Sugar Baby sucht Sugar Daddy – damit sie sich ihr Studium oder generell das Leben finanzieren kann. Der Sugar Daddy bezahlt und bekommt ein
bisschen Spaß. Ein alter Hut aber in den 2.0-Zeiten so unkompliziert wie
nie zuvor. Denn es gibt inzwischen Sugar Daddy Apps.
Interessante Entwicklung, die was genau über unsere Gesellschaft
aussagt?
Lydia Herms mit ihrem eigenen, polemischen Blick darauf.
Deutschlandfunk Kultur, Echtzeit, 12. Nov. 2016
Eins
vorweg: Ich war auch schonmal bei einer Kennenlernplattform im
Internet angemeldet.
Mein
Profil bestückte ich mit drei Fotos. Von mir. Eins
zeigte mich mit isländischem Wollpullover und rasiertem Schädel.
Eins
mit einer gar nicht mal so unkomplizierten Fratze. Und
auf
dem dritten Bild drapierte ich meine nackte Schulter vor einem
Küchenmöbel. Dazu schrieb ich, dass ich gern bei Minusgraden Urlaub
mache, viel lese und gern arbeite. Ich war mir sicher, dass weder
hirnlose Fickifickitypen, noch gönnerhafte Sugar Daddys auf mich
anspringen würden.
Ich irrte sowas von!
Ein „Geschäftsführer“ schrieb mir. Ich sei wohl eine süße Rebellin, die aber sicher auch nur irgendwo ankommen möchte. Vielleicht auf dem Bärenfell vor seinem Kamin? Okay, das Bärenfell hab' ich mir ausgedacht, aber von seinem Kamin hatte er erzählt, und dass er viel reise. Gern auch nach Island, da solle es ja ganz tolle Pools geben. Heiße. Er würde alles bezahlen, das Land sei recht teuer – nur ab und zu nett sein müsse ich. Gern auch böse.
Ich schrieb ihm, dass ich so verzweifelt nicht sei – und beendete die Korrespondenz.
Was, wenn ich verzweifelt gewesen wäre? Also, nicht im Sinne von „frau will kuscheln“, sondern im Sinne von „frau studiert teuer“, oder „frau findet keinen Job“? Ich hätte sein Angebot annehmen können. Ich bin eine moderne Frau. Mein Körper gehört mir, was ich mit ihm anstelle und wofür ich ihn hergebe, entscheide allein ich! Aber: ein Sugar Baby?
Andere
hätten anders reagiert. Andere haben kein Problem damit, sich
Probleme von anderen lösen zu lassen, mit einer Kreditkarte
beispielsweise. Derartige Arrangements sind längst kein Tabu mehr.
Nur: Heute muss Mann nicht mehr umständlich per Telefon eine Anzeige
für die Kontaktseite eines Veranstaltungsmagazins durchgeben, mit
tausend Abkürzungen, junggebl. rüst. wohlh. dom. Sugar Daddy s.
liebev., dev. Sugar Baby f. gem. Schmusen, Reisen u.v.m.. Heutzutage
macht man das per App. Tinder? Nein,
da geht es ja nur um Sex, das geht auch mit leerem Konto in einer
5er-WG.
Ich rede von: Sugar-Daddy-Apps.
Die sind oberste Liga. Die garantieren puren Luxus. Hmmm. Nicht!
Man lädt also eine der zahlreichen Apps herunter und registriert sich; kostenlos und ganz schnell, verspricht der Anbieter. „Ganz schnell“ ist relativ. Größe, Gewicht, Haarfarbe, Augenfarbe, Teintfarbe, Religion, Familienstand, Bewegungsradius, Herkunftsland, Einkommen, Beruf. Oh. Beruf?! Alles dabei, alphabetisch geordnet, nur der Beruf Student, der steht ganz oben, noch vor dem A.
Ich gebe an, eine verwitwete Vermieterin zu sein. Dann darf ich endlich die Sugar Daddys sehen, also, die in Berlin zwischen 40 und 50. Soulbody hat nur seinen Hals fotografiert. Totte67 kann kein Englisch.
Bereits im Jahr 2012 veröffentlichte die Feministin Laurie Penny im US-amerikanischen Onlinemagazin salon.com einen Artikel mit dem Titel „The Sugar Daddy recession“ – und kürt darin den neuesten Fetisch unserer modernen Zeit: die Verzweiflung. Da wo Geld, Hoffnung und Perspektive fehlen, wächst sie. Und dass sich mit Verzweiflung supergut Geschäfte machen lassen, ist uns allen nicht neu. Vor allem Studentinnen seien gefragte Babys.
Die
Frage ist natürlich: Wer will hier wen ausnutzen? Die
anspruchsvolle, reizende, selbstbewusste Frau den potenten,
freundlichen, gut verdienenden Mann – oder doch umgekehrt. Die
Frage lässt sich leicht beantworten, wenn man zwei andere stellt.
Wer stellt die Regeln auf? Und wer ist auf den Deal wirklich
angewiesen? Mein
Gott, wie gern würde ich mich jetzt mit so einem Feministenhasser
fetzen. Oder mit Alice Schwarzer, die ja bekanntermaßen ein Problem
mit Prostitution hat. Was hält sie von Sugar Babys?
Habe
ich gerade Prostitution gesagt?
Ups.
„Sugar Sugar Baby, ohoh, Sugar Sugar Baby, hmhm, sei doch lieb zu mir. Sugar Sugar Baby, ohoh, Sugar Sugar Baby, dann bleib' ich bei dir“ (Peter Kraus)
Natürlich gibt es auch Frauen, die das gern machen. Und Männer, die keine will. Geben und Nehmen, richtig? Was aber sagt das über unsere Gesellschaft aus? Über die Rolle der Frau darin? Hm. Wenigstens ist das alles nicht gottlos, es gibt Sugar Daddy Apps für Juden, und für Christen.