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Bleiben Sie im Haus! Draußen ist Wetter!

Machen wir es kurz: Man sollte einfach nicht mehr rausgehen. Es scheint vollkommen gleich zu sein, in welcher Klimazone man lebt. Der Berichterstattung nach zu urteilen befinden wir uns - wohlgemerkt Bewohner der gemäßigten Zone - in ständiger Bedrohung durch einen brutalen und übermächtigen Feind. Übermächtig ist er tatsächlich, aber eigenartigerweise ist ein Großteil der Medien wöchtlich aufs Neue überrascht davon. Aber fangen wir von vorn an.

Der Winter 2014/15 zog an uns vorbei und am Ende stellten die Meteorologen wie nach jeder Jahreszeit ein beängstigendes Extrem fest: „Dieser Winter war schlicht und ergreifend zu." Er war phasenweise zu mild und deshalb zu bedrohlich für Tiere und Pflanzen, weil viel zu hell. Darüber hinaus war er später zu wechselhaft, was die Arbeit für die Streudienste einfach zu schwer planbar machte. Dadurch waren örtlich die Straßen zu glatt und wenn der Streudienst dann kam, war es zu spät und die Unfallstatistik im Winter zu hoch. Es war im übrigen auch zu gefährlich, an Wohnhäusern vorbeizugehen, denn schließlich hatte es mancherorts zu viel geschneit und auf den Dächern lag zu viel Schnee. Durch die zu schlechte Isolierung der Häuserdächer kam es vermehrt zu Dachlawinen. 


Ein weiteres Qualitätsmerkmal der Wetterlagen in Deutschland ist das Attribut „ungewöhnlich". Kann man sich bei „zu" noch sagen, dass man ja nichts daran ändern kann und es halt eben so ist, hebt „ungewöhnlich" die Drastik auf ein vollkommen neues Niveau. So war der Frühling 2015 ungewöhnlich kalt. Medien überschlagen sich mit Meldungen, die sie durch Alliterationen so richtig aufpeppen. Der „frostige Frühling" habe die Nation fest im Griff. Das „Kälte-Chaos" ließe Bahnen ausfallen. Der „launische Lenz" ließe Wasserleitungen zufrieren und verwandele Häuser in „Bibber-Barracken". Hach ja, die Alliteration: das sprachliche Mittel des kleinen Mannes. Übrigens war der Frühling 2015 nicht überall ungewöhnlich kalt. Er war zum anderen ungewöhnlich sonnig und im Mai sogar ungewöhnlich warm. Insgesamt betrachtet scheint der Frühling also ungewöhnlich durchschnittlich gewesen zu sein, was beim geneigten Zuhörer und -schauer insbesondere privater Fernsehsender den Eindruck verstärkt, dass da doch irgendwas nicht mit rechten Dingen zugehen könne. Da dreht doch irgendjemand was am Wetter, Mensch! Mysteriös. 


Jetzt ist Sommer. Das merkt man hierzulande erst dann, wenn darüber berichtet wird, dass der richtige Sommer dieses Jahr mal wieder nicht eintreffen werde; im übrigen ebenso wie der richtige Winter. Der kommt dann aber meistens eher gegen Ende des Jahres...oder eben nicht. Das Witzige am richtigen Sommer ist übrigens die Tatsache, dass wenn er dann doch eintritt, keiner so wirklich damit umzugehen weiß. Die Einen gehen einfach nicht mehr raus, denn die Tropenhitze ist viel zu gefährlich für den handelsüblichen Höhlenmenschen, der seinen Körper im Strandurlaub unter vielen wichtigen Accessoires begräbt: übergroße Sonnenbrillen, Sonnenhüte, Sonneschirm und Sonnenschutz, der für den Fall entwickelt wurde, dass das Spaceshuttle-Programm doch fortgeführt wird. Beim Wiedereintritt in die Atmosphäre gäbe es fortan keinerlei Probleme mehr, denn die Unterseite des Shuttles kann faktisch nicht mehr von Hitze oder irgendeiner Strahlung durchdrungen werden.


Andere hingegen stürzen sich voller Freude an die Ufer der Badeseen und kommen abends wohlgerötet wieder nach Hause. Dabei klären uns jährlich sämtliche Nachmittagssendungen darüber auf, wie schlecht wir uns eincremen und dass die Sonne ja zu - da ist es wieder - stark sei, um sich ihr ungeschützt auszusetzen. Ist also die geliebte Jahreszeit, die wir so gern mit Erwartungen aufladen, endlich da, treffen uns die Schattenseiten wie ein Schlag. Denn obwohl es eine logische Notwendigkeit ist, dass es nicht regnet, wenn die Sonne scheint, ist diese Tatsache immer wieder ein Novum für uns. Plötzlich herrscht in Deutschland Dürre und Regen scheint nicht in Sicht. Sicher vor der Höllenglut sei nur, wer sich im Inneren seiner Wohnung aufhalte. Flüsse führten zu wenig Wasser und Schifffahrt sei nur beschränkt möglich. 


Seit gestern regnet es übrigens ununterbrochen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die emsigen Journalisten ausgesandt werden, um von katastrophalen Zuständen von unterspülten Bahngleisen und unpassierbaren Straßenabschnitten zu berichten. Der Boden vertrage einfach derartige Wassermassen nicht, weshalb jedem nur anzuraten sei, im Haus zu bleiben. 


Man stelle sich vor, Außerirdische beobachteten die Erde und das Verhalten der Menschen. Die objektive Zusammenfassung unserer Wetterbeurteilungen könnte so aussehen: Wetter ist gut. Aber nur dann, wenn es woanders ist. Und falls es doch mal hier sein sollte, dann soll es bitte anders sein als im Moment und vor allem später.


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