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„Das Verhalten der Vermieterin ist illegal"

Ein solcher Menschenauflauf ist ungewöhnlich in dem ruhigen Wohngebiet im Stadtteil Rödelheim. Streifenwagen stehen auf der Straße, eine Kreuzung ist gesperrt. Kinder und Anwohner betrachten das Treiben aus einiger Entfernung, an umliegenden Häusern schauen Menschen aus den Fenstern. Viele junge Menschen und einige ältere haben sich für die Demo versammelt.

Das Haus, um das es geht, sollte seit zwei Wochen leer stehen. Am 1. August lief die Frist für die Bewohner des Gebäudes Am alten See 19 ab, die Vermieterin hatte Eigenbedarf an den 24 Wohneinheiten angemeldet. Ein Dutzend Mieterinnen und Mieter weigert sich allerdings, das Gebäude zu verlassen. Ihnen droht die Obdachlosigkeit.

Erst war das Warmwasser weg, dann die Toiletten

Trotzdem versucht die Vermieterin, den Druck auf die Bewohner zu erhöhen. So wurden am 16. August die Warmwasserzufuhr abgedreht und Badezimmerarmaturen demontiert. Eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Frankfurt brachte keine Wende, am 22. August wurden auch die Toiletten ausgebaut, nur eine im Erdgeschoss blieb den Mietern. Diese Maßnahme war der Auslöser für die Demonstration am Mittwoch.

Die Stimmung bei den rund 150 Teilnehmern ist entspannt, die Polizei begleitet mit drei Streifenwagen. Startpunkt ist das Haus der Vermieterin, ein Mehrparteiengebäude aus den Siebzigern. Vor Beginn gibt es eine kurze Ansprache, während des Umzugs einige eher verhaltene Sprechchöre. Die meisten der Demonstrierenden wohnen selbst im Stadtteil. Der Weg zur Straße Am alten See ist nicht weit, etwa fünf Minuten bei normalem Schritttempo.


Kein Ausnahmefall in Großstädten

René möchte nur seinen Vornamen nennen. Er ist Sprecher der Initiative Rödelheim Solidarisch und freut sich, dass die Kundgebung besser besucht ist, als vorangegangene. Die Initiative hatte über Nachbarschaftskontakte von den Geschehnissen rund um das Haus erfahren. Den Protest hat die Gruppe organisiert und über E-Mail-Verteiler und soziale Netzwerke darauf aufmerksam gemacht. Sogar ein Kamerateam ist da. René wundert sich: „Wir sind überrascht von der Reaktion der Presse. So etwas gibt es in allen Ballungsräumen. Der Unterschied ist, dass hier jetzt jemand darauf aufmerksam macht." Ist das Vorgehen der Vermieterin wirklich kein Extremfall? „So etwas ist alltägliche Praxis, es wird mit der Wehrlosigkeit kalkuliert. Und die meisten wehren sich ja tatsächlich nicht. Dabei ist das Verhalten der Vermieterin klar illegal."

„Die meisten wehren sich ja tatsächlich nicht. Dabei ist das Verhalten der Vermieterin klar illegal." - René von Rödelheim Solidarisch

Illegalität, Wehrlosigkeit - es sind schwere Geschütze, die die Initiative hier auffährt. Gerne hätten wir mit der Vermieterin Agnes G. gesprochen, sie besitzt mehrere Häuser, arbeitet als Beraterin in der Entwicklungshilfe. Ihr einziger Kommentar am Telefon: „Das interessiert mich nicht." Von Rödelheim Solidarisch ist zu erfahren, dass sie den Bewohnern die Schuld am Zustand des Gebäudes gibt. Also haben wir uns vor Ort umgeschaut. Die Demo ist inzwischen angekommen, viele Teilnehmer stehen noch vor dem Gebäude und unterhalten sich. Schon von außen fällt das Haus auf. Im eher bürgerlichen Teil Rödelheims blättert selten der Putz von den Wänden, auch dass der Schimmel schon von außen sichtbar ist, kommt nicht häufig vor.


Überall bröckelt der Putz

Alexandra Becker (Name geändert), lässt uns ins Haus. Der Flur ist aufgeräumt, aber heruntergekommen. „Früher habe ich hier freiwillig geputzt", erzählt Alexandra. „Das ist jetzt der Dank." Sie zeigt uns die ausgebauten Duschen, die abmontierte Toilette. Beides ist nur über den Hausflur zu erreichen. Die Zimmer in den Wohnungen sind einzeln vermietet, gezahlt wird bar auf die Hand, ohne Quittung. „Ich habe zwei Kündigungen bekommen, eine wegen Eigenbedarf, eine wegen Mietrückstand. Aber ich habe die Miete gezahlt. Mein Chef war bei der letzten Zahlung Ende Juli sogar dabei", erzählt sie. Sie ist Anfang 20 und arbeitet als Kellnerin. Sie wirkt eingeschüchtert von dem Rummel, aber auch vom Verhalten der Vermieterin. Menschen, die in ihr Haus kommen, ohne dass sie es verhindern könnte, Stress mit den Behörden, Angst vor der Räumung. Hofft sie, dass sich jetzt etwas ändert? „Ja, jetzt habe ich Hoffnung." Kurz erscheint ein Lächeln auf ihrem Gesicht.


Sogar Kinder leben noch im Haus

Die Mieten sind hoch für den Zustand der Immobilie und die kleinen Zimmer. Die meisten messen acht bis zehn Quadratmeter. 250, 300, 350, eine Familie zahlt sogar 650 Euro. Sie lebt mit zwei Kindern in einem einzelnen Zimmer auf rund 12 Quadratmetern. Alternativen haben sie bisher keine gefunden, trotz intensiver Suche, unterstützt von Rödelheim Solidarisch.

Die Initiative will den Bewohnern auch weiterhin helfen. Es sollen Handwerker beauftragt werden, um die einstweiligen Verfügungen des Gerichts durchzusetzen. Die Toiletten und Armaturen sollen wieder eingebaut, das Warmwasser wieder angestellt werden. Und dann? „Die Vermieterin setzt ganz klar auf Eskalation. Die Demo war nur der Anfang", sagt René. Rödelheim Solidarisch zeigt sich kämpferisch.

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