Senegalesen im Ausland schicken viel Geld an ihre Familien zuhause. Viele fördern auch die Wirtschaft im Kleinen. Wie Oumar Sarr, der US-Studenten in Gastfamilien vermittelt.
Es gibt ein Wort, das Senegalesen für einen zentralen Wert ihrer Kultur halten: Teranga. Es bedeutet Gastfreundschaft in Wolof, einer der Landessprachen. Teranga bedeutet: einen Reisenden spontan zum Essen nach Hause einladen, bei Bedarf einen Schlafplatz bereitstellen und auf neugierige Fragen stets höflich und gelassen antworten. Selbst in der Hauptstadt Dakar, die mit mehr als einer Million Einwohnern eine quirlige, internationale Metropole geworden ist, gilt noch immer: Wer sich frischmachen will, kann an einer beliebigen Tür klopfen und wird freundlich hereingebeten, bekommt oft auch einen gekühlten Bissap-Saft gereicht.
Teranga sei ein wichtiger Aspekt des Senegals, den er ausländischen Studenten zeigen wolle, sagt Oumar Sarr aus New York. Der promovierte Erziehungswissenschaftler wuchs in Dakar auf und lebt seit 16 Jahren in den USA. Er bringt US-Studenten in senegalesischen Gastfamilien unter, damit sie während ihres Austauschs möglichst nah am Alltag sind. Sarr hat 2014 mit Kollegen das Dakar-Institut für Afrika-Studien (DIAS) gegründet. Es bietet jedes Jahr ein Sommerprogramm für Studenten aus den USA und dem Senegal an.
Investieren in die Familien vor Ort
Die Gastfamilien erhalten laut Sarr umgerechnet etwa 300 Euro für einen Monat Unterkunft und Vollpension der Studenten. Der Durchschnittslohn lag im Senegal im zweiten Quartal 2018 bei rund 180 Euro. "Wir wollen in die Familien vor Ort investieren", sagt der 42-Jährige. Er und seine Kollegen könnten es sich erlauben, ohne Gehalt am DIAS zu unterrichten, weil sie alle einen festen Job an US-Universitäten hätten. Sie verbringen ihren Sommerurlaub im Senegal. Sarr engagiert sich mit dem Studienprojekt in seiner alten Heimat. Für die senegalesischen Studenten ist die Teilnahme an den rund fünfwöchigen Seminaren kostenlos. Sie sollen die Möglichkeit haben, in Kontakt mit internationalen Studierenden zu kommen und englischsprachige Kurse zu belegen. Auf dem Lehrplan im Sommer 2018 stand etwa "Die Geschichte des Islams in Afrika".
Migration: Brain-Drain und Ressource zugleich
Wie Sarr gibt es viele Exil-Senegalesen, die ihr Heimatland in der ein oder anderen Weise unterstützen. "Migration ist eine wichtige Ressource für den Senegal", sagt Papa Demba Fall. Er forscht seit mehr als 30 Jahren zu Migration und arbeitet an einem interdisziplinären Institut der Universität Dakar.
Die privaten Geldtransfers - also Überweisungen von Auswanderern an ihre Familien im Senegal - sind erheblich: Rund 2,2 Milliarden US-Dollar flossen nach Angaben der Weltbank 2017 in das westafrikanische Land zurück und beförderten den Senegal auf den zweiten Platz der Top-Empfängerländer, nach Nigeria mit 22 Milliarden Dollar. Die Zahlungen entsprachen 14 Prozent der Wirtschaftsleistung im Senegal. Aber Geld ist nicht der einzige Faktor der Entwicklungshilfe durch die Emigranten: "Die Diaspora ist mit ihren Kenntnissen und Kontakten eine wichtige Stütze für den Senegal", sagt Papa Demba Fall. Das sei die positive Seite, wenn gut qualifizierte Senegalesen dauerhaft auswanderten.
"Ich habe noch viele Ideen"
Oumar Sarr und seine Kollegen am Dakar-Institut für Afrika-Studien wollen den Austausch zwischen Senegalesen und US-Amerikanern künftig noch stärker fördern. Schon jetzt machen alle Austauschstudenten ein integriertes Praktikum in Dakar als Teil des Sommerprogramms. Irgendwann soll das Institut dann zu einer Universität wachsen, erklärt Sarr. "Wenn man in der Diaspora ist, denkt man immer an die Leute daheim."
Sarr ging während seines Bachelor-Studiums in die USA und spezialisierte sich dort auf neue Technologien im Unterricht. Er versucht, dem Senegal immer wieder etwas zurückzugeben. Als ehemaliger Profiboxer schickte er jahrelang Boxausrüstung in seine alte Heimat und trainierte Jugendliche in den Ferien. 2014 startete er in einer Schule in der Kleinstadt Mboro ein Projekt, um die traditionellen Erzählungen in den Unterricht einzubinden. Die Schüler haben mit ihren Smartphones Geschichten gesammelt und über die Jahre ein eigenes Tonarchiv aufgebaut. Weitere Projekte sollten folgen, sagt Sarr: "Ich habe noch viele Ideen."
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