Als Heinz-Christian Strache und Uwe Scheuch sich versöhnten, blieb Harald Jannach auf der Strecke. Der FPÖ-Politiker über Treue, Verrat und Vergebung im Dritten Lager.
(erschienen am 1.12.2019)
Die Zeit, in der Harald Jannach sich in der großen Politik versuchte, hat Spuren hinterlassen. Auf einer Anhöhe in Frauenstein führt er durch seinen Bauernhof. Saftige Wiesen, ringsum Buchen, Fichten und Lärchen, ein Hühnerstall. "Die Wände vom Stall hab' ich mit alten FPÖ-Plakaten verstärkt", sagt Jannach und lacht. "Gutes Holz." Auch für eine riesengroße Plane vom Parteitag der Kärntner FPÖ 2009 hat er Verwendung gefunden: Der Landwirt hat sie mittendurch geschnitten und deckt damit Holzscheite ab.
Tiefere Veränderungen als auf seinem Hof haben die Ereignisse beim 47-Jährigen selbst hinterlassen. Jannach, schütteres Haar, wasserblaue Augen, saß bis 2017 neun Jahre als FPÖ-Landwirtschaftssprecher im Parlament. Heute ist er blauer Bürgermeister der Unterkärntner Gemeinde Frauenstein.
Jene Tage, die Harald Jannachs Blick auf die FPÖ verändern sollten, liegen schon zehn Jahre zurück. Im Jahr 2009 glaubt er sich auf einer wichtigen Mission. Auf Wunsch von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache fährt er unermüdlich durch Kärnten, um gegen die Haider-Erben vom BZÖ eine Kärtner FPÖ aufzubauen. Blau statt Orange: Jannach soll Freiheitliche finden, die sich zu Strache bekennen.
Doch Strache schmiedet insgeheim andere Pläne. Sein Verbündeter heißt nicht Jannach, sondern Uwe Scheuch, der damalige Kärntner BZÖ-Chef. Jannach erinnert sich, dass er sich von Heinz-Christian Strache und Herbert Kickl am Ende verraten fühlte.
16. Dezember 2009, Strache und Scheuch rauschen gemeinsam in den Sitzungssaal des FPÖ-Parlamentsklubs, sie wirken aufgewühlt. Scheuch hat sich zuvor in Klagenfurt extra einen Learjet gechartert, um den ahnungslosen BZÖ-Chef Josef Bucher in Wien überrumpeln zu können. Im Blitzlicht der Fotografen verkünden die zwei Machtpolitiker Strache und Scheuch die Heimkehr des Kärntner BZÖ ins freiheitliche Lager. Die Kärntner Orangen werden Blaue.
Was an diesem Tag geschah, nennt Jannach noch heute "Verrat". Denn im Dienste der Bundes-FPÖ spulte er 2009 rund 50.000 Kilometer mit seinem Alfa Romeo ab, um die letzten Blauen in Kärnten aufzustöbern. Erst eine Stunde vor der Pressekonferenz klärten Strache und sein damaliger Generalsekretär Kickl ihren Klubkollegen über die neuen Verhältnisse auf. "Ich bin der FPÖ loyal geblieben in der schwierigsten Zeit, und der Strache hat mich ins Messer laufen lassen. Das habe ich ihm lange übelgenommen", sagt Jannach heute.
Enttäuschungen
Als Freiheitlicher hat sich Jannach immer schon gefühlt, bereits als Jugendlicher klebte er blaue Schmetterlinge auf seine Schultasche. In der kleinen Gemeinde Frauenstein ist Jannach sein halbes Leben politisch tätig, 2015 wird er Bürgermeister. Ein Parteiwechsel ist für ihn nie in Frage gekommen, und dennoch hört man im Gespräch heraus, wie viel die Bundes-FPÖ ihm in den vergangenen 20 Jahren zugemutet hat.
Haiders Aufstieg, seine Rückzüge und Comebacks, der außerordentliche Parteitag in Knittelfeld, wo Haiders Vasallen das halbe blaue Regierungsteam wegputschten, und 2005 schließlich die Gründung des Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ). "Da hat's der Haider übertrieben, da hab' ich nicht mehr mitkönnen", sagt Jannach.
Nach verhältnismäßig friedlichen Jahren unter Strache rumpelt es seit der Ibiza-Enthüllung wieder in der FPÖ. Blaue Affären wie jene um den Casinos-Austria-Vorstand nimmt Jannach inzwischen fast achselzuckend zur Kenntnis. "Gewisse Dinge", ist er überzeugt, "laufen in jeder Partei, das ist leider eine Unart in Österreich. Aber die Freiheitlichen haben einen anderen Anspruch. Das ist das Enttäuschende für mich."
Geheimtreffen
Am schwersten wiegt für ihn immer noch, was die FPÖ-Spitze ihm einst selbst abverlangte. Alles beginnt im Sommer 2009. Jörg Haider ist bald ein Jahr lang tot, und Uwe Scheuch fängt an, sich Sorgen zu machen: Hat das BZÖ noch eine Zukunft? In diesem Sommer kommen Strache und Scheuch beim Beachvolleyballturnier in Klagenfurt ins Gespräch. Der Kärntner BZÖ-Chef versucht auszuloten, welche Pläne Strache für Kärnten hat.
Im Herbst 2009 verabreden sich Strache und Kickl (beide FPÖ) mit Uwe Scheuch und Landesrat Harald Dobernig (beide BZÖ Kärnten) zu mehreren Geheimtreffen in Wien. Zur gleichen Zeit fährt der gutgläubige Jannach durch Kärnten, um blaue Strukturen aufzubauen. Zuvor hat der Milchbauer seine 20 Kühe verkauft und seine Weiden verpachtet, um sich ganz der Arbeit im Parlament und dem Aufbau der FPÖ Kärnten zu widmen.
"Du Verräter!"
Wenig später aber ist die Wiedervereinigung des Dritten Lagers unter blauem Dach fix. Als Strache und Scheuch am 16. Dezember triumphierend ihre Pressekonferenz geben, fühlen sich nicht nur die BZÖ-Politiker außerhalb Kärntens, Leute wie Stefan Petzner und Gerald Grosz, verraten. Sondern auch Jannach. Für ihn kommt es doppelt bitter. "Mich haben Leute aus der FPÖ Kärnten angerufen und gesagt: 'Du warst ja immer in Wien, du Verräter! Du hast es gewusst.'" Nur mühsam kann Jannach seine Verbündeten von seiner Unwissenheit überzeugen.
Scheuch verstrickt sich damals in die sogenannte Part-of-the-game-Affäre. Jannach wundert es nicht, dass Scheuch bald ins Straucheln geriet: "Ich habe ihn aus der Landwirtschaftskammer gekannt, für mich waren die Scheuch-Brüder Herrenbauern der übelsten Sorte." Diese hätten sich schon zu Haiders Lebzeiten zu viele Feinde gemacht.
Obwohl Strache ihn damals hinterging, findet Jannach den Umgang der FPÖ-Spitze mit ihrem gefallenen Obmann seit dem Ibiza-Video ungerecht. Viele, die nur der Strahlkraft Straches ihren Job verdanken, würden nun nachtreten. "Einen Parteiausschluss fände ich schade", sagt er. Und auch über die unfreiwillig wilde Abgeordnete Philippa Strache meint Jannach bedauernd: "Damit wird man im Parlament nicht glücklich. Mir tut sie leid."
Warum Strache und Kickl mit ihm nicht früher über die geplante blau-orangefarbene Parteienfusion sprachen, obschon man 2009 gemeinsam im FPÖ-Klub saß, versteht Jannach bis heute nicht. Er sagt, die Kärtner FPÖ hätte sich der Bundespartei gebeugt: "Der Vertrauensbruch uns gegenüber war unberechtigt, wir von der Kärtner FPÖ sind biedere Leute. Das ist wahrscheinlich unser Problem, wir sind zu wenig schillernd." Während Strache damals in wechselnden Outfits durch Diskos und VIP-Zelte zog, sagt Jannach: "Ich bin sparsam, ich habe in neun Jahren draußen im Parlament in Wien nur drei Anzüge gebraucht."
Rücktritt
Anfang 2010 treiben Strache und Kickl die Fusion der FPÖ mit Scheuchs FPK auch noch formal voran, nur Jannach sträubt sich. Am 21. Juni 2010 sitzen Strache und Kickl mit ihm am Flughafen Klagenfurt und sagen, er solle nun endlich den FPÖ/FPK-Kooperationsvertrag unterschreiben. Jannach weigert sich und tritt als Kärntner FPÖ-Chef zurück.
Harald Jannach schließt damals ab mit der großen Politik, nur das Nationalratsmandat behält er. Während Strache im Sommer 2011 seinen Urlaub wie jedes Jahr auf Ibiza verbringt, geht Jannach den Jakobsweg. "Aber erleuchtet bin ich nicht zurückgekommen", sagt er.
2013 schafft Jannach es mit viel Glück noch einmal als Hinterbänkler in den Nationalrat. Wenn Strache ihn im Klub gesehen hat, sagt er, "habe ich das Gefühl gehabt, es hat ihn noch das Gewissen geplagt".
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