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Deutscher Favorit von Merkel abgesägt: Das sind die neuen Favoriten auf die Draghi-Nachfolge

Nach seiner achtjährigen Amtszeit muss Mario Draghi 2019 als EZB-Chef abdanken. Unter Ökonomen galt lange der Deutsche Jens Weidmann als Favorit auf den freien Posten. Angela Merkel will den aktuellen Präsidenten der Deutschen Bundesbank jedoch nicht unterstützen. Der ist damit aus dem Rennen. Was bedeuten die neuen Kandidaten für Deutschland?


Da die Amtszeit eines Präsidenten der Europäischen Zentralbank nur acht Jahre betragen darf, muss Mario Draghi im Oktober 2019 den Posten räumen. Analysten und Ökonomen wollten lange Jens Weidmann als Nachfolger des umstrittenen Draghi. Doch Angela Merkel hält, laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, einen Deutschen an der Spitze der Europäischen Zentralbank für nicht vermittelbar.

Das Rennen um Draghis Posten ist damit wieder spannend. Die Bewerber können kaum unterschiedlicher sein. Vor allem Frankreich hat mit zwei Kandidaten gute Chancen. Eine Übersicht:


Der Draghi-Klon

François Villeroy de Galhau ist aktuell Frankreichs Notenbankchef und war lange Zweiter hinter Weidmann. Durch das Ausscheiden Weidmanns rückt der jahrelange Berater und Kabinettschef von Finanzministern wie Dominique Strauss-Kahn nun in den Fokus. Bisher gab es nur drei EZB-Chefs, er wäre der zweite französische.


Bisher unterstützte der 59-Jährige den Kurs von Draghi und gilt als Vertreter der lockeren Geldpolitik. Er will die Eurozone weiter stärken, sieht Deutschland als Freund und in einer gemeinsamen Führungsrolle mit Frankreich. In einem Interview mit dem Handelsblatt bekräftigte er seinen Hauptanliegenspunkt, Krisen nicht einmal entstehen zu lassen: "Bisher haben wir sie immer erst bekämpft, wenn sie schon ausgebrochen waren."


Die erste Frau an der EZB-Spitze

Wenn Frankreich Christine Lagarde ins Rennen schicken würde, werden die EU-Staats- und Regierungschefs dazu schlecht nein sagen können, meint ein Notenbanker in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die 62-Jährige ist aktuell Chefin des Internationalen Währungsfonds in Washington und in diesem Posten hoch angesehen. Sie soll jedoch wieder nach Europa zurück wollen.


Lagarde gehört zu den größten Kritikern des deutschen Handelsüberschusses. Nicht einmal Wolfgang Schäuble kann gegen sie argumentativ mithalten. In einem Interview mit der Tagesschau trieb sie den aktuellen Bundestagspräsidenten mit einem Fußball-Gleichnis in die Enge: "Wolfgang sagte zu mir: 'Verlangst du von mir etwa, Bayern München zu sagen, sie sollten nicht gut spielen, so dass Olympique Lyon das Spiel gewinnen kann?'" Sie habe geantwortet, dass es darum gehe, dass man in einer Wirtschaftsunion zusammen Bayern München ist und nicht gegeneinander spielt.


Der Draghi-Kritiker

Klaas Knot ist wenigen Menschen ein Begriff und gerade deswegen ein Favorit, denn: Der aktuelle Chef der Nederlandsche Bank würde auf wenig Widerstand, vor allem aus Südeuropa, stoßen. Der 51-Jährige lehrte als Professor bereits Ökonomie an der Universität Groningen und beriet das niederländische Finanzministerium.


Er ist der einzige Kandidat, der die Politik der EZB kippen könnte. Knot gilt als konservativ und Kritiker der expansiven Geldpolitik Draghis. In seinen Standpunkten wäre er Weidmann sehr ähnlich.


Der Außenseiter aus Estland

Weil Estland eine eher kleine Lobby in der EU hat, gilt deren Zentralbank-Chef, Ardo Hansson, als Außenseiter. Der Harvard-Absolvent kämpft jedoch schon seit Jahren konsequent und erfolgreich gegen das Geldwäsche-Problem seines Landes. So schließt er einfach mal eine Bank, wenn bei dieser Geldwäschegefahr besteht.


Hansson steht für straffere Geldpolitik und will eine flexible Währungsunion. Das bedeutet für ihn, dass dass ein Großteil der Fiskalpolitik auf nationaler Ebene stattfinden sollte - Draghi möchte das Gegenteil.


Wenig Spielraum für Reformen

Dass sich unter einem neuen EZB-Präsidenten bahnbrechend viel ändert, bezweifeln Experten. Dem Nachrichtendienst Reuters sagte zum Beispiel der Bayern-LB Volkswirt Stefan Kipar, dass die Wege der Geldpolitik nach zehn Jahren Finanz- und Schuldenkrise weitgehend vorgezeichnet seien. Es gehe eigentlich nur um Nuancen. Vielleicht hat deshalb noch kein Land offiziell einen Vorschlag gemacht.

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