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Kunstprojekt in der Taunusstraße: Werden die Bewohner verdrängt?

Die Blocks um die Kreuzung zwischen Taunusstraße und Moselstraße wurden am Samstagabend vollständig für den Autoverkehr gesperrt. Auf einem LKW-Auflieger ist eine Bühne mit aufwändiger Lichtinstallation und Soundanlage aufgebaut, noch in der Kaiserstraße muss man die Stimme heben, um sich verständigen zu können. TAB e. V. (früher die Abkürzung Taunusstraße B ahnhofsviertel, jetzt ein Eigenname) hat sich Mühe gegeben, die heutige Eröffnung der Street Gallery in der Taunusstraße zu einem echten Ereignis zu machen.

Unterstützt mit einem fünfstelligen Betrag der Stadt - und dem Publikum gefällt es. Die Musiker das Bo, Shantel und später am Abend noch Wirtz bringen die Menge zum beben, schon lange vor 20 Uhr ist die gesamte Kreuzung voll mit Tanzenden jeden Alters. Auch wenn man zweimal hingucken muss, um den Anlass des Ganzen zu erkennen. Die umgedrehten Stoffzelte auf halber Höhe der Laternen fallen nicht allen auf.

Gäste aus anderen Stadtteilen

Sonja ist Anfang 40 und extra für Wirtz aus Wiesbaden angereist. Von der Street Gallery hört sie durch uns zum ersten Mal: „Die Dinger da? Jetzt mal ehrlich... willst du mich veralbern?"

"Die Dinger da? Jetzt mal ehrlich... willst du mich veralbern?" - Sonja, Besucherin des Konzerts

Cindy ist mit ihrem kleinen Sohn hier. Sie wohnt in Rödelheim und ist für Shantel da. Macht es ihr nichts aus, zwischen Drogendealern und Bordellen zu feiern? „Wir haben früher auf Sankt Pauli gewohnt. Mich stört das überhaupt nicht." Und was denkt sie über die Veranstaltung an sich? „Ich mag es bunt. Das ist eine tolle Sache, nicht nur für's Viertel sondern für die ganze Stadt."

Kritik von Doña Carmen

Ganz so locker sehen das nicht alle. Der Verein Doña Carmen, der sich für die Rechte von Prostituierten einsetzt, kritisiert die Veranstaltung scharf. „Vielfalt predigen - Vertreibung den Weg ebnen!" steht auf einem Flyer, den Vereinsmitglieder im Umfeld der Veranstaltung verteilen. Neben der engen Verbindung zwischen TAB e. V. und der Stadt Frankfurt stört Doña Carmen das Verhalten von Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU), dem gezielte Aufwertungspolitik und damit einhergehende Verdrängung vorgeworfen wird.

Frank selbst ist ebenfalls anwesend und zeigt keinerlei Verständnis für die Kritik von Doña Carmen oder anderen Initiativen. Im Gegenteil: „Sonst sperren wir die Straße für Razzien, heute für ein Konzert, das ist doch eine liebenswerte Maßnahme."

„Sonst sperren wir die Straße für Razzien, heute für ein Konzert, das ist doch eine liebenswerte Maßnahme." - Dirk Frank (CDU), Ordnungsdezernent der Stadt Frankfurt

Solche Veranstaltungen sollen Kreative anlocken. Macht er sich keine Gedanken, dass dies dazu führt, dass der Charme des Viertels verloren geht? Dass Mieten steigen und Verdrängung einsetzt? Mehrfach weicht Frank der Frage aus: „Das wollen wir nicht, wir wollen Licht, Kunst und Kultur ins Viertel bringen." Ob es doch passieren könnte, dazu äußert Frank sich nicht. Auch dazu, dass das Umfeld der Kreuzung durch die obligatorischen Taschenkontrollen kein öffentlicher Bereich mehr ist, will Frank nicht Stellung beziehen. Schließlich könne nach der Kontrolle noch immer jeder an der Party teilnehmen.

Ein UFO im Bahnhofsviertel

Tatsächlich ist die Mischung vor der Bühne eine denkbar abwechslungsreiche. Von Abhängigen mit winzigen Pupillen bis zu Szenemenschen in Designerkleidung ist alles dabei. Wurde die Veranstaltung eigentlich mit den Bewohnern abgestimmt? „Es gab einen Anwohnerbrief, wir haben alle eingeladen", antwortet Monika Selke-Krüger, Pressesprecherin von TAB e. V. und Angestellte des Dezernates für Wirtschaft, Sport, Sicherheit und Feuerwehr im Fachbereich Wirtschaft.

So richtig mitbekommen haben das aber scheinbar einige nicht. Anders ist es schwer zu erklären, dass Anwohner sichtlich irritiert vom Trubel aus ihren Fenstern blickten. Ein bisschen wirkte die Bühne mit ihren Lichtern wie ein UFO, als ob sie dort mitten in einem der Brennpunkte des Bahnhofviertels gelandet war. Die gut gelaunten Feiernden davor machten den Anschein von Außerirdischen, eingeflogen aus einer anderen Welt, in der Drogen und Prostitution weit weg sind und feste Wohnsitze eine Selbstverständlichkeit. Am Rand standen die, die tagsüber diese Straßen bevölkern: Drogendealer, Bettler und Prostituierte.

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