Im Jahr 2009 leistete das Pierre-de-Coubertin-Sportgymnasium in Erfurt Pionierarbeit und bot als erste Sportschule Deutschlands Golf als Leistungssport an. Auf der Suche nach der Faszination fürs Grün und einem guten Abschlag - beim Nachwuchs, einem Trainer und einem gestandenen Spieler.
Autor: Lutz Granert
Es ist eine beeindruckende Zahl, die das Klischee von gesetzten alten und reichen Herren, die sich gemütlich mit dem Caddy übers Grün chauffieren lassen, schnell geraderückt. 643.000 registrierte Mitgliedschaften wies der Deutsche Golfverband (DGV) im Jahr 2016 auf. Golf gehört damit zu den beliebtesten Sportarten Deutschlands, auch wenn seine Etablierung in den neuen Bundesländern (Sachsen-Anhalt und Thüringen im Speziellen)nicht sehr weit verbreitet ist. Zu sehr haftet dem Sport noch eine elitäre Attitüde an, da Golf als Volkssport insbesondere von Briten und US-Amerikanern erst durch die deutsch-deutsche Wiedervereinigung auch im Osten Deutschlands bekannt wurde. Ein Grund mehr, weswegen Rolf Hempel, ehemaliger Vizepräsident des Golfverbands Sachsen-Thüringen e.V., in Zusammenarbeit mit dem Pierre-de-Coubertin-Gymnasium in Erfurt ein Pilotprojekt gestartet hat. 2009 war die Bildungseinrichtung die bundesweit erste Sportschule, die Golf als Leistungssportanbot - noch bevor es 2016 wieder olympisch wurde. Acht Plätze stehen seitdem jährlich für den sportlichen Nachwuchs bereit, die auch bei Schülern über die Landesgrenzen Thüringens hinaus sehr beliebt sind.
Über ein Studium in den USA zum ErfolgEinen der ersten acht Plätze besetzte damals Paul Obermann, der heute mit einem Handicap von +4,0 als einer der besten Golfer Deutschlands gilt. Der Gothaer kam erstmals 2003 im Alter von 10 Jahren über das „Abschlag Schule"-Projekt des DGV über eine AG mit dem Sport in Berührung. Er erinnert sich an diese Zeit noch sehr gut: „Zusammen mit Freunden sind wir regelmäßig zu den Trainings auf den Platz bei Mühlberg im Kreis Gotha gefahren und es hat einfach Spaß gemacht. Ich begann, regelmäßig zu trainieren und zwei Jahre später nahm ich an ersten Turnieren teil, bevor ich in den Jugendlandeskader und schließlich auch den Herrenkader des Golfverbands Sachsen-Thüringen e.V. aufgenommen wurde. In der elften Klasse wechselte ich dann ans Sportgymnasium in Erfurt." Mit dem Abitur in der Tasche stand nach dem Tipp eines Freundes 2013 ein weiterer Schritt an, der ihn in die USA verschlagen sollte: Er bewarb sich auf einen Studienplatz an der Southeastern Louisiana Universität in Hammond im Bundesstaat Louisiana - und wurde angenommen.
Paul Obermann meisterte die akademische, sportliche und spieltechnische Hürde für ein College-Stipendium - und studierte vormittags Internationale Betriebswirtschaft, Schwerpunkt Finanzwesen, während nachmittags und an freien Tagen Golf im College-Team oder bei Wettkämpfen auf dem Stundenplan standen. Im Mai 2017 schloss er sein Studium erfolgreich ab und kam wieder zurück nach Deutschland, wo er seitdem für den Golfclub Dresden Ullersdorf e.V. in der 2. Liga spielt. Der inzwischen 23-Jährige blickt beinahe etwas wehmütig auf die vergangenen vier Jahre zurück, die nicht nur erlebnis-, sondern auch lehrreich für ihn waren. „Sportlich haben wir dort in der 1. College-Liga gespielt, was vergleichbar ist mit jeder europäischen Meisterschaft, und waren unter den besten60 Teams. Ich habe mich in der Zeit akademisch, sportlich und persönlich weiterentwickelt - gerade auch durch den Austausch mit den vielen internationalen Studenten und die Erfahrungen im Spiel, die ich sammeln konnte. Auch die Golfplätze hatten dort ein anderes Level: anderes, sehr gepflegtes Gras, anspruchsvolle Schikanen. Dort habe ich auch erlebt, dass Golf eine andere Lobby hat als in Deutschland." Dabei bedauert er, dass im Golf wie in kaum einer anderen Sportart eine klare Trennlinie zwischen Amateur- und Profisport gezogen wird: Amateure dürfen kein Geld mit dem Sportverdienen - Profis hingegen spielen bei Turnieren um Preisgelder. Diesen Schritt, der auch einen Austritt aus dem DGV bedeuten würde, hat Paul Obermann noch nicht gewagt. „Ich habe im Sport vielerreicht und es wäre sicher möglich, Profi zu werden. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ausschließlich mit Golf meinen Lebensunterhalt verdienen will - oder es ein schönes Hobby bleiben soll." Und so will er nach dem kurzen Zwischenstopp in Dresden bald wiederzurückgehen nach Hammond und dort weiter studieren, um nach seinem Bachelor-Abschluss noch einen Master anzuschließen.
Üben für den perfekten SchlagGanz schön bodenständig also, gerade wenn sich einer der besten Amateurgolfer Deutschlands an jemanden erinnert, der ihn nicht nur unterstützt, sondern lange Zeit auf seinem Weg begleitet hat: Marcus Brembach. „Er war für mich nicht nur ein Trainer. Er ist mein Mentor", so Obermann. Der 45-Jährige ist seit 1999 geprüfter Golflehrer, besitzt in Mühlberg ein Ladengeschäft für Golfzubehör und betreut seit dem Beginn der Zusammenarbeit mit dem Pierre-de-Coubertin-Gymnasium in Erfurt die „Golf-Klasse". Er holt die Jugendlichen zum Training von der Schule ab und bringt sie auf den 18-Loch-Golfplatz nach Mühlberg. Auf dem 80 Hektar Fläche umfassenden Areal mit gepflegtem Grün unterrichtet er sie unter anderem in Sachen Schwung- und Schlagtechnik. Bevor es jedoch damit losgehen kann, steht für jeden Golfeinsteiger die Erlangung der Platzreife auf dem Plan. Bei dieser Einführung in die „Golf-Etikette" werden allgemeine Grundregeln zur Rücksicht auf andere Spieler und Schonung des Platzes gelehrt. Erst wenn die Platzreife nach einer Prüfung erlangt wurde, erhalten die neuen Spieler auch ihre Spielerlaubnis und ihr Handicap - und es kann losgehen. Langes Spiel, Annäherung ans Loch und putten (einlochen) sind die drei großen Bereiche, die das Training umfasst. Dabei sind die kleinen Bewegungen entscheidend: richtiges Schwingen, Ball treffen, kurze Schläge. Marcus Brembach, der entspannt und mit viel Geduld auch an freien Tagen hin und wieder ein paar Bälle vor dem Panorama der Drei Gleichen schlägt, ist die Faszination für den Sport bis heute erhalten geblieben: „Letztlich spielt man nicht gegen jemand anderes, sondern nur gegen sich selbst. Man trainiert die eigene Technik, um das Handicap zu verbessern und präziser zu schlagen". Entscheidend sei Kontinuität und immer wieder zu üben. Leider bemerkt der Golflehrer dabei auch, dass besonders im Golfverband Sachsen-Thüringen nur wenige junge Spieler den Sport für sich entdecken. Zwei bis drei Jahrgänge müssen bei den Jugendmeisterschaften mangels Teilnehmern oftmals zusammengelegt werden. Auf die Frage, wie Kinder und Jugendliche ihre Leidenschaft für den Sport entwickeln, hat er eine klare Antwort: „Paul Obermann ist eher die Ausnahme. Meist entdecken sie durchihre Eltern den Sport für sich. Der große Nachteil am Golf ist jedoch die Erreichbarkeit der Plätze, die sich aufgrund der benötigten Areale meist weit weg von größeren Städten befinden."
Nachwuchsspieler mit guter EntwicklungDas weiß auch Max Kaesebier nur allzu gut. Wenn sein Vater keine Zeit hat, ist der 13-Jährige mit Bussen gute anderthalb Stunden vom heimischen Bad Langensalza bis nach Mühlberg unterwegs - pro Strecke. Eine Odyssee, die sich jedoch jedes Mal für ihn lohnt: „Ich bin dann meist zwei Stunden auf dem Platz und übe Abschläge oder Annäherungen. Golf ist eine Einzelsportart, bei der man auch etwas nachdenken muss. Vorher habe ich Fußball gespielt, da ging es oft grob zu - auch durch pöbelnde Eltern unter den Zuschauern. Golf ist aber ein fairer Sport, bei dem auf höflichen und freundlichen Umgang großer Wert gelegt wird."
Seit drei Jahren steht Max regelmäßig auf dem Grün. Damals hat sein Vater nach einer Sportart gesucht, die er zusammen mit seiner Familie ausüben kann - und so kam er nach einigen Jahren unregelmäßigen Spielens wieder auf Golf. Inzwischen hat Max mit einem Handicap von -8 seinen Vater überholt und im September 2017 an den GVST Jugend Mannschaftmeisterschaften sowie an den Jugendeinzelmeisterschaften teilgenommen. Seit diesem Schuljahrgeht er auch auf das Sportgymnasium in Erfurt. Dort hat er viermal die Woche Golftraining, dreimal geht es auf den Golfplatz und einmal in der Woche steht Krafttraining auf dem Stundenplan. Doch das schreckt Max nicht ab: „Klar gibt es auch Runden, in denen man sich durchbeißen muss - gerade, wenn es mal nicht so gut läuft. Aber mir macht Golf Spaß und ich kann mir vorstellen, Profi zu werden. "
Von seinem Trainer Marcus Brembach gibt es hierbei Unterstützung: „Max hat sich gut entwickelt und gerade in den letzten Monaten einen großen Sprung nach vorn gemacht. Er nähert sich der regionalen Spitze, ist sehr motiviert, kann allein trainieren und ist sehr weit im Kopf. Er kann sehr gut werden. "
Auch Alexander Kaesebier, Max' Vater, freut sich über die großen sportlichen Fortschritte seines Sohnes - und schätzt auch einen weiteren Aspekt des Sports: „Unabhängig vom Alter hat man stets die Möglichkeit, seine Leistung zu vergleichen." Golf ist eben keine Freizeitbeschäftigung für ältere Herren, sondern eine wettbewerbsorientierte Sportart für alle.