Bonobo "Fragments"
Bonobo – Elektronisches Soundmosaik für die Kopfhörer
Von Marc Mühlenbrock
Bonobo gilt als der Sound-Ästhet unter den Elektronik-Produzenten, in seinen Klanglandschaften lässt sich viel entdecken. Der Titel seines neuen Albums "Fragments" ist ein Verweis auf seine Vielseitigkeit. Es ist wieder melancholisch, aber auch hoffnungsvoll, es ist sein lautestes und tanzbarstes Album.
Der Brite Simon Green, der sich von Beginn seiner Karriere als Musiker Bonobo nennt, hat mit seinen inzwischen sieben Alben bewiesen, dass Elektronikmusik nicht nur für die Dancefloors dieser Welt gemacht wird. Seine fein verästelten, pluckernden und vibrierenden Stücke sind genauso etwas für eine einsame Listening Session zuhause mit Kopfhörern an einem grauen Sonntagnachmittag. Ganz gleich, ob seine Produktionen anfangs mehr nach staubigen Hip-Hop-Instrumentals klangen oder wie zuletzt auf "Migration" nach einem futuristischen organisch-synthetischem Amalgam. Insofern tut es dem Erfolg des neuen Albums "Fragments" sicherlich keinen Abbruch, wenn zum Release-Zeitpunkt viele Clubs dieser Welt immer noch geschlossen sind. Bonobos von Natur aus melancholischer Vibe verstärkt sogar noch die Sehnsucht nach Club-Abenden und weckt Erinnerungen an Nächte im Strobo.
Die Inspiration für "Fragments" könnte nicht weiter entfernt liegen von dekadenten Party-Nächten. Die Pandemie hat auch Bonobo eingesperrt, der sonst Erfahrungen aus Begegnungen und Beziehungen in seiner Musik verarbeitet. Für Album Nummer sieben ist er rausgefahren ins Umland seiner Wahlheimat L.A., in die kalifornischen Wälder und in die Wüste, um dort zu campen. In der Natur hat er eine neue Perspektive auf die Dinge gewonnen, erkannt, dass sich alles in Zyklen bewegt, dass alles - selbst so etwas Großes und Schreckliches wie eine Pandemie - auch wieder vorbeigehen wird.
Diese Idee hat Bonobo seinen Gästen mit an die Hand gegeben: Poetin/Songwriterin Jamila Woods verarbeitet dieses Konzept mustergültig im klagevollen "Tides", Ex-Youtube-Star Joji im Isolations-Trap von "From You" und Indie-Soul-Sängerin Kadhja Bonet im versöhnlichen, abschließenden "Day by Day". Seine unmittelbaren Umgebung, die Palisander vor seinem Fenster und den Namen des Parks, in dem er mit seinem Hund spazieren geht, verewigt Bonobo in den sphärischen instrumentalen Stücken "Rosewood" und "Elysian".
Bonobo sucht mit oder ohne Pandemie zwangsläufig die Isolation - als Heimarbeiter in seinem Studio, wenn er auf dem unendlichen Spielfeld der modularen Synthesizer Sounds kreiert, von denen er selber vorher gar nicht ahnte, dass sie existierten. Auf dem neuen Album gehen die extremer als sonst in verschiedene Richtungen: "Fragments" bietet die tanzbarsten und härtesten Momente in Bonobos Discographie auf, "Sapien" ist so einer. Die ruhigen Momente, wie den Opener "Polyghost" oder "Elysian", begleiten dem Anschein nach südostasiatische Saiten-Instrumente. Bonobo aber widerspricht, auch diese Sounds entstammen Gitarren und Harfen, die er nachbearbeitet hat. Den Global Touch gibt es dann aber doch in "Otomo". Der Song ist benannt nach Katsuhiro Otomo, Schöpfer des japanischen Science-Fiction-Manga Akira, darin sind Samples eines bulgarischen Chors aus den 1920er Jahren eingearbeitet.
Original