Früher galt Syrien als Geheimtipp für wissbegierige Abenteurer und wagemutige Hippies. Dies war gerade dabei, sich zu ändern: Mit seiner landschaftlichen Vielseitigkeit und dem reichen Kulturerbe stand das Land kurz vor einer touristischen Hochblüte. Das war Anfang 2011.
Doch dann begann der blutige Bürgerkrieg, der seither über 100.000 Opfer gefordert hat, Millionen zur Flucht zwang und große Teile des Landes verwüstet hat. Auch Syriens Altertümer sind in Gefahr - die Wüstenstadt Palmyra wurde beschossen, genauso wie die Kreuzfahrerburg Krak des Chevaliers und die Ruinen in Apameia.
Das Magazin "zenith" fragte Syrien-Liebhaber nach ihren schönsten Erinnerungen an das Reiseland.
"Je weiter man in den Südosten Syriens kommt, desto idyllischer wird die Landschaft. Überall gedeihen Weinreben, Öl- und Obstbäume auf hügeligen Plantagen, man fühlt sich an die Toskana erinnert. Schon in der Antike gehörte die vulkanische Region Hauran zu einem der fruchtbarsten Landstriche Syriens und wurde intensiv landwirtschaftlich genutzt. Vor ein paar Jahren fuhr ich mit einem syrischen Freund durch den Hauran. Wir kamen in das Drusendorf Miyamas, das auf rund 1800 Meter Höhe liegt. Für ein Buchprojekt wollte ich einen Drusen in seiner typischen Tracht fotografieren.
Als wir durch Miyamas fuhren, sah ich auf einer kleinen Terrasse vor einem stattlichen Haus einen alten Mann sitzen. Er strahlte Gelassenheit und eine tiefe Zufriedenheit aus. Ich war noch etwas entfernt und erhob meine Hand zum Gruß: "As-Salamu alaikum! - Friede sei mit dir!" Er grüßte zurück: "Wa alaikum as-salam! - Und Friede sei mit dir!" Diese Begrüßungsformel, die jeder Karl-May-Leser kennt, ist in Syrien, vor allem in den Städten, wenig verbreitet, doch auf dem Land hört man diese Worte gerne.
Ich rechnete damit, dass der Mann nicht fotografiert werden wollte. Stattdessen jedoch setzte er sich aufrecht hin, lehnte noch würdevoller auf seinen Gehstock, nahm den Kopf leicht nach oben und gab mir ein Zeichen. Ich lächelte ihn an und machte ein paar Aufnahmen. Als ich zu ihm ging, stand er schließlich auf. Mit weit ausholender Armbewegung lud er uns in sein Haus ein. Wie bei einer solchen Geste üblich, lehnten wir höflich ab. Erst als er sie mehrmals wiederholte, durften wir sicher sein, dass sie ernst gemeint war.
Der alte Druse führte uns in den Empfangsraum, das "Madaafe". Mit seiner Familie verbrachten wir viele schöne Stunden. Es war der Beginn einer neuen Freundschaft - und ein Ausdruck großzügiger Gastfreundschaft, wie man sie so oft in Syrien erfährt. Wie es der Familie heute geht, wissen wir leider nicht."
Lutz Jäkel ist Fotojournalist und Autor. Der Islamwissenschaftler hat in Hamburg, Sanaa und Damaskus studiert und später Studienreisen nach Syrien geleitet.
Diese teilweise gekürzten Texte sind Auszüge aus der aktuellen Ausgabe der "zenith", in der Sie weitere Syrien-Abschiedstexte finden. Hier geht es zur Vorschau auf das neue Heft.