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Studie zu Superreichen: Hat Oxfam recht? | Guardian of the Blind

Oxfam-Kampagne gegen Steueroasen

Eine Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam zeigt: Die reichsten 62 Menschen der Welt haben ein größeres Vermögen als die Hälfte der Weltbevölkerung, 1 Prozent der Weltbevölkerung besitzt so viel wie die übrigen 99 Prozent. Wirtschaftsliberale Ökonomen und Publizisten äußern methodische Kritik an der Studie. Hat Oxfam Fehler gemacht? Sind die Ergebnisse glaubwürdig?

Die wichtigste Aussagen des Oxfam-Berichts: 1 % der Weltbevölkerung besitzt mehr als der Rest der Welt zusammen, die 62 reichsten Menschen haben genauso viel wie Vermögen wie knapp die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung (3,6 Milliarden Menschen). Die Ungleichheit hat in den letzten Jahren noch mehr zugenommen: 2010 waren es noch 388 Superreiche, die so viel besaßen wie der Rest der Menschheit. Im gleichen Zeitraum ist das Vermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung um rund eine Billion Dollar (41 %) zurückgegangen. Befördert wird diese wachsende Spaltung durch ein Weltwirtschaftssystem, das den Reichen dient und durch eine ungerechte Steuerpolitik und Steueroasen für transnationale Konzerne und Superreiche.

Die Untersuchung von Oxfam hat ein breites Echo in den internationalen Medien gefunden und die Debatte über die globale Ungleichheit neu entfacht. Doch was, wenn diese Ergebnisse nicht stimmen?


Benutzt Oxfam die falsche Methode?

Die Kritik an der Studie kommt in markigen Worten daher. Laut F.A.Z. würden einige Ökonomen die Studie als "windig" und "unsinnig" bezeichnen. Der Standard schreibt, die Studie sei unglaubwürdig und behauptet, die Zahlen seien "wahrscheinlich an entscheidenden Stellen frisiert".

Der tatsächliche Kern der Kritik: Oxfam benutzt Daten der Credit Suisse. Diese beziehen sich auf das Nettovermögen, also Vermögen minus Schulden. Danach gibt es auch ein negatives Nettovermögen - nämlich wenn eine Person mehr Schulden als Vermögen hat. Dies würde zu absurden Ergebnissen führen. So wäre auch ein Kind, das nur ein Spielzeug besitzt, reicher als die ärmsten 30 Prozent der Weltbevölkerung. Denn diese sind verschuldet, haben also ein negatives Nettovermögen, quasi weniger als nichts. Außerdem seien unter den ärmsten 10% der Weltbevölkerung nach der von Oxfam verwendeten Methode auch viele verschuldete Europäer und Nordamerikaner.


Schulden sind nicht gleich Schulden

Wie berechtigt ist diese Kritik? Die Nettovermögen an sich ist ein vollkommen üblicher Maßstab bei der Messung einer Vermögensverteilung, und es ist auch deutlich geeigneter als das Bruttovermögen.

Wie sieht es mit den verschuldeten Europäern oder Nordamerikanern aus? In Deutschland - dem Land mit der höchsten Vermögensungleichheit in der Eurozone - haben die ärmsten 30 Prozent mehr Schulden als Vermögen.

Eine unhaltbarer Zustand, gewiss. Doch er taugt nicht, um damit die weltweite Einkommensungleichheit zwischen den armen und reichen Ländern zu relativieren. Nicht alle Schulden sind gleich: Nimmt man etwa einen Kredit für den Kauf eines Hauses auf, fließt der Wert des Hauses in das gemessene Nettovermögen mit ein. Daher taugt der gehobene Mitelstandsbürger, der einen hohen Kredit fürs Häuslebauen aufnimmt, nicht als Beispiel, dass das Nettovermögen als Maßstab ungeeignet sei.

Und selbstverständlich ist das Vermögen nur ein Faktor. So haben die allermeisten Europäer oder Nordamerikaner mit dem niedrigsten Gesamtvermögen immer noch höhere Einkommen als die ärmsten Afrikaner oder Südasiaten - und bei weitem einen höheren Lebensstandard.


Verschiedene Methoden - gleiches Ergebnis

Doch was passiert, wenn man der Argumentation der Kritiker einmal nachgeben würde? Oxfam selbst versucht dies in einem Blogpost und reagiert damit auf die genannten Gegenargumente. Die kritischen Stellungnahmen berufen sich auf diese Grafik, die aus den Credit Suisse-Daten erstellt wurde. Sie zeigt die regionale Zusammensetzung der Vermögensverteilung und verdeutlicht, dass laut der von Oxfam verwendeten Methode auch Menschen aus Industrieländern zu den niedrigsten Vermögensbesitzern gehören.

Versuchen wir nun einmal, diese herauszurechnen. Die ärmsten 50 Prozent der Weltbevölkerung besitzen 1% des globalen Reichtums. Das ärmste Zehntel der Weltbevölkerung haben mehr Schulden als Vermögen. Rechnet man diese hinaus, würde man natürlich viele der ärmsten Menschen in den ärmsten Ländern herausrechnen. Doch lassen wir uns darauf ein.

Laut der Rechnung, die Oxfam in seiner Studie gemacht hat, besitzen die reichsten 1% der Weltbevölkerung 48,1 Prozent des globalen Reichtums. Rechnet man nun die ärmsten 10% hinaus, besäßen sie (theoretisch) - 47,9 % des globalen Reichtums. Das Ergebnis ist also im Kern das Gleiche. 48,1% oder 47,9% - die Ungleichverteilung ist eklatant.


Oxfam hat recht: Die Ungleichheit wächst

Die geäußerten Vorwürfe sind in erster Linie ein Mittel, um die, die für mehr globale Gerechtigkeit eintreten, zu diskreditieren - doch die Argumentation steht auf tönernen Füßen. Viele Studien zeigen: Die Vermögensunterschiede zwischen Arm und Reich nehmen zu - weltweit wie innerhalb der Länder. Man darf nicht die Armen aus Entwicklungsländern gegen die Armen aus Industrieländern ausspielen.

Die extreme Ungleichheit bei der Vermögensverteilung relativieren oder schönreden zu wollen ist ein nur zu durchsichtiges Manöver der Reichen. Und es ist, angesichts der Ausmaße der Ungleichheit und der immer noch grassierenden Armut, ein ethisch mehr als bedenkliches Vorgehen.

Wenn man eine Kritik an Oxfam üben möchte, dann diese: Die aktuelle Oxfam-Kampagne zur Schließung von Steueroasen ist gewiss nur ein kleiner Faktor bei der Bekämpfung der internationalen Ungleichheit. Allerdings: Nur Schritt für Schritt lässt sich Veränderung erreichen.

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