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Alibaba und Ant: Der Spieler

Jack Ma sei gekommen, um eine Bombe zu werfen, so kündigt der Moderator den Auftritt des chinesischen Multimilliardärs und Gründers des E-Commerce-Giganten Alibaba an. Es ist der 24. Oktober, Ma soll auf der Shanghaier Bankenkonferenz "Bund Summit" über die Zukunft des Finanzsystems sprechen. Und dann kommt sie, die Bombe. Ma wirft den Aufsichtsbehörden vor, Innovation zu verhindern, weil sie es nur darauf angelegt hätten, das Risiko zu minimieren. Wörtlich sagt Ma: "Ein auf Big Data basierendes Kreditsystem sollte die aktuelle Pfandhausmentalität ersetzen." So ist es auf einem Video der Veranstaltung zu sehen.

staatliche Finanzaufsicht indirekt mit Pfandhäusern zu vergleichen - das ist nicht weniger als ein Frontalangriff auf die Regierung. Zumal ein Mann im Publikum sitzt, der diese Regierung repräsentiert: Wang Qishan, Vizepräsident der Volksrepublik und enger Vertrauter von Staatsführer Xi Jinping.

Rund eine Woche später lädt die nationale Finanzbehörde Jack Ma und zwei Manager der Ant Group vor. Es geht um den geplanten Börsengang des Finanzkonzerns, an dem Ma 50,5 Prozent der Anteile kontrolliert. Eigentlich wollte das Unternehmen, das Zahlungen abwickelt, Kredite vergibt und Versicherungen verkauft, nur zwei Tage später 35 Milliarden Dollar am Kapitalmarkt einsammeln und damit den bislang größten Börsengang der Geschichte hinlegen. Das Interesse der Investoren an den 1,7 Milliarden auszugebenden Ant-Aktien übersteigt das Angebot schon Wochen vorher um das 870-Fache. Für die chinesische Führung wäre ein solch spektakulärer Börsengang perfekte Propaganda; ein Beleg für Chinas technologische Überlegenheit gegenüber den USA.

Doch nun melden die Aufseher plötzlich Bedenken an. Sie verweisen auf neue Vorschriften und darauf, dass Ant in offiziellen Dokumenten falsche Angaben mache. Dann stoppen sie den Börsengang. Ob dieser nur aufgeschoben oder ganz aufgehoben ist - unklar. Die Frage, die seitdem halb China beschäftigt: Ist das Eingreifen der Finanzbehörde die Retourkutsche für Mas Kritik? Hat der Unternehmer seine Freiheit überschätzt?

"Der Zeitpunkt der Äußerungen war besonders mutig. Es wäre vielleicht besser gewesen, sie für die Party nach dem Börsengang aufzusparen", sagt die Hongkonger Ökonomin Kellee Tsai. "Es ist auch plausibel, dass die Aufsichtsbehörden zunehmend besorgt darüber waren, ein privates Fintech-Unternehmen könne den riesigen chinesischen Mikrofinanzmarkt dominieren."

Gut möglich also, dass die Aufsicht nicht nur Ma persönlich in die Schranken weisen wollte, sondern dass ihr auch sein Finanzunternehmen zu mächtig geworden ist. Ant (Ameise) ist in den vergangenen Jahren zu einem Konkurrenten des staatlichen Bankensektors aufgestiegen. Mehr als 700 Millionen Menschen nutzen mindestens einmal im Monat die Dienste von Ant, also praktisch jeder zweite Chinese. Zum Vergleich: Der amerikanische Konkurrent PayPal hat halb so viele User, die Sparkassen-Finanzgruppe kommt auf 50 Millionen Kunden.

Das bekannteste Produkt aus dem Ant-Kosmos heißt Alipay. Vom Mutterkonzern Alibaba einst erfunden, um Betrug im Online-Handel zu vermeiden, hat Alipay (und der konkurrierende Zahlungsanbieter WeChatPay) das Bargeld in China nahezu abgeschafft. Egal ob im Restaurant, im Supermarkt oder im Laden um die Ecke: Chinesen bezahlen heute fast nur mit dem Smartphone, Alipay liefert die dafür nötige Technologie.

2011 spaltete Jack Ma mit einem Schlag Ant von Alibaba ab und sicherte sich selbst die Kontrolle über eine Mehrheit der Anteile. Heute, neun Jahre später, ist Ant ein Finanzkonzern mit vielen Angeboten. Besonders stark wuchs zuletzt das Kreditgeschäft, es macht nach Unternehmensangaben mehr als ein Drittel des Umsatzes aus.

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