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Gastronomie in der Corona-Krise: Spaltpilz Heizpilz

Tragischerweise hat es die Klimapolitik oft nicht leicht in Zeiten einer Wirtschaftskrise, doch der Pandemieherbst des Jahres 2020 hält eine besonders ironische Pointe bereit: die Rückkehr des Heizpilzes. Über Jahre war das Gerät ein beliebtes Hassobjekt engagierter Klimaschützer - fossiles Erdgas verfeuern, damit man beim Glühweintrinken draußen auch ohne dicke Jacke auskommt, galt ihnen als schwere Sünde. Schon viele Jahre vor Greta Thunbergs erstem skolstrejk beschlossen deutsche Stadträte deshalb Auflagen und Verbote, die den Heizpilz vielerorts aus dem öffentlichen Raum verbannten.

Doch nun steigen die Corona-Infektionszahlen, und der Heizpilz wird zur neuen Hoffnung für viele Gastronomen, die angesichts der ausbleibenden Gäste und Kontaktbeschränkungen um ihre Existenz bangen. Wenn drinnen weniger Plätze nutzbar sind oder die Leute nicht kommen aus Sorge, sich dort anzustecken, so das Kalkül, dann sorgt der Heizpilz draußen vor der Tür dafür, dass es dort auch in der kalten Jahreszeit gemütlich ist.

In dieser Gemengelage hat der Heizpilz plötzlich unerwartete Freunde gefunden. Bereits im September hob etwa ausgerechnet Stuttgarts grüner Oberbürgermeister das Verbot für die Geräte bis April 2021 auf. Das sei "eine Entscheidung zugunsten unserer Gastronomie und keine Entscheidung gegen den Klimaschutz", ließ Kuhn wissen. Auch in anderen Städten, wie Tübingen, Regensburg und Essen, sind nun Ausnahmen für die ehemals verbotenen Heizpilze geplant.

Plötzlich gehen die Gastronomen massenhaft in die Pilze. So berichten die Toom-Baumärkte, sich vor Anfragen derzeit nicht retten zu können: "Wir verzeichnen einen Anstieg in der Nachfrage nach Heizmöglichkeiten für den Außenbereich. Dies umfasst sowohl gasbetriebene Geräte als auch Elektroheizgeräte, insbesondere Infrarotheizstrahler." Ähnlich die Metro: "Allein im September haben wir in unseren Metro-Großmärkten mehr als doppelt so viele Geräte verkauft wie im gleichen Monat des Jahres 2019", sagt ein Sprecher. Angesichts des aktuellen Bedarfs der Gastronomie rechne das Unternehmen damit, dass sich dieser Trend auch in den kommenden Monaten fortsetze.

Ist der Heizstrahler damit rehabilitiert?

Nicht ganz. Der mögliche Retter des gastronomischen Außenbereichs wird zwar geduldet, geliebt wird er noch immer nicht.

Der Stuttgarter Oberbürgermeister Kuhn betont, die Geräte seien zwar erlaubt, aber es gibt Arten, die ihm lieber sind als andere: "Auf die klimaschädlichen, gasbetriebenen Heizpilze sollte möglichst verzichtet werden", sagte er und empfahl stattdessen ökostrom-betriebene Heizpilze.

In Leipzig gestattet die Stadtverwaltung ebenfalls ein bisschen Wärme, aber nicht zu viel: Dort darf maximal ein Heizpilz pro 20 Quadratmeter aufgestellt werden. Und das auch nur mit Antrag, der die Gastronomen 20 bis 30 Euro kostet. Die Gebühr solle jedoch bis Dezember aufgehoben werden, heißt es von der Stadt, um die Betriebe kurzfristig zu entlasten.

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