Die Beauty-Branche lebt von Trends: Mal wird Kokosnussöl als Wundermittel angepriesen, mal ist es Heilerde oder Teebaumöl. Gerade sind pechschwarze Kosmetikprodukte und Detoxsäfte mit Aktivkohle angesagt.
Seit Jahrtausenden schon wird Kohle auch in der Medizin genutzt. Die bekannteste Form ist die Kohletablette, die früher alle Interrail-Reisenden auf ihren Bahnfahrten durch Südeuropa im Gepäck hatten. Sie soll bei Magen-Darm-Erkrankungen helfen, denn die aus natürlichen Rohstoffen wie Linden- oder Kiefernholz gewonnene Kohle (überwiegend poröser, feinkörniger Kohlenstoff mit großer innerer Oberfläche) wirkt wie ein Schwamm. Die Kohle zieht Gifte oder Bakterien magnetisch an, bindet sie und scheidet sie aus dem Körper aus.
„Wirkung bei Kosmetik ist wissenschaftlich nicht belegt"Diese Eigenschaft soll sie nun auch als Beauty-Helfer qualifizieren. Shampoos, Peelings und Gesichtsmasken machen sich die absorbierende Fähigkeit bei äußerlicher Anwendung zunutze. Die Haut soll schonend von Unreinheiten befreit werden, Zähne sollen durch schwarze Zahnpasta mit Kohlepulver weiß erstrahlen.
Klingt - wie üblich in der Beauty-Branche - zu schön, um wahr zu sein. „Es wäre einfältig zu glauben, dass alle Produkte mit Aktivkohle eine immense Wirkung haben", sagt der Pharmazeut Matthias Melzig, Professor an der Freien Universität Berlin. „Aber ich denke schon, dass der Trend auf einem wahren Kern basiert." Immerhin haben die Ägypter schon im Altertum die Aktivkohle auch äußerlich zur Desinfektion von Wunden angewendet. Dennoch: Melzig sagt, die Wirkung in kosmetischen Produkten sei wissenschaftlich nicht belegt.
© Hersteller Schwarze Seife: In dieser Seife soll die Kohle unreine Haut besonders gut reinigen.
Muss also jeder für sich entscheiden, ob die Schönheitshelfer halten, was sie versprechen. Beim Kauf sollte man vor allem darauf achten, ob überhaupt medizinische Kohle im tiefschwarzen Produkt enthalten ist. Denn manchmal wird für die Farbgebung nur synthetischer Ruß beigemischt. Deshalb: Immer überprüfen, ob auf der Liste der Inhaltsstoffe „charcoal" verzeichnet ist.
Aktivkohle bindet Gifte, aber auch VitamineAuch innerlich soll die Kohle reinigend wirken. Deshalb wird sie nun Säften beigemischt. Stars wie Gwyneth Paltrow und Salma Hayek schwören auf die pechschwarzen Entgiftungsdrinks. Die Firma Detox Delight hat seit einem Jahr Produkte mit Aktivkohle im Sortiment, wie beispielsweise die „Black Detox Lemonade". Die Limonade enthält in einem halben Liter 175 Milligramm Aktivkohle - und die ist geschmacksneutral.
© Hersteller Schwarz auf Weiß: Die schwarze Zahnpasta bringt laut Hersteller das Gebiss wieder zum Strahlen.
„Die vielfältige Anwendung in der Medizin zeigt ja, dass die Wirkung der Kohle gegeben ist", sagt Astrid Purzer, Gründerin und Geschäftsführerin von Detox Delight. Dabei bezieht sie sich auf die englische Naturheilkundlerin Elizabeth Peyton-Jones, die meint, mit der täglichen Einnahme von Aktivkohle könnten die Giftstoffe im Körper um bis zu 60 Prozent reduziert werden. Natürlich sollte die Kohle in „homöopathischen Mengen" konsumiert werden, sagt Astrid Purzer - wie in den Drinks ihrer Firma.
Matthias Melzig bleibt da kritisch. Nicht mal ein Gramm Kohle in einem Produkt klinge zwar nicht nach viel. „Aber das sind schon etliche Quadratmeter an Oberfläche, die dem Körper einiges an Vitaminen und Medikamenten entziehen können." Denn es stimmt zwar, dass die Aktivkohle Toxine bindet. Sie unterscheidet aber nicht zwischen guten und schlechten Stoffen und absorbiert auch Nährstoffe. Kohle kann sogar die Wirkung von Arzneimitteln und vielleicht von hormonellen Verhütungsmitteln beeinträchtigen. „Der Hype um die innerliche Anwendung ist ziemlich verrückt", sagt der Pharmazeut. Was also wird das neue Schwarz?