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„Lerne, leiste, spare was!“

Historische Spardose im Schulmuseum Friedrichshafen

  • Aus kleinen Schwaben sollten große Geizkrägen werden: In Friedrichshafen zeigt eine Ausstellung, wie Schulen früher die Kinder zum Sparen anhielten.

Warum nur ist alle Welt so hoffnungslos verschuldet? An den Schulen, die sonst doch immer an allem schuld sind, kann es kaum liegen: Schon seit ewig predigen Lehrer, Geld auf die hohe Kante zu legen. Das heißt, so hoch auf den Schrank hinauf, dass man nicht mehr ohne Weiteres drankommt.

„Im 19. Jahrhundert verbreitete sich das Schulsparen“, berichtet Sonja Nanko, die Leiterin des Schulmuseums Friedrichshafen: „Sparen sollte den Charakter bilden. Es sollte zu Ordnungsliebe, Fleiß und Sorgfalt führen.“ Und vor Versuchungen bewahren: „Zu Beginn der Industrialisierung war Alkohol ein großes Problem. Deshalb sollten vor allem Arbeiterkinder zum Sparen erzogen werden: Sparschwein statt Branntwein.“ Die aktuelle Sonderausstellung des Schulmuseums zeigt, wie Pädagogen gegen Schwund und Verschwendung kämpften.

Spardosen wurden nicht nur mit Märchenfiguren und mahnenden Sprüchen verziert, sondern auch trickreich gegen vorzeitige Entleerung gesichert. Was aber, wenn sich moralisch ungefestigte Eltern an den Moneten der Kinder vergreifen? Da hielt man es für sicherer, in den Schulen selbst große Sparkästen mit Namensfächern aufzuhängen und Klassenlehrer die Sparbücher verwalten zu lassen. Die Einlagen sammelten jeweils am „Schulspartag“ Beamte ein, in Anzug und Krawatte und seriös dreinblickend: Bank-Angestellte galten einmal als Inbegriff von Vertrauenswürdigkeit.

„Öffentliches Sparen war schwierig“, sagt Sonja Nanko: „Arme Kinder konnten nicht immer etwas einzahlen, und alle haben es gesehen.“ Zur Lösung dieses Problems wurden in den Schulen „Sparautomaten“ aufgestellt, die alle bedienen konnten, wann sie wollten: Groschen einwerfen, Kurbel drehen, Quittung entnehmen. Anonymität fördert allerdings nicht immer Ehrlichkeit: Zuweilen fanden sich in den Behältern nur wertlose Metallplättchen. Bald galten die Automaten als „sittliche Gefahr“, weil sie zu Betrug verleiten würden.

Das Thema Sparen wurde in den unterschiedlichsten Unterrichtsfächern behandelt: Zins-Rechnungen in Mathematik, moralische Geschichten in Deutsch, in Biologie eifrig für den Winter vorsorgende Tiere. Das Schulbuch „Gemeinschaftskunde für Mädchen“ machte klar: „Der Bestand einer Ehe ist nur dann gewährleistet, wenn es die Frau versteht hauszuhalten. Haushalten heißt vernünftig einteilen und sorgsam umgehen mit Einnahmen und Ausgaben.“ Bei allen Dingen, wohlgemerkt, auch bei Lebensmitteln, Heizkohle und Nähfaden.

„Lerne, leiste, spare was – dann bist Du, kannst Du, hast Du was“ verspricht ein Stundenplan, den die Volksbanken verschenkten. Pech, wenn der Staat dann alle Ersparnisse sinnlos verpulvert. „Wer nur Bankguthaben und Kriegsanleihen hatte, also keine Sachwerte wie Gold, Aktien oder Immobilien – der war nach dem Ersten Weltkrieg völlig blank“, erläutert Sonja Nanko. Mit der Hyperinflation im Jahr 1923 und dem Verlust aller Geldanlagen sank die Spar-Neigung der Deutschen auf Null.

Um ihr Geschäft wieder anzukurbeln, führten die Sparkassen 1924 auf einem internationalen Kongress in Mailand den „Weltspartag“ ein. Seither bekommen vor allem Kinder ein kleines Geschenk, wenn sie in der letzten Oktoberwoche bei der Bank vorbeischauen. Von den Nazis wurde die Werbeaktion in „Deutscher Spartag“ umbenannt, ansonsten überlebte sie auch den Zweiten Weltkrieg und die damit verbundene Inflation.

In den 1980er Jahren kam das Schulsparen aus der Mode, meist schlief es einfach ein. Knausern passt wohl nicht zur Konsumgesellschaft auf Kredit. Dazu kommen Gesundheitsgründe: Angesichts von Schuldenbergen und Rentenlücken geht es jüngeren Menschen bestimmt besser, wenn sie von Zinseszinsrechnung keine Ahnung haben.

Martin Ebner / Text veröffentlicht am 14.9.2013


Die Ausstellung „Von Geizkragen und Pfennigfuchsern – Wie Kinder das Sparen lernten“ war im Schulmuseum Friedrichshafen bis April 2014 zu sehen.



Arme Sparschweine

Banknoten und Münzen sind nach wie vor die einzigen gesetzlichen Zahlungsmittel. Tatsächlich ist heute aber Giralgeld viel verbreiteter; nicht einmal die ständig klammen Finanzämter nehmen Bargeld. Seit das Geld elektronisch um die Welt flitzt und nicht mehr anzufassen ist, werden kaum noch Sparschweine gefüttert. Damit endet eine Tradition, die Griechen und Römer vor mehr als 2500 Jahren mit kleinen Tempelchen aus Ton begonnen hatten. Als Spardosen blieben bis in die Neuzeit Häuschen beliebt, suggeriert die Haus-Form doch Schutz und Sicherheit.

Die Massenproduktion von für jedermann erschwinglichen Geldgefäßen aus Metall startete in den 1870er Jahren: Nach dem Ende des US-Bürgerkriegs hatte die Industrie große Kapazitäten in der Eisenproduktion frei, zum anderen stand mit Weißblech ein neues Material zur Verfügung, das fantasievolle Formen erlaubte. Ab dem 19. Jahrhundert wurden bei uns hohle Schweine mit Geldschlitzen in vielen Variationen populär. Heute dienen Sparbüchsen meist nur noch als Dekorations- und Sammelobjekte.


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