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Feature

Zwischen Bio und Profit – der Spagat der Landwirte

Ein Einblick in den Arbeitsalltag eines jungen Gemüsegärtners

Es ist drei Uhr, als Lukas Schumacher in dieser frostigen, dunklen Samstagnacht auf seinen Traktor steigt. Das Thermometer zeigt minus fünf Grad an. Genau richtig für den Gemüsegärtner, denn er möchte Dünger auf den Krautfeldern streuen - das kann er nur, wenn der Boden gefroren ist. Doch die Winter werden immer wärmer, der Boden gefriert seltener. Der junge Landwirt nutzt die seltene Gelegenheit an diesem Februarwochenende, bevor das Wetter endgültig zu Frühlingstemperaturen umschlägt.  

Seit er 15 Jahre alt ist, arbeitet Schumacher als Gärtner im Gemüsebau. Über die Berufswahl musste er nicht lange nachdenken, denn seit seiner Kindheit nahmen sein Vater und sein Opa ihn mit zur Arbeit auf dem Traktor und zum Stuttgarter Großmarkt. 

„In den Schulferien habe ich oft im Betrieb ausgeholfen. Der Beruf ist mir gewissermaßen angeboren“, sagt der 24-jährige Gärtner. 

Nach seinem Schulabschluss machte er die Lehre zum Gemüsegärtner in einem Betrieb in Bietigheim-Bissingen. Anschließend wechselte er in den Familienbetrieb seines Vaters in Filderstadt. Die Arbeit unterbrach er für ein Jahr, um bei einer schulischen Weiterbildung seinen Abschluss zum Meister zu machen.

An diesem Morgen streut Schumacher sogenanntes Korn-Kali aus. Das Düngemittel versorgt den Boden mit Nährstoffen wie Kalium, Magnesium und Schwefel, die anschießend von den Pflanzen aufgenommen werden. Mit geübten Bewegungen fährt der Gärtner mit einem Gabelstapler vor und hebt die 600 Kilogramm schweren Säcke an. Er platziert die Kolosse direkt über seinem Düngerstreuer und schlitzt sie mit einem Messer auf, sodass das krümelartige Korn-Kali von selbst in die Wanne rutscht. Insgesamt vier Säcke leert er aus, dann ist der Behälter randvoll. Schumacher steigt wieder auf den Traktor und fährt Vollgas in Richtung Acker.

Schwäbischer Familienbetrieb handelt mit Früchten aus Ghana

Insgesamt 90 Hektar Land besitzt die Schumacher GmbH. Schumachers Opa Hermann gründete das Unternehmen. Heute führen es sein Vater Klaus gemeinsam mit dessen Cousins Fritz, Martin und Hans. Der Betrieb hat 30 Festangestellte sowie etwa 50 Saisonarbeiter im Sommer und zehn im Winter. Der Betrieb produziert verschiedene Salat- und Krautsorten: Eichblattsalat, Lollo, Spitzkohl, Rotkohl, Wirsing und Filomakraut sind einige davon. Die Namen können variieren, da die Gärtnereien sich oft eigene Bezeichnungen für das Gemüse ausdenken. Außerdem handelt das Unternehmen mit exotischen Früchten wie Ananas, Papaya, Mango, Maracuja und Ananas. Einige der Früchte wachsen auf den eigenen Plantagen der Schumachers im westafrikanischen Ghana.

Angekommen auf dem Feld – Schumacher muss nur ein paar Knöpfe drücken, dann funktioniert das Düngerstreuen fast von selbst: Auf einem Monitor mit GPS wird ihm genau angezeigt, auf welchem Acker er sich gerade befindet und wo die Grenze zum benachbarten Acker verläuft. Er kann genau die Linie vorgeben, die der Traktor fahren soll, so erspart er sich das Lenken. Ein weiterer Knopfdruck, dann beginnt der Düngerstreuer, die Kali-Körnchen in großem Bogen auf das Feld zu schleudern. Schumacher muss nur selber Gas geben und darauf achten, wo er bereits gestreut hat – die holprige Fahrt beginnt. Wohlig warm ist es in dem Fahrzeug, denn der Traktor hat eine eingebaute Heizung und Klimaanlage. Sogar ein Kühlschrank ist inklusive. „Der Traktor ist sozusagen mein zweites Wohnzimmer“ witzelt Schumacher. Nach etwa einer Stunde ist sein Düngerstreuer leer – Schumacher muss zurück zur Halle fahren, um Nachschub zu holen.

Bauern protestieren gegen strenge Auflagen

Im Januar diesen Jahres nahm der junge Gärtner an einem der bundesweiten Bauernproteste auf dem Cannstatter Wasen teil. Dort protestierte er mit 4000 Bauern aus Baden-Württemberg vor allem gegen das viel diskutierte Volksbegehren Artenschutz – dessen Umsetzung hätte Schumacher und andere Filderbauern in existentielle Schwierigkeiten gebracht. „Einige Gebiete hier auf den Fildern stehen unter Naturschutz. Durch die strengen Auflagen des Volksbegehrens dürften wir ganze Landstriche nicht mehr bewirtschaften“, berichtet er. Ein ernsthaftes Problem für die Gemüsebauern, denn weniger Fläche bedeutet weniger Umsatz. Ein neuer Gesetzesentwurf aufgrund des Volksbegehrens sieht vor, in Zukunft deutlich weniger chemische Pestizide einzusetzen. Ebenfalls eine Last für die Gemüsebauern, denn Bio-Pflanzenschutz ist deutlich teurer als der Konventionelle. Die Umstellung auf Bio ist außerdem mit weiteren Investitionen verbunden, für die die Bauern selbst aufkommen müssen. Die strengen Umweltauflagen sind aber nur ein kleiner Teil der Probleme, mit denen in Landwirte aktuell zu kämpfen haben. Der Klimawandel, Pricedumping und ein niedriges Ansehen des Berufsstandes machen ihnen ebenfalls zu schaffen. Gerade mal drei Cent verdient ein Gemüsegärtner an einem Salatkopf. „Wenn ein Salatkopf unter 50 Cent verkauft wird, kann man definitiv von Pricedumping sprechen“, erklärt Schumacher. 

„Die Menschen sollten den Wert von Lebensmitteln wieder mehr schätzen und regional einkaufen“, fordert er.
Viele Leute würden zwar Bio-Produkte fordern, vor dem Regal im Supermarkt aber doch zur billigeren Ware greifen.

Es ist zehn Uhr vormittags, der letzte Acker ist gedüngt. Mittlerweile ist der Boden aufgetaut und der Dreck klebt an den großen Traktorreifen. Lukas Schumacher fährt zurück in Richtung Halle, wo er den Traktor und den Düngerstreuer mit dem Wasserschlauch abspritzt. Die Anwohner des Betriebs werden langsam wach und Schumacher geht in den wohlverdienten Feierabend. Schließlich möchte er das VfB-Spiel am Samstagnachmittag nicht verpassen.