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Column

Nur noch zehn Minuten

Keiner will es und jeder weiß, dass es nicht gut ist. Aber jeder tut es trotzdem. Unter der Woche sogar fast jeden Tag. Ich habe es diese Woche sogar geschafft, es zwei Stunden lang zu tun. Am Morgen fühlt es sich meistens lebensnotwendig an und am Abend ist es verpönt. Fast jeden Abend sage ich mir: „Morgen tu ich es nicht, wirklich! Morgen drücke ich nicht auf snoozen.“ Jaja, das sagen sie alle. Und obwohl jeder weiß, dass man fitter ist wenn man direkt beim ersten Klingeln des Weckers aufsteht., ist man morgens Gott froh, dass man, dank der Snooze-Taste noch weitere zehn Minuten liegen bleiben kann oder zwanzig oder dreißig. Selbstdisziplin - was ist das?

Mein Bett hält mich fest und spielt ein ganz fieses Spiel mit mir. Es ist viel wärmer als die Fliesen im Bad oder der Boden vor der Kaffeemaschine. Außerdem ist es morgens immer extra kuschlig. Ich bin mir sicher, das macht es mit Absicht. Ich denke mir: „Nachher kann ich mich auch einfach mal beeilen. Zähneputzen? Das geht auch doppelt so schnell. Man muss einfach nur schneller schrubben. Alles kein Problem und die Bahn hat doch sowieso wieder Verspätung.“ 

Jeden Morgen fallen mir die besten Ausreden ein, warum ich nur noch zehn Minuten länger liegen bleiben kann. Obwohl ich vorher genau weiß, dass ich danach weder ausgeschlafener noch wacher sein werde. Im Gegenteil. Man wird noch müder und ärgert sich danach darüber, dass man nicht einfach gleich aufgestanden ist. Ich schwöre mir: „Heute Abend gehst du einfach mal früher ins Bett. So um zehn oder so.“ Dann ist es abends und ich schaue auf die Uhr. Halb zehn. Perfekt, ich bin geduscht und bettfertig. Ich müsste mich eigentlich nur hinlegen und schlafen. Oh. Ich hab vergessen die Wäsche zu machen. Aber ich habe ja noch eine halbe Stunde Zeit, bis zehn Uhr. Ich denke mir: „Das hast du ja jetzt zeitlich perfekt getimed! Morgen wirst du nicht müde sein!“ Schnell in den Keller, die Wäsche rein schmeißen und die frische Wäsche aufhängen. Es ist zehn. Ich liege zufrieden im Bett. Die Müdigkeit von heute Morgen und heute Mittag ist aber weg. Was hat Mama nochmal gesagt? Heiße Milch mit Honig und lesen macht müde. Alles klar, kein Problem. Ich mache mir eine Milch warm, tu einen Löffel Honig hinein und lege mich mit einer Zeitschrift ins Bett. Es ist halb elf. Ich trinke die viel zu süße Milch, sodass ich jetzt Magenschmerzen habe und lese meine Zeitschrift. Als ich die weglege, weil sie wirklich langweilig ist, ist es elf Uhr. Ich fange an zu googlen, welche Zeitschrift interessantere Themen hat. Außerdem google ich noch nach Tipps zum einschlafen. Da steht dann so etwas wie: Schäfchen zählen, heiße Milch mit Honig trinken und lesen. Na danke Google...  Ich stelle meinen Wecker und schreibe meiner Freundin eine Nachricht und frage sie welche Bahn wir morgen nehmen. Sie schreibt: Die um 08:30h. Ha! Sie ist also auch noch wach. Wenn ich jetzt schon mein Handy in der Hand habe kann ich auch gleich noch schauen was es auf Facebook, Instagram und Snapchat so Neues gibt. 

Es ist 24 Uhr. Jetzt bin ich zwar noch wacher aber lustiger als die Zeitschrift war das alle mal. Auf einmal fällt mir ein: „Mittlerweile müsste auch meine Wäsche fertig sein. Zum Glück bin ich noch wach! Ich hänge die nur noch schnell auf und schlafe dann.“ Als ich mich dann zum zehnten Mal im Bett umdrehe weil ich hellwach bin schaue ich auf mein Handy. Es ist zwei Uhr. Na prima, in 5 Stunden muss ich aufstehen. Ich ärgere mich und schlafe dann irgendwann ein. Wahrscheinlich so um halb drei. Als mein Wecker klingelt fühlt es sich aber so an als wäre ich erst um sechs Uhr eingeschlafen. Ich denke „Nur noch 10 Minuten liegenbleiben, du hast ja wirklich nicht lange geschlafen. Heute Abend gehst du früher ins Bett“ und drücke auf snoozen.