geeinigt. Der Vorschlag: Die steuerfreie Grenze wird von 95 auf 90 Prozent gesenkt und die Fünfjahresfrist auf zehn Jahre verlängert. Das geht vielen Experten aber nicht weit genug. Das Steuerschlupfloch wird dadurch nicht geschlossen. Bei großen Deals würde der Staat weiterhin leer ausgehen.


Das sind die Alternativen zum Finanzminister-Vorschlag

Dass man es auch anders machen könnte, zeigt ein Gutachten, das der Hamburger Steuerrechts-Professor Ulrich Hufeld im Auftrag der Grünen angefertigt hat. Er schlägt ein Quoten-Modell vor, in dem die steuerfreie Grenze schon bei 50 Prozent beginnen soll.

Der Käufer müsste dann die Hälfte der eigentlich fälligen Grunderwerbssteuer zahlen. Mit steigenden Anteilen soll auch die Grunderwerbssteuer steigen. Mit 75 Prozent müssten die Unternehmen demnach drei Viertel der eigentlichen Grunderwerbssteuer bezahlen, bei 100 Prozent die gesamte. Das Umgehen der Grunderwerbssteuer würde sich also nicht mehr lohnen - und das verfassungskonform.


Das schlägt eine ähnliche Quote mit einem Freibetrag vor, um private Käufer zu entlasten. Neubauten sollen zudem generell von der Grunderwerbsteuer befreit werden und Verkäufer müssten eine Zusatzsteuer zahlen, die eine Immobilie nur kurzzeitig besessen haben. Das würde weiterhin „substanzielle" Steuereinnahmen garantieren. Viele Immobilienverbände wiederum würden die Grunderwerbsteuer gleich ganz abschaffen. Einfach die Steuer abschaffen, die man eh schon vermeiden will - so würden den Ländern nicht nur eine, sondern weitere 14 Milliarden Euro an Steuern entgehen.

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