Um den Kampf gegen das Corona-Virus zu gewinnen, muss Afrika beim Impfen stärker berücksichtigt werden, sagt der Gesundheitsaktivist Dan Owalla im Interview.
Das Gespräch führte Lucia Weiß. Übersetzung aus dem Englischen von Lucia Weiß.
ZDFheute: Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass bis Ende 2021 30 Prozent der Menschen in Afrika gegen Covid-19 immunisiert sein werden. Stimmt Sie das optimistisch?
Dan Owalla: Das Problem ist, dass uns nicht gesagt wird, wie viele Impfstoffe wann genau mit der Covax-Initiative ankommen werden. Worte sind das eine, Taten sind das andere. 30 Prozent bedeutet, dass 70 Prozent der Menschen nicht geimpft sein werden. Die Impfrate muss deutlich erhöht werden, damit es eine echte Wirkung gibt.
Dan Owalla ...
... ist Gesundheitsaktivist und arbeitet seit elf Jahren für die Nicht-Regierungsorganisation People's Health Movement (PHM). Seit 2019 ist Owalla der Kenia-Koordinator des PHM. Er hat eine Ausbildung als Rechtsanwaltsfachangestellter. Das PHM setzt sich nach eigenen Angaben dafür ein, weltweit Institutionen und Aktivist*Innen im Gesundheitssektor zu vernetzen und ist in mehr als 70 Ländern vertreten.
Bildquelle: Dan Owalla
ZDFheute: Die Länder etwa in Europa schauen bei der Impfung zuerst auf sich selbst, die meisten Impfungen entfallen bisher auf reiche Länder. Ist dieser Nationalismus beim Impfen gerechtfertigt?
Owalla: Der Impfnationalismus untergräbt das Verständnis von Gesundheit als einem globalen Gut, für alle. Es sind die großen Pharmafirmen, von denen alles abhängt. Sie entscheiden, wie viel Impfstoff produziert wird. Die Welt muss außerdem einsehen, dass Patente Menschenleben kosten. Wir haben das bei der HIV-Medikation gesehen, wo afrikanische Länder später Zugriff bekommen haben. So etwas sollte sich nicht wiederholen. Wenn man Patente aussetzt, dann könnte mehr Impfstoff produziert werden, weil das Wissen geteilt würde.
ZDFheute: Aber auch die meisten afrikanischen Länder haben bilateral Verträge für Impfstoff geschlossen, etwa mit Russland und China.
4,5 Millionen Menschen leben in Liberia, im Juni erwarten sie 900.000 Dosen. Mehr können sie sich nicht leisten.
Ich denke, so wie es jetzt aussieht, wird es eine Art von neoliberaler Abwicklung geben: Es wird vielleicht den Aufbau von Infrastruktur geben, aber es wird nichts nachhaltig hier vor Ort in Afrika entwickelt. So werden weitere Abhängigkeiten geschaffen. Die Covax-Initiative müsste begleitend lokal medizinisches Personal ausbilden.
Owalla: Es gab einen Lockdown. 80 Prozent der Leute hier arbeiten im informellen Sektor. Der Lockdown bedeutet für diese Leute, hungrig zu bleiben. Auch die Abstandsregeln waren nicht einzuhalten, wenn sich bis zu fünf Menschen ein Zimmer teilen.
Dann hieß es, wir sollen Masken tragen, aber wir bekamen keine. Dann haben sie die Polizei auf die Leute losgelassen. Das hat dazu geführt, dass die Leute Masken getragen haben - als Schutz vor der Gewalt der Polizei. Die Leute haben sich eine Maske geteilt. In Nairobi gibt es unter den jungen Leuten mehr Drogenmissbrauch, außerdem gibt es mehr häusliche Gewalt. Und keine Pläne der Regierung, diese Probleme anzupacken.
Woher kommt der Impfstoff und wie wird er finanziert?
600 Millionen Impfdosen sollen über die internationale Initiative Covax kommen. Weltweit haben sich 192 Staaten zusammengeschlossen, um gemeinsam zwei Milliarden Dosen Impfstoffe von fünf Herstellern einzukaufen und dann fair zu verteilen. Über Covax sollen auch 92 Entwicklungsländer kostenlos Corona-Impfstoffe bekommen, die durch Entwicklungshilfe bezahlt werden. Die anderen Länder können als Selbstzahler auf das Kontingent zugreifen. Covax braucht nach eigenen Angaben aktuell weitere fünf Milliarden US-Dollar, um weitere Impfstoffe zu kaufen. Anfang Februar hat China angekündigt, zusätzlich zehn Millionen Impfdosen für die globale Verteilungsplattform Covax liefern zu wollen. Die WHO prüft noch noch die Genehmigung des chinesischen Impfstoffes für den Noteinsatz. 670 Millionen Imfpdosen sollen über AVATT (African Vaccine Acquisition Task Team) kommen, eine Initiative der afrikanischen Staatengemeinschaft Afrikanische Union (AU). Dazu kommen bilaterale Verträge einzelner Staaten - etwa mit Russland, China, der EU oder Indien. Quelle: BBC
Covax will noch vor Ende Februar mit den ersten Lieferungen beginnen. Laut der aktuellen Schätzung sollen im ersten und zweiten Quartal 337 Millionen Impfdosen bereitgestellt werden - für 145 Länder, die Interesse angemeldet haben. Die Impfungen sollen rund 3,3 Prozent der dortigen Bevölkerung schützen. Von den 54 Staaten Afrikas sollen 46 Impfstoffe bis zur Jahresmitte erhalten: Die meisten entfallen nach der bisherigen Planung auf Nigeria (16 Milliarden), Äthiopien (neun Milliarden), Demokratische Republik Kongo (sieben Milliarden), Ägypten (fünf Milliarden) sowie Kenia (vier Milliarden). Quelle: The Africa Report
Auf dem afrikanischen Kontinent haben nur wenige Staaten mit Corona-Impfungen begonnen: etwa Marokko, Algerien, die Seychellen und in verschwindend geringem Umfang Guinea. In Südafrika, das am stärksten betroffene Land des Kontinents in dem sich auch eine gefährliche Variante des Corona-Virus entwickelt hat, sind Anfang Februar Corona-Impfdosen eingetroffen. Die Todesrate im Zusammenhang mit Corona-Infektionen liegt in Afrika nach Angaben panafrikanischen Gesundheitsbehörde CDC bei 2,6 Prozent und damit deutlich über dem globalen Durchschnittswert von 2,2 Prozent. Tansanias zunehmend autokratisch herrschender Präsident John Magufuli lehnt Corona-Impfungen bisher ab; seit Mai letzten Jahres wurden keine Zahlen mehr zum Verlauf der Corona-Pandemie veröffentlicht. Quelle: WHO
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