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Pflegekräfte: Ausgeklatscht

Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in diesem Jahr seine Osteransprache hielt, es war Woche drei der bundesweiten Kontaktbeschränkungen, stellte er eine vorausschauende Frage. Ob wir uns wohl nach der Corona-Krise noch daran erinnern werden, fragte Steinmeier, was uns unverzichtbare Arbeit, etwa in der Pflege, wirklich wert sein muss?

Es war eine Zeit großer Dankbarkeit und großer Versprechungen: Menschen klatschten abends an den Fenstern und auf den Balkonen für das Pflegepersonal. "Heldinnen und Helden des Alltags" nannte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Angestellten in der Pflege im Mai. Diese Menschen hätten "nicht nur warme Worte, sondern langfristig auch bessere Löhne verdient". Bundesgesundheitsminister (CDU) wollte sich persönlich dafür einsetzen, dass Pfleger und Schwestern, die in der Krise besonders gefordert seien, Zusatzleistungen erhalten. Um all jenen, so meinte Spahn damals, "die jetzt in dieser Zeit besonders mit anpacken, in den Kliniken, in den Praxen, in der Gesundheitspflege", am Ende sagen zu können: "Das wollen wir auch finanziell noch mal besonders vergüten." Worte, die wohl Mut machen sollten. Für stundenlange harte Arbeit auf den Intensivstationen. Für Überstunden. Für die Gefahr, sich mit Covid-19 anzustecken. Für die Anstrengungen, die nötig sind, um möglichst viele Leben zu retten.

Jetzt, knapp drei Monate nach Steinmeiers Ansprache, ist der Applaus an den Fenstern verstummt. Die von Spahn versprochene Corona-Prämie wurde auf den Weg gebracht. Doch die Prämie geht nur an Beschäftigte in der Altenpflege. Pflegekräfte in den Krankenhäusern erhalten: nichts.

Einmaliger Zuschuss

Nur zwei Bundesländer haben sich dazu durchgerungen, einen Bonus für Krankenpflegekräfte aus eigenen Mitteln zu finanzieren: Bayern zahlt 500 Euro, Schleswig Holstein bis zu 1.500 Euro. In den Kliniken im Rest der Republik geht das Personal leer aus, wenn sich nicht die Häuser selbst dazu entscheiden, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Prämien zu zahlen. Doch das bleibt die Ausnahme. Zudem warten die meisten Altenpflegekräfte noch auf ihren Bonus.

Das im Mai verabschiedete Gesetz sieht vor: Altenpflegerinnen und -pfleger bekommen einen einmaligen Zuschuss - bis zu 1.500 Euro, steuerfrei. Zwei Drittel davon finanziert der Bund über die Pflegekassen, ein Drittel sollen die Länder aufstocken. Die aber können sich teils noch nicht einmal festlegen, wann sie die Prämie genau auszahlen wollen. Frühestens im Herbst, heißt es in Schleswig-Holstein, vermutlich im Dezember, erklärt das Sozialministerium Sachsen auf Anfrage. In einigen Bundesländern soll die Prämie Mitte Juli überwiesen werden, in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen ist noch unklar, wann die Zahlung kommt.

Was als großes Versprechen begann, ist zu einem Flickenteppich aus Einzelregelungen geworden. Dabei wäre eine bundeseinheitliche Corona-Prämie für alle Pflegekräfte durchaus finanzierbar gewesen. 1,7 Millionen Beschäftigte gab es laut Bundesagentur für Arbeit letztes Jahr in der Alten- und Krankenpflege, eine Einmalzahlung von 1.500 Euro für all diese Menschen hätte den Bund knapp 2,55 Milliarden Euro gekostet. Zum Vergleich: Für das Rettungspaket der Lufthansa will die Bundesregierung neun Milliarden Euro bereitstellen. Das gerade verabschiedete Konjunkturpaket, das etwa die Senkung der Mehrwertsteuer oder Kaufprämien für E-Autos vorsieht, ist 130 Milliarden Euro schwer - das Wort "Pflege" kommt darin kein einziges Mal vor.

Als "Unding" bezeichnet Peter Tackenberg vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe deshalb die Ausgestaltung der Corona-Prämie. "Bei den Verhandlungen über den Bonus wurde herumgeschachert wie auf dem Basar", sagt er. Zunächst habe Spahn große Versprechungen gemacht und sich erst dann darum gekümmert, wer für die Prämie aufkommen soll. "Es ist unfair, dass die Pflegefachpersonen im Krankenhaus ausgeschlossen wurden, obwohl die dem gleichen hohen Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind wie die in der Langzeitpflege."

Ein fatales Signal an die Pflegekräfte

Ähnlich sehen das die Grünen. Im Mai haben sie einen Antrag auf die Ausweitung der Bonuszahlung auch auf Krankenpflegekräfte eingereicht. Der Antrag wurde abgelehnt. "Damit sendet die Bundesregierung ein fatales Signal an die Menschen, die in den Kliniken ihre eigene Gesundheit aufs Spiel gesetzt haben, um Corona-Patienten zu helfen", sagt die Grünen-Sprecherin für Pflegepolitik Kordula Schulz-Asche. Sie befürchtet, dass es nach Corona zu einer hohen Abwanderung von Pflegekräften in den Krankenhäusern kommen könnte. "Das sind hochqualifizierte Pflegekräfte, die unter starker psychischer und körperlicher Belastung arbeiten. Viele werden sich überlegen, ob sie wirklich in der Krankenhauspflege bleiben wollen, wenn man damit rechnen muss dass es zukünftig immer wieder Pandemien gibt." Der Corona-Bonus, sagt Schulz-Asche, wäre auch deshalb ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung gewesen.

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