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Kinos in der Corona-Pandemie: Wie im Horrorfilm

Freitagabend in einem Kino im Zentrum Bremens. Normalerweise stehen hier am Wochenende Dutzende Besucher Schlange, wenn ein neuer Blockbuster anläuft. Heute sind gerade mal etwa 40 Menschen gekommen, um den US-amerikanischen Actionfilm Tenet von Christopher Nolan zu schauen. Mehr als die Hälfte der coronakonformen Plätze im Saal bleiben frei.

Für das Kino ist die Corona-Pandemie ein Desaster. Während die Kinos in Deutschland 2019 im ersten Halbjahr noch 53,6 Millionen Tickets verkauften, waren es im gleichen Zeitraum 2020 nur noch 25,9 Millionen. In anderen Ländern sieht es nicht besser aus: Nolans Tenet etwa spielte am ersten Wochenende in den USA nur 20 Millionen Euro ein. Zum Vergleich: Der neue Star Wars-Film brachte im Dezember 2019 in gleicher Zeit 176 Millionen Dollar ein. Das Kino schreibt nun seinen eigenen, dramatischen Blockbuster. Cineworld, der zweitgrößte Kinobetreiber der Welt, hat seit Ausbruch der Pandemie einen filmreifen Börseneinbruch erlebt.

Kim Ludolf Koch, Geschäftsführer des Verbunds unabhängiger, mittelständischer Kinounternehmen Cineplex, sagt, aktuell würden sogar nur 25 bis 35 Prozent des Normalbesuches einen Film schauen. "Für uns bedeutet das einen Verlust von mindestens 400 Millionen Euro", so Koch über die gesamte Kinobranche. "Nur die wenigsten Kinobetreiber haben genügend Rücklagen, um den Schaden in dieser Größenordnung auszugleichen", sagt er. Er befürchtet deshalb, dass viele Filialen schließen müssen. "Wenn keine bedingungslosen Liquiditätshilfen vom Staat kommen, wird ein nennenswerter Teil der mittelständischen Kinolandschaft in den nächsten Monaten in ernsthafte Schwierigkeiten kommen", sagt Koch und zählt auch die eigene Kino-Gruppe dazu. Schon jetzt seien die meisten Rücklagen aufgebraucht.

Bloß aus dem Verkauf von Eintrittskarten sei ein rentabler Kinobetrieb nicht möglich, so Koch. Im Gegenteil: Bei laufenden Kosten mache das Kino bei einem Eintrittspreis von zehn Euro mindestens 90 Cent Verlust. Knapp die Hälfte des Preises gehe in die Filmmiete, der Rest in Personal, Marketing, Steuern und Miete. Ein Kino verdient sein Geld wie eine Tankstelle: Durch den zusätzlichen Verkauf von Getränken und Süßwaren. Außerdem mit Werbung. Laut der deutschen Filmförderungsanstalt FFA kommen damit jährlich durchschnittlich 1,5 Milliarden Euro in die Kinokassen. Insgesamt haben Kinobetreiber so in einem durchschnittlichen Jahr noch etwa 75 Millionen Euro Gewinn vor Steuern erwirtschaftet. Für 2020 prognostiziert die FFA einen Verlust von 225 Millionen Euro. Ohne internationale Blockbuster-Starts sogar ein Minus von 325 Millionen Euro.

Warum die Kinos nicht besser besucht werden, kann Koch nicht verstehen. "Sie gehören zu den sichersten Orten in der Öffentlichkeit", sagt er. "Weil die Menschen alle in eine Richtung schauen, nicht miteinander reden und ausreichend Abstand halten." Durch Lüftung und Klimaanlagen sei die Aerosol-Verbreitung im Vergleich zu Büros deutlich geringer. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Untersuchung, die das Hermann-Rietschel-Institut der Technischen Universität Berlin für den Hauptverband Deutscher Filmtheater durchgeführt hat. Die Konsequenz dieser Maßnahme ist allerdings: kalte Kinosäle. In Bremen behalten viele Besucher ihre Jacke an.

Dass die Kinos ihre Säle nicht voll bekommen, führt zu einem weiteren Problem, das Kinobetreiber auch als "Abwärtsspirale" bezeichnen. "Erst wenn die Kinos zumindest freitags und samstags ausverkaufte Säle haben, werden die Verleiher ihre Blockbuster wieder in die Kinos bringen", sagt Koch. Einige Filme, wie Mulan, ließ Disney sogar direkt auf der eigenen Streaming-Seite laufen. Besonders viel sei deshalb auch in Zukunft nicht in den Kinos zu erwarten. "Nach der enttäuschenden Verschiebung von James Bond ruht die Hoffnung auf deutschen Filmen und kleineren internationalen Produktionen", so Koch.

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