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Der lange Weg zum Studierendenvisum in Österreich

Wien - Der Antrag dauert lange, ist teuer und kostet Nerven. Trotzdem bemühen sich jedes Jahr viele Studierende aus Drittstaaten um einen Aufenthaltstitel für Österreich. 2015 verliehen die Behörden mehr als 5.000 neuen Studierenden das Recht zu bleiben. Aktuell studieren rund 17.500 mit dieser Bewilligung in Österreich.

Eine davon ist Violeta Hinojosa. Die gebürtige Peruanerin studiert seit drei Jahren in Wien. Ihre US-Staatsbürgerschaft kam ihr bei der Einreise zupass, die Anmeldung zum Studium gestaltete sich allerdings schwierig. Die Technische Universität Wien gab ihr zu verstehen, dass sie trotz abgeschlossenen Bachelorstudiums keine Matura oder Gleichwertiges vorzuweisen habe. "Ich hätte beinahe aufgegeben. Das hat für mich einfach keinen Sinn gemacht", sagt Hinojosa. Auch die Lösung erschien ihr absurd: Um Architektur in Österreich zu studieren, musste sie erst in den USA für das Studium zugelassen werden. Dafür durchlief sie dort alle Mühen und Kosten einer Bewerbung.

Hinojosa schaffte mit der Studienzulassung eine von zwei großen Hürden, die Studierende aus dem EU-Ausland nehmen müssen. Das Auslandreferat der ÖH nennt noch ein zweites großes Hindernis: die Kosten.

Viel Papierarbeit

Wer um einen Aufenthaltstitel als Studierender ansucht, muss sich erst einmal auf Papierarbeit einstellen. Schritt eins ist die Vorlage einer Aufnahmebestätigung an einer österreichischen Bildungseinrichtung. Dazu kommen Unterlagen wie die Geburtsurkunde, ein polizeiliches Führungszeugnis und Nachweise, dass eine Krankenversicherung abgeschlossen wurde und eine Unterkunft zur Verfügung steht. Den beglaubigten Dokumenten muss eine autorisierte deutsche Übersetzung beiliegen.

Das kann teuer werden. Tamara Spahic (Name geändert), die 2015 für das Studium aus Bosnien nach Wien zog, schätzt, dass sie insgesamt etwa 900 Euro benötigte, bis es an der Uni Wien losgehen konnte. Davon fielen 200 Euro allein für die Übersetzungen an. "Einige Übersetzungen musste ich doppelt machen lassen, weil die Uni zweieinhalb Monate nicht geantwortet hat und die Dokumente dann nicht mehr gültig waren," sagt sie.

Hohe Ersparnisse

Die Frage der Ersparnisse ist für Studierende aus Drittländern knifflig. Neben den Kosten, die während des Antrags anfallen, müssen unter 24-Jährige jährlich auch einen Rückhalt von fast 4.500 Euro nachweisen; wer älter ist, benötigt fast 8.000 Euro. Das entspreche den Lebenskosten für ein Jahr, so die Begründung.

Für viele Familien ist das ein astronomischer Betrag. Spahics Vater verdient 400 Euro im Monat, ihre Mutter 200. Geld für den Nachweis hat sie sich ausgeborgt und später wieder zurückgegeben. Gepaart mit der Obergrenze der zehn erlaubten Arbeitsstunden für Bachelor-Studierende ist es nicht einfach für sie, das nötige Kleingeld für das Leben in Wien zusammenzubekommen: "Es macht keinen Sinn. Es wird davon ausgegangen, dass man 5.000 Euro im Jahr braucht. Niemand kommt mit zehn Stunden auf so einen hohen Lohn." Während des Masterstudiums erhöht sich das Limit dann auf 20 Stunden.

Prekäre Lage

Auch der Sozialfonds der ÖH bekommt die prekäre Lage der Studierenden aus Drittstaaten zu spüren. Sie sind die klassische Risikogruppe, die auf die Hilfe von maximal 1.200 Euro einmal im Jahr angewiesen sind. "In Wahrheit ist es trotzdem nur ein Tropfen auf dem heißen Stein", sagt Lucia Grabetz aus dem Vorsitzteam der ÖH angesichts doppelter Studiengebühren, Arbeitslimits, teurer Deutschkurse und des Nachweises für die Lebenskosten. Diese Kombination liest sich wie eine Vorsonderierung: Kommen soll, wer Geld mitbringt.

Sichergestellt werden soll damit offiziell, dass der Grund für den Umzug nach Österreich wirklich das Studium und nicht das Geldverdienen ist. Das Limit ist allerdings kein definitives. Möchte ein Studierender aus einem Drittstaat einen Job annehmen, der mehr Stunden umfasst, muss das AMS eine Arbeitsmarktprüfung vornehmen. Kommt heraus, dass die Stelle nicht an einen arbeitslosen Österreicher vergeben werden kann, darf der Studierende sie annehmen.

Wenige Arbeitsstunden

Rechtliche Grundlage ist die Zehn-Stunden-Mindestgrenze, die durch eine EU-Richtlinie festgelegt ist. Diese regelt, wie viel Studierende aus Drittstaaten mindestens arbeiten dürfen müssen, um für den Zuzug EU-weit ähnliche Voraussetzungen zu schaffen. Im kommenden Jahr soll die Grenze von zehn auf 15 Stunden angehoben werden.

Momentan zählt Österreich unter Studierenden aus Drittstaaten zu den beliebtesten EU-Ländern. Trotz der finanziellen Sorgen ist für viele ausschlaggebend, dass ein Studium in Österreich günstiger ausfällt als anderswo. "Mein Traum war es, nach Italien zu gehen", sagt Sagi Silberschatz. Es scheiterte am Geld. In Österreich zu studieren war für den Studenten aus Jerusalem günstiger.

Obwohl auch für ihn der Weg zum Aufenthaltstitel holprig war, machte der Managementstudent der Lauder Business School aus der Not eine Tugend. Sein Wissen über Behördengänge und Formulare gibt er nun als Vorsitzender der Studierendenvertretung an seiner Universität an die Neuankömmlinge weiter und lotst sie mit einer schriftlichen Anleitung durch den Prozess.

Kooperative Unis

Wenn die Universität hilft, kann es ganz einfach sein. So hat es auch die WU-Studentin Nadia Lazunina aus Russland erlebt: "Ich war erstaunt, wie schnell alles über die Bühne gegangen ist." Die Wirtschaftsuniversität Wien lieferte ihr alle nötigen Informationen, ihr Antrag wurde auf dem Amt rasch bearbeitet. Zu keinem Zeitpunkt sorgte sie sich um den Ausgang ihrer Bewerbung.

Nur in einem Punkt taten sich Schwierigkeiten auf: "Ich habe vier Fremdsprachen gesprochen, aber Deutsch war keine davon." Fremdsprachenkenntnisse suchte sie bei den anwesenden Beamten der Magistratsabteilung 35 für Einwanderung und Staatsbürgerschaft in Wien vergeblich.

Unterschiedliche Erfahrungen

Wer mit Auslandsstudierenden über die MA 35 spricht, dem schlägt entweder großes Lob oder harsche Kritik entgegen - selten etwas in der Mitte. Silberschatz schwärmt von der Geduld und dem perfekten Englisch der Beamtin. Hinojosas Fragen auf Englisch hingegen wurden nur spärlich und spät beantwortet. Aus der MA 35 heißt es dazu: "Im Studierendenreferat sprechen alle Englisch." Selbstverständlich werde außerdem laufend in Weiterbildungen investiert.

Ähnlich unterschiedlich fallen die Erfahrungen an den Bezirksämtern aus, wo Studierende ihren Aufenthalt jährlich verlängern müssen. Hinojosa lobt die Sachlichkeit im achten Wiener Gemeindebezirk, während Silberschatz für das Ottakringer Pendant kafkaeske Zustände beschreibt: Es gebe kein Wartesystem, keinen richtigen Warteraum, nur den Gang und die verzerrten Durchsagen eines grenzwertigen Lautsprechers. Mehr als drei Stunden Wartezeit wurden für Silberschatz zur Qual: "Je länger du wartest, umso unsicherer wirst du: Vielleicht fehlt etwas? Vielleicht hast du etwas falsch gemacht?" Von den Gesichtern vieler Wartender las der Student Angst ab.

Auch Shan Mahmood hat zwiespältige Erfahrungen mit den Wiener Behörden gemacht. Er ist aus Pakistan nach Kufstein gezogen ist, um Internationale Wirtschaft an der Fachhochschule zu studieren. Dort seien die Beamten gut auf internationale Studierende eingestellt gewesen und hätten ihm den administrativen Teil des Studienaufenthalts sehr einfach gemacht. Als Mahmood danach nach Wien zog, sei es damit vorbei gewesen: "In Wien haben die Beamten viel weniger Zeit für die einzelnen Fälle. Es ist verständlich, dass es da nicht so gut funktioniert. Aber die Menschen in Tirol sind auch einfach viel freundlicher."

Ziel ist Rot-Weiß-Rot-Karte

Nach seinem Studienabschluss an der FH Kufstein gründete Mahmood das Start-up Overseas Management GmbH in Wien, das Studienreisen für chinesische Studierende nach Österreich anbietet. So will er anderen den Einstieg in seiner Wahlheimat vereinfachen. Dieses Vorhaben wird von der Stadt Wien gefördert. Durch die Firmengründung hat er die Rot-Weiß-Rot-Karte, also eine einjährige Aufenthaltsbewilligung, bekommen. Ausgelegt ist sie auf die dauerhafte Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte.

Ob Spahic, Silberschatz, Hinojosa und Lazunina Österreich nach dem Studium zu ihrer Heimat machen, ist noch unklar. Lazunina rechnet sich als Ausländerin keine großen Chancen auf dem Arbeitsmarkt aus. Silberschatz hingegen plant seine Zukunft in Wien bereits jetzt und arbeitet an einer Lösung, um auch nach seinem Bachelorabschluss dort leben und arbeiten zu dürfen. Er stellt sich auf einen holprigen Weg ein: "Wenn du bleiben willst, musst du kämpfen." (Alicia Prager, Marlis Stubenvoll, 4.3.2016)


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