Die Toskana-Therme ist eines der am stärksten frequentierten Freizeitbäder Thüringens. Das liegt vor allem an dem einzigartigen Konzept des „Liquid Sound".
Autor: Lutz Granert
Am Freitagabend haben sich knapp 30 Entspannungswillige in einem rundum gefliesten Raum im Obergeschoss der Toskana-Therme versammelt. Micky Remann, gekleidet in Hemd und Anzug, der seine zum Großteil in Frottee-Bademäntel gehüllten Gäste zuvor noch am Eingang freundlich willkommen geheißen hat, tritt vor und beginnt jovialend vom bevorstehenden Ereignis zu berichten. Seine Ausführungen um das Konzept der Veranstaltung „Klassik unter Wasser" sind pointiert, ein ums andere Mal beginnen seine Zuhörer zu schmunzeln, wenn er etwa erklärt, dass Einschlafen während der Veranstaltung kein Geschmacksurteil über die Qualität der Musik bedeute, sondern durchaus ein erwünschter Effekt der Entspannung sei. Etwa20 Minuten später ist sein Vortrag beendet. Die Badegäste werden in den „Liquid Sound Tempel" geleitet, um mit dem Rücken auf dem warmen Sole-Wasser zu „schweben", während unter Wasser klassische Musik in kristallklarem Sound ertönt. Es ist ein einzigartiger, kreisrunder Raum, in dem der eigene Körper zum Resonanzraum wird und den Micky Remann, Kulturdirektor der Toskana-Therme, Anfang der1990er Jahre entworfen hat. Ein weiterer Unterschied zur Semperoper oder Mailänder Scala: „Klassik unter Wasser"-Gäste werden von ausgebildeten „AquaWellness"-Bodyworkern begleitet, die bei verspannten Nacken der Badenden mit behutsamen Bewegungen zur Stelle sind.
Auch Marion Schneider gönnt sich hier ab und an Ruhepausen. „Ich brauche nur fünf bis zehn Minuten und bin schon entspannt. Sicherträgt dazu auch die besondere Heilkraft der Sole bei", ist sich die 60-jährige Unternehmerin aus Hessen sicher. Die Geschäftsführerinder Toskana-Thermen in Bad Sulza, Bad Orb und Bad Schandau blickt gern zurück auf ihre ersten Jahre in der Kurstadt an der Grenze zu Sachsen-Anhalt - und die Phase, in der „Liquid Sound" von einer Idee zur Wirklichkeit wurde. „1990 suchten mein Mann Klaus Dieter Böhm und ich in Vertretung der Tomesa Fachklinik Bad Salzschlirf einen Standort für eine Rehabilitationsklinik in der DDR, den wir übernehmen wollten", so Marion Schneider. In einem einstimmigen Stadtratsbeschluss wurden die beiden Geschäftsleute untervier Bewerbern gewählt, das damalige Bergarbeitersanatorium der IG Wismut und das Volkssolbad zu übernehmen und sie zu einem Klinik-Komplex zusammenzuführen. „Wir eröffneten 1993 das Klinikzentrum Bad Sulza und führten im selben Jahr noch ‚Liquid Sound'-Baden in Licht und Musik - ein. Die Patienten wie auch die Mitarbeiterinklusive des Ärzte- und Psychologenteams waren so begeistert, dass wir ‚Liquid Sound' dann in den Abendstunden der Öffentlichkeit anboten. Die Begeisterung hielt an und verbreitete sich. Das war die Grundlage unseres Plans, gemeinsam mit der Stadt Bad Sulza eine Therme zu bauen."
Am 23. November 1999 wurde die Toskana-Therme in Bad Sulza eröffnet und „Liquid Sound" kann seitdem auch die breite Öffentlichkeiterleben. Inzwischen ist diese ureigene Erfindung von Micky Remann international so bekannt, dass die Therme in Bad Sulza jährlich etwa 300.000 Gäste aus Thüringen, Deutschland, Europa und sogar den USA begrüßt und sich ohne weitere Zuschüsse vom Land selbstständig tragen kann. Das Erfolgsgeheimnis sieht Marion Schneider vor allem im ursprünglichen Konzept: „In der Zusammenarbeit mit der Stadt Bad Sulza haben wir damals bei der Antragstellung auf Fördermittel für die Toskana-Therme und das Conference-Center von vorneherein auf ‚Liquid Sound' beziehungsweise Wellness und Tourismus gesetzt. Dies unterschied uns von den anderen bereits bestehenden Thermenprojekten und ermöglichte uns ein Alleinstellungsmerkmal."
Kultur in feucht-warmer UmgebungAuch beim Blick auf die Gäste fällt etwas auf, was die Toskana-Therme in Bad Sulza von anderen Freizeitbädern oder Thermen unterscheidet: Das Publikum ist bunt gemischt. Kinder und Jugendliche, aber auch Endzwanziger oder Menschen in den 40ern finden den Weghinauf zum modernen Bau in der Rudolf-Gröschner-Straße. Das liegt vor allem an den regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen, die sich an verschiedene Altersgruppen richtet. Das jährlich Anfang Novemberstattfindende „Liquid Sound Festival" bildet hier den Höhepunkt und Besuchermagnet Nummer Eins: Am Freitag bis Mitternacht und Samstag die ganze Nacht hindurch bis zum Sonntagmorgen finden dann in den Toskana-Thermen Bad Sulza, Bad Orb und Bad Schandau Konzerte, Installation mit Videoprojektionen oder Performances statt. Jeden ersten Samstag im Monat legen im „Liquid Sound Club" DJs bis spät in die Nacht Ambient-Musik auf. In den späten Abendstundennach 22 Uhr sind dabei meist noch 200 Personen im Bad - eine Zeit, zu der Großeltern mit ihren Enkeln, die meist in den Vormittagsstunden die Toskana-Therme besuchen, längst wieder nach Hause gegangen sind und im Bett liegen. Die Toskana-Therme: Eine nicht alltägliche Event-Location.
Ein langjähriger Wegbegleiter des Kulturprogramms in der Toskana-Therme Bad Sulza ist der Filmemacher und Musiker Stefan Schmidt aus Weimar. Der 52-Jährige, der Anfang der 90er Jahre das Theaterhaus in Jena mit aufgebaut hat, erinnert sich noch genau an seinen ersten Auftritt vor sieben Jahren - in einer Veranstaltungsreihenamens „literarischer Aufguss", die sich an ein kulturaffines, künstlerisch anspruchsvolles Publikum richtet. „Wir waren damals die ersten, die in dieser Reihe in Schlafanzügen spielend, den ‚literarischen Aufguss' musikalisch in der Sauna begleitet haben. Darin herrschten zum Glück für die Instrumente nur Temperaturen von 40 oder 45 Grad Celsiusbei hoher, aber konstanter Luftfeuchtigkeit. Die Akustik war hier aufgrund der Steinwände phänomenal." Später folgten auch musikalische Auftritte beim „Vollmondkonzert" auf der Bühne über dem Schwimmbecken, inklusive „Live-Übertragung": „Dabei muss man sich auch etwas mit Frequenzen auskennen. Nicht alles, was oben gespielt wird, kommt auch unter Wasser an." Gesang, Filmmusik und schwebende Gitarrenklänge haben sich für ihn als atmosphärisch passend erwiesen, wobei sich Stefan Schmidt bei einer Veranstaltungsdauer der „Vollmondkonzerte" von 21 bis 1 Uhr, also vier Stunden, hin und wieder auch Verschnaufpausen gönnen muss. „Ich gehe dann auch ins Wasser, muss aber aufpassen, dass ich nicht zu lange drin bleibe und schrumpelige Finger bekomme. Aber ich spiele gerne hier, denn das Konzept ‚Liquid Sound' hat immer noch einen Zauber, der sich nicht abgegriffen hat - und bei welcher Konzertbühne hat man das schon, dass man zwischendurch schwimmen gehen kann?" Entspannung und Muse liegen manchmal nah beieinander.
Interview Micky Remann„Unterwasserkonzerte sind nicht verschreibungspflichtig"
Micky Remann, Kulturdirektor der Toskana-Therme Bad Sulza, verrät im Gespräch, wie er das einzigartige „Liquid Sound"-System entwickelt hat und warum der berühmte Schriftsteller Karl May und die (Weiter-)Entwicklung von Planetarien eng miteinander verbunden sind.
Die Idee des Liquid Sound hatten Sie schon seit den 80er Jahren, als Sie mit dem Musiker Jim Nollman unterwegs waren. Wo liegen die Ursprünge?Jim Nollman interessierte die musikalische Begegnung zwischen Mensch und Wal im offenen Meer, das hat mich fasziniert. Lang, lang ist's her: das war 1985. Und daraus entstand die Idee, nicht nur für Wale, sondern auch für Menschendurch Unterwasserlautsprecher Klänge erfahrbar zu machen. 1986 habe ich in Frankfurt am Main das erste Unterwasserkonzert veranstaltet und das sprach sich herum zudem Unternehmerehepaar Böhm/Schneider, die gerade dabei waren, Bad Sulza neu aufzubauen mit einer Reha-Klinik. Sie dachten, „Liquid Sound" könnte helfen, Bad Sulza bekannt zu machen und den Gästen mehr zu bieten als nur Durchschnitt. „Liquid Sound" hat da gut gepasst: Für alle, die eintauchen, ist Musik unter Wasser etwas sehr Spezielles, etwas sehr Angenehmes, etwas sehr Inspirierendes.
Inwieweit spielte die Architektur für „Liquid Sound" eine bedeutende Rolle?Wir wollen den Gästen nicht nur ein hydroakustisches Phänomen präsentieren, sondern dafür sorgen, dass sie sich in diesem audiovisuellen Erlebnisraum rundum wohlfühlen. Ein runder Raumspricht die Leute mehr an und eine flache Decke ist kontraproduktiv für das „Liquid Sound"-Erlebnis. Deswegen sind die „Liquid Sound"-Räume extrem hoch gebaut: Ein Kuppelbau, der oben mit einem Mosaik ausgestattet ist. Dort kann man das Baden in Licht und Musik am überzeugendsten inszenieren und genießen.
Hat „Liquid Sound" abgesehen vom Wellnessfaktor auch eine therapeutische Wirkung?Schallwellen im Wasser breiten sich fünfmal schneller aus als in der Luft und wirken auf den menschlichen Körperanders als Schallwellen in der Luft. Das sind physikalische Tatsachen. Wir halten uns mit Aussagen über die medizinische Wirksamkeit zurück - wir empfehlen aber sehr, persönliche Erfahrungen zu sammeln. Viele Gäste sagen uns, dass sie sich nach so einem Klangbad beschwingter und entspannter fühlen. Wir veranstalten ja auch regelmäßig Unterwasserkonzerte- und Konzerte sind nicht verschreibungspflichtig. Als Medienkünstler scheint mir hier der Begriff „Heilkunst" sehr bedeutsam zu sein. Denn er sagt aus, dass Heilung eine künstlerische Dimension hat. Für Ärzte ist das aus medizinischer Sicht ein unklarer Begriff - was mich als Kulturdirektor aus poetischer Sicht aber nichtstört. Es kann es sein, dass Menschen nach einem „LiquidSound"-Konzert einen Effekt verspüren, den sie mit einer Pille nicht erwartet hätten.
Sie sind nicht nur Kulturdirektor der Toskana-Therme in Bad Sulza, sondern haben auch eine Honorarprofessur für Immersive Medien an der Bauhaus-Universität Weimar inne und sind Organisator des „FullDome"-Festivals im Planetarium Jena. Wie bringen Sie das unter einen Hut?Ich bin dauerentspannt (schmunzelt). Je älter man wird, desto effektiver arbeitet man. Aber ich habe die Schnittstellen so gut es geht organisiert und integriert. So haben wir etwa im Sauna-Bereich in der Toskana-Therme einen kleinen Dome mit 360-Grad-Projektion installiert, in dem ich die Zukunft von „LiquidSound" sehe: Mit den Ohren im Wasser hört man Musik, während man über sich ein Planetarium mit Fulldome-Shows genießen kann. Das sind also nicht verschiedene Jobs, sondern das ist ein Entwurf mit verschiedenen Schattierungen.
Sie haben es schon indirekt angesprochen: Ihnen geht es -gerade bei ihrer Lehrtätigkeit - um die Weiterentwicklung des medialen Erzählens mittels einer audiovisuellen „Rundumerfahrung". Gibt es in dieser Richtung noch ein weiteres Projekt von Ihnen?Die Freude am Erzählen steht bei all meinen Projekten immer am Anfang. „Liquid Sound" ist eine Innovation, die in Bad Sulza erstmals verwirklicht wurde, aber die Entstehung ist eng verknüpft mit literarischen Inspirationen und musischen Erfahrungen. Das Geschichtenerzählen und die technische Manifestation gehen im Idealfall Hand in Hand. So war es auch beim Thema „FullDome" und so funktioniert generell Medienkunst und Mediengestaltung. Unser letztes Fulldome-Projekt nannte sich „Winnetou 360". Hier haben wir zusammenmit den Studierenden aus Weimar Geschichten von Karl May visualisiert und in die Kuppel vom Zeiss-Planetarium Jena gebracht.
Worum handelt es sich bei „Winnetou 360" genau?Es ist ein für das Medium Fulldome konzipiertes Theaterstück, zu dem ich einen Text geschrieben habe, der die studentischen Fulldome-Filme verbindet. Auf der Bühne ist erst nur ein einzelner Mensch zu sehen: der Erzähler. Er berichtet von einem fiktiven Dialog zwischen Karl May und seinem Helden Winnetou und dann öffnet sich die Geschichte in den Raum hineinmit den 360-Grad-Fulldome-Episoden. Dazu gab es noch zwei Schattentänzer und einen achtköpfigen Männerchor, der Karl May-Kompositionen vorgetragen hat. Fulldome-Theater ist ein neues Genre mit aufregenden Möglichkeiten. Wir wünschen, dass die Impulse, die vom Jenaer „FullDome"-Festival ausgehen, die vielen Planetarien in der Welt anregen, innovative Konzepte zu entwickeln - und das geschieht auch, zum Beispiel mit Konzerten und Hörspielen. So wie „Liquid Sound" ein Innovationsschub für die Bäderwelt ist, so ist Fulldome ein Innovationsschub für die Planetarien. Meine rumpelstilzchenhafte Freude liegt darin, dass ich michunmittelbar an der Schnittstelle von beiden befinde, ohne michzerreißen zu müssen.