Nein, hier soll es nicht darum gehen, dass ich etwa Anglizismen konsequent ablehne, auch wenn auf manche verzichtet werden könnte. Auch nicht darum, dass Englisch per se etwas Negatives ist. Es ist eine Sprache, die vernünftig verwendet sogar zur Kommunikation genutzt werden kann. In bestimmten Berufsgruppen kommt man nicht umhin, ein Kauderwelsch, das sich irgendwo zwischen Deutsch und Englisch bewegt, anzuwenden. Innerhalb dieses Metiers, dem wohl die meisten Medienberufe angehören, werden diese Ausdrücke wohl auch verstanden. Wobei es eine lustige Vorstellung ist, davon auszugehen, dass selbst dort kaum jemand weiß, wovon der andere gerade faselt.
Der Aspekt, dass man mit Hilfe einer Sprache kommuniziert, dürfte kaum angezweifelt werden. Ob sie nun verständlich ist oder nicht, darf da keine Rolle spielen, denn glaubt man weisen Männern wie Friedemann Schulz von Thun oder Paul Watzlawick, dann ist es unmöglich, einem Verhalten keinerlei Botschaft abzugewinnen. Watzlawick hat das mal prägnant zusammengefasst, was ich hier nicht wiederkäuen werde. Die Phrase ist mittlerweile zum Slogan abgenutzt. Fast wie eine auffällige Fahne, die allen signalisieren soll „Schaut her! Ich weiß etwas sehr Kluges!". Ähnlich wie der Ausdruck Diskurs, der in der Bildungssprache fälschlicherweise gern synonym zu Diskussion verwendet wird. Übrigens ist das Tier mit zwei Höckern nicht bloß ein Kamel. Das ist ein Dromedar nämlich auch. Und der Koala ist mitnichten ein Bär. Das zeigt, dass Begriffe, die oft verwendet werden, nicht zwangsläufig richtig sind. Sie haben sich schlicht eingebürgert.
Wie eine Vielzahl an englischen Ausrufen und Bezeichnungen.
Irgendwie unterliegt man heute dem Zwang, alles Erdenkliche in einer Sprache auszudrücken, die vermeintlich cooler ist als die deutsche. Vielleicht interpretiere ich da ein bisschen zu viel hinein, aber mir kommt es fast so vor, als würden aktuelle Interpreten deutschsprachiger Musik bewusst die Aussprache schleifen. Fast, als wolle man damit irgendwie kaschieren, dass man in diesem harten, unästhetischen Geräuschunfall singt. Deutlichkeit ist keine angesagte Tugend mehr. Ein Grund mehr, sich hinter schwammigen Wendungen zu verstecken, von denen selbst derjenige nicht weiß, was sie bedeuten, der sie von sich gibt.
Eines von vielen Schlüsselerlebnissen hatte ich vor Kurzem, als ich nachmittags - ich weiß, das sollte man nicht tun - die Flimmerkiste (liebe Kinder, so nennt man Fernseher, bei denen man nicht die Bilddiagonale in Zoll sondern das Volumen misst; in m³) anschaltete. Gerade noch rechtzeitig, um in den zweifelhaften Hörgenuss zu kommen, dass sich irgendeine Modepuppe bei Shopping Queen zum Outfit einer Konkurrentin einen Ring „als kleines give away" gewünscht hätte. Man möchte mich korrigieren, wenn ich da falsch liege, aber handelt es sich bei give aways nicht um Kleinigkeiten, die man kostenlos in die Hand gedrückt bekommt? Sollte man nicht total darauf abfahren, Bekanntschaft mit Ladendetektiven zu machen, sollte man einen Ring vielleicht nicht als Gratisware betrachten.
Aber das passt zur allgemeinen Unart, seine Wortäußerungen mit allerlei Fremdsprachlichem aufzupeppen. Dass es sich dabei mittlerweile fast nur noch um bedeutungslose Tünche handelt, die dem Gesagten mehr Pepp verleihen sollen, scheint kaum jemanden zu kümmern. Zumindest nicht diejenigen, die es von sich geben. Hier werden Antworten in Diskussionen gerne mit „darling" eingeleitet, da ertönt ein schrilles „oh my gooood!", dort näselt jemand ein arrogantes „whatever". Das alles weckt in mir den Wunsch, die Sprecher vor die Kamera zu zerren und sie dort die Frage beantworten zu lassen, warum sie das gerade so gesagt haben, wie sie es getan haben. Es würde im Endeffekt auf den Drang, sich vor dem anderen zu profilieren, hinauslaufen (was niemand zugeben, geschweige denn formulieren würde/könnte). Denn all das kann auch im Deutschen ausgedrückt werden, wobei auch „oh mein Gott" schon längst nicht mehr als eine Worthülse ist. Niemand ruft heute mehr Gott an. Vielleicht Geistliche in der Kirche und gläubige Menschen, aber die hört man doch eher selten diesen Ausruf zirpen, wenn sie beispielsweise von einem „hottie" angeschaut werden.
Insbesondere, wenn derjenige „fame" ist, kann das schonmal vorkommen. Und da mag man mich gern als „grammar nazi" titulieren, aber in jeder Hinsicht ist dieser Gebrauch grammatikalisch falsch. Man nimmt es ja nicht mehr so genau mit Nomen, Verben und Adjektiven. Daher kommen ja auch so herrliche Sprüche, wie „Ich mach dich Messer!". Das geht auch deutlich flüssiger über den Knorpel als „Ich steche dich nieder mithilfe eines Schneidegeräts, aufdass du des Todes stürbest!". Alternativ ginge noch „Ich ermessere dich!". Bei „fame" handelt es sich nun aber um ein Substantiv. Abstrakt (weil nicht greifbar), aber nichtsdestoweniger ein Ding-Wort. Wie man das nun adverbial verwenden möchte, ist mir ein Rätsel, denn wörtlich übersetzt hieße ein Satz „Ich wäre gerne voll Ruhm so." und das ist schwer vorstellbar. Niemand möchte gerne „voll Ruhm so" sein, weil er es nicht sein kann.
(Als kleiner Einschub: Die Geschichte mit „grammar nazi" betrachte ich mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Mitleid. Fassungslos macht es mich, weil es zeigt, dass Sprache und sprachliche Richtigkeit überspitzt formuliert heutzutage keine Instanz mehr sind. Linguistisch betrachtet gibt es zwar kein richtig oder falsch, solange Kommunikation funktioniert, aber in der Schriftlichkeit funktioniert sie nunmal aufgrund von Regeln. Dass diese nicht nur als unwichtig angesehen, sondern darüber hinaus auch diejenigen, die auf den richtigen Umgang mit ihnen hinweisen (die „Oberlehrer"), verlacht werden, ist mir unbegreiflich. Zumal mit Nazi ein Fass geöffnet wird, dem ich mich nicht verbunden fühle.
Mitleid habe ich deswegen, weil diejenigen, die sich nicht von Konventionen „beirren" lassen, irgendwann an ihre Grenzen stoßen werden. Sei es bei Bewerbungsunterlagen, bei Klausuren, bei Abschlussarbeiten an der Uni oder im Beruf. Denn daran wird man gemessen, weil der konkrete Erstkontakt in der Regel schriftlich stattfindet. „Hör besser auf den Streber. Du kannst nur von ihm lernen.")
Und falls nun der Einwand kommt, dass die Ursache für diesen Trend die Medien sind: Das ist richtig. Allerdings fasst man unter Medien gerne nur jene zusammen, die geschäftsmäßig handeln. Die bösen, bösen Medien. Die da oben! Die zwingen uns ja geradezu und verbreiten immer mehr englischen Kram! Das ist nicht meine Auffassung von Medien. Beispiel: Wann immer in letzter Zeit die Rede davon gewesen ist, dass in den Medien ein „shitstorm" (lustige Vorstellung) entbrannte, waren es seltener Zeitschriftenportale, Fernsehsender oder Presseagenturen, die die Initialzündung gaben. Es waren die „user" bei den sozialen Medien, die maßgeblich das Bild beeinflussen. Wir sind also höchstselbst dafür verantwortlich, was wir uns schreiben und wie wir uns gegenseitig schreiben. Das bedeutet, dass bei allen Trends, die uns natürlich auch von Werbung etc. vorgegeben werden, wir wohl für englische Sinnlosigkeiten nicht nur empfänglich sind, sondern diese auch mit großer Freude verbreiten und verinnerlichen.
Es folgt eine kleine Handreichung verbaler Happen, die sich vortrefflich auch in unserer hässlichen Sprache formulieren lassen:
whatever - wie dem auch sei
oh my god - oha!
shitstorm - Stürm der Entrüstung
darling - du blöde Pute
fame - berühmt
fashion - Mode
dislike - Mag ich nicht.
slim tapered boot cut dragon fit denim - Jeans
no way - Was?! Nein!
i like - Dies sagt mir zu.
no comment - Sprich mit der Hand.
location - in Deutschland fälschlicherweise meist für ‚venue' verwendet; Veranstaltungsort
must-have - Ding, das für etwa drei bis vier Wochen total angesagt und sauteuer ist
Natürlich gibt es Begriffe, für die es im Deutschen keine Entsprechung gibt. Handy ist eine solche Leerstelle, die man wohl aus sprachökonomischen Gründen eingeführt hat, weil Mobiltelefon deutlich mehr Silben besitzt. Aber es wie die Thüringer Allgemeine 2012 zu formulieren, dass Anglizismen generell Lücken in unserem Wortschatz schließen, halte ich für unangemessen. Denn wenn die deutsche Sprache eines kann, dann sind es Wortkomposita. Man nehme fünf Substantive und kleistere diese zusammen. Man wird immer ein grammatisches Wort erhalten. Das kann weder Englisch, noch Spanisch, noch Französisch.