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Orientalische Klänge: Turquerien am Mannheimer Hof

Schnelle Akkorde, orientalische Instrumente – in der Musik des Barock spiegelte sich die Faszination der osmanischen Kultur auf Europas Komponisten wider. Die Hofkapelle des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz bezauberte ihr Publikum mit Klangreisen nach Fernost. Selbst Mozart war begeistert.

EIN FEST FÜR DIE OHREN

Mit seiner „Mannheimer Schule“ schrieb er Musikgeschichte: Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz gegründete ein Hoforchester, das sich durch exzellente Musiker mit perfekter Spieltechnik auszeichnete. Das Orchester und die Mannheimer Komponisten kamen als „Mannheimer Schule“ zu Weltruhm: Sie gilt als Wegbereiter der Klassik. Musikliebhaber aus ganz Europa kamen im 18. Jahrhundert an den „Musenhof“ in der kurpfälzischen Residenzstadt, um den Aufführungen des Hoforchesters beizuwohnen.

KOMPOSITIONEN „ALLA TURCA“

Kurfürst Carl Theodor ernannte Johann Christian Cannabich 1758 zum Konzertmeister und 1773 zum Direktor der Instrumentalmusik. Er komponierte die berühmten Mannheimer Turquerien, orientalisch anmutende Stücke. Er galt als genialer Orchestererzieher am Mannheimer Hof: „Cannabich, welcher der beste Director ist den ich je gesehen, hat die liebe und forcht von seinen untergebenen“, lobte ihn Mozart im Jahr 1778. Er selbst war mit der Turquerie „Rondo alla turca“ berühmt geworden.

FREMD UND GEHEIMNISVOLL

Eine Turquerie von Johann Christian Cannabich ist die Ballett-Suite „Les Fêtes du Sérail“, deutsch „Die Feste des Palastes“. Das Werk fing musikalisch die geheimnisvolle Atmosphäre eines Harems ein ‒ mit schnellen Akkorden und orientalischen Instrumenten, wie Piccoloflöten, Triangel, Tschinellen und großer Trommel. Die ungewöhnlichen Klänge entstammten der Janitscharenmusik, der Militärmusik der Osmanen. Sie kam mit dem Austausch von Musikern der Gesandtschaften aus dem Morgenland nach Europa.

INSPIRATION ORIENT

Die Künstler waren von den fremden Kulturen und der Mode der Zeit begeistert und inspirierten sich gegenseitig. Die Suite von Cannabich basiert wahrscheinlich auf dem gleichnamigen Stück „Les jalousies, ou Les fêtes du sérail“: Jean-Georges Noverre, ein französischer Tänzer und Choreograf beschrieb das Ballett 1760 in seinen Briefen über den Tanz. Auch Mozart beschäftigte sich weiter mit dem Orient: Die „Entführung aus dem Serail“ ist seine berühmteste Oper und bis heute beliebt.

EINE LIEBE IN CHINA

Auch Asien inspirierte Cannabich: In „Angélique et Médor, ou Roland furieux“ vertont er die Geschichte einer asiatischen Prinzessin und eines sarazenischen Ritters: Angelica und Medoro verlieben sich am Hof Karls des Großen. Dessen Neffe Roland ist rasend vor Eifersucht, „furieux“ ‒ beide fliehen nach China. Das Werk basiert auf einem italienischen Epos aus dem 16. Jahrhundert. In Kunst, Musik und Literatur war die Liebesgeschichte der beiden bis ins 19. Jahrhundert hinein ein beliebtes Motiv.


Recherche, Text und Seitenaufbau: Maren Kaps (Februar 2021)

Endredaktion: Katrin Krumpholz

Bild: via Pixabay, lizenzfrei