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Flughafenprojekt nach Plan

Die Dimensionen des neuen Flugsteigs A-Plus am Frankfurt Airport sind beeindruckend: Sechs Millionen Passagiere sollen jährlich durch das hochmoderne Gebäude geschleust werden, auf mehreren Ebenen und durch zahlreiche Shoppingareas. Ein Beweis, dass Flughafen-Großprojekte (fast) planmäßig fertiggestellt werden können.

„Warten wir noch kurz, der A380 ‚Beijing‘ wird gleich rausgerollt“, ruft Erik Jost unserer Besuchergruppe zu. Von dem Boarding-Wartebereich aus, haben Reisende in der Tat einen guten Ausblick auf das Flugvorfeld. Allerdings ist von braungebrannten Touristen mit kurzen Hosen und Sonnenbrillen keine Spur zu sehen. Der langgezogene Flugsteig A-Plus ist nahezu menschenleer – und das nachmittags gegen 14 Uhr? „Jetzt ist gerade ein schlechter Zeitpunkt“, verteidigt Jost den ihm anvertrauten Geschäftsbereich. „In wenigen Stunden wird es hier noch einmal richtig voll, wenn die Langstreckenflieger aus Asien und Amerika kommen.“ Sechs Millionen Menschen können jährlich durch das neue Gebäude geschleust werden. Zum Vergleich: Der sich noch im Bau befindliche Flughafen Berlin Brandenburg wird eine Kapazität von 27 Millionen Passagieren haben.

An ruhigen Tagesabschnitten wirkt das 800 Meter lange und vier Stockwerke hohe Bauwerk gewaltig überdimensioniert. „Das ist richtig“, bestätigt Jost den Eindruck, „aber wir haben das für die Stoßzeiten so groß geplant“. Durch die Zeitverschiebung und das in Frankfurt herrschende Nachtflugverbot kommen Umsteiger, Ankommende und Abfliegende häufig gleichzeitig zusammen. Aufgrund der weiten Strecken wurden für die müden Passagierbeine über 1.000 Kilometer Fahrsteige installiert, vergleichbar mit horizontalen Rolltreppen.

Ein gewitztes System aus etwa zweitausend automatisch geregelten Türen trennt zu den Stoßzeiten das Wirrwarr aus ankommenden und abfliegenden Passagieren. „Dahinter beginnt das Ausland“, erklärt Jost und zeigt auf eine unscheinbare Glastür. Insgesamt 56 verschiedene Kombinationen sind möglich, um die Menschenströme zu lenken. Besonders komplex wird das Ganze, da der Flugsteig unterteilt ist in Schengen-Bereich, für Passagiere ohne Passkontrolle, und einen Non-Schengen-Bereich. Diese liegen zwar auf unterschiedlichen Ebenen, aber immerhin 45 Prozent der Passagiere sind nur zum Umsteigen in Frankfurt und müssen manchmal die Bereiche wechseln.

Fluglinien sind bei der Finanzierung unwesentlich

Doch gelten diese Umsteiger aus Betreibersicht als die attraktivsten Passagiere. „Durchschnittlich gibt jeder Besucher vier bis fünf Euro im Shopping- und Gastrobereich aus“, klärt Jost auf. Daher gleichen Teile des Flugsteigs einer riesigen Shoppingmall. Über 12.000 Quadratmeter erstrecken sich die insgesamt über 60 Geschäfte und gastronomischen Einrichtungen. Laut Presseinformation folgt der Aufbau einer „Walk-Through-Konzeption“, was bedeutet, dass „alle Passagiere durch diese Flächen geführt werden“.

Anders hätte sich die über 700 Millionen Euro teure Investition für A-Plus wohl auch niemals refinanzieren können. An den Kosten beteiligte sich nämlich nicht die Lufthansa, für deren gestiegenen Platzbedarf durch die neuen A380-Großraumflugzeuge das Terminal 1 exklusiv erweitert wurde. Entgegen der naheliegenden Annahme, dass die Fluggesellschaften hohe Gebühren zahlen, erwirtschaftet der Flughafen das meiste Geld durch die Vermietung von Verkaufs- und Gastronomieflächen sowie einer Umsatzbeteiligung.

560 Millionen Euro kostete allein das Gebäude. Das restliche Geld verwendete die Fraport AG, Betreiber des Flughafens, für den Aufbau der dazugehörigen Infrastruktur. Dazu zählt das geräumige Vorfeld, auf dem bis zu vier A380 mit jeweils knapp 80 Metern Spannweite gleichzeitig Platz finden. Sind diese anderswo in der Welt unterwegs, können bis zu elf Kurzstreckenflugzeuge andocken.

Das Gegenteil vom Pannenbau in Berlin

Die Planung für das Großprojekt A-Plus dauerte über zwei Jahre. Insgesamt waren etwa 100 Mitarbeiter allein für die Vorbereitung eingespannt. Erst 2008 begannen die eigentlichen Bauarbeiten, denen unter anderem die Sprengung einer im Weg stehenden Wartungshalle vorausging. „Eine große Herausforderung war die Integration der Baumaßnahmen in den laufenden Betrieb“, meint der zuständige Architekt Holger Hofmann. Bemerkenswert, dass bei einem Vorhaben dieser Dimension das Budget nicht überschritten wurde. Nur einmal musste das Eröffnungsdatum um ein halbes Jahr nach hinten verschoben werden. „Und das auch nur wegen des extrem kalten Winters 2010/2011“, verteidigt sich Hofmann. Am 10. Oktober 2012 ging der Flugsteig ohne größere Probleme in Betrieb.

Das ist bei Projekten dieser Größe nicht selbstverständlich. Die Eröffnung des Pannenflughafens Berlin Brandenburg ist auch nach der vierten Terminverschiebung noch nicht sicher. Warum der Berliner Neubau im Vergleich zum Frankfurter Erweiterungsbau solche Probleme bereitet, will Hofmann nicht näher ausführen. Die Verzögerungen in Berlin kann er jedoch nachvollziehen: „Das Bauen ist immer dasselbe, es erfordert jedoch eine sehr komplexe Planung.“ Diese ist in Frankfurt offenbar gelungen. Letzte Details wurden bei aufwändigen Tests mithilfe von zweitausend Statisten aufgespürt und beseitigt. Doch auch heute ist die Decke noch an manchen Stellen unverkleidet und hinter provisorischen Wänden verbergen sich die abschließenden Bauarbeiten. „Noch neun Monate, dann sind auch diese Baustellen weg“, erzählt der Architekt. Als den schönsten Platz bezeichnet der für den Betrieb des neuen Flugsteigs verantwortliche Jost die Glasfassade, mit ausladendem Blick auf das Flugvorfeld.

Auf diesem tut sich auch allmählich etwas, trotz mittäglicher Betriebsleere. Gemächlich – und in dem versiegeltem Gebäude unhörbar leise – wird der A380 namens Peking („Beijing“) aus seiner Parkposition geschoben. Es schleicht sich ein Gefühl ein, das wohl jeder kennt. Es ist das Fernwehgefühl, am Flughafen zu stehen und zu wissen, dass es gleich wieder zurück in den Alltag geht und nicht in den ersehnten Urlaub. „Eigentlich witzig, dass die ‚Beijing‘ nun nach Tokyo fliegt“, sinniert Jost einen Moment, bevor es für uns Besucher wieder Richtung Ausgang geht, der Alltäglichkeit entgegen.