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Wenn die Polizei beim Problemfan vorbeikommt

Das erste Derby in der Fußball-Bundesliga zwischen dem 1. FC Union und Hertha BSC bringt viele Besonderheiten mit sich. Natürlich wird das Spiel am Samstagabend mit 22.012 Zuschauern ausverkauft sein, es hätten wahrscheinlich sogar fünfmal so viele Tickets verkauft werden können wie es Plätze im Stadion An der Alten Försterei gibt.

Auf den Zweitmärkten im Internet werden Eintrittskarten für mehr als 1000 Euro angeboten. Aber auch auf einem anderen Gebiet zeigt sich, dass es eben nicht irgendein Duell ist. Schon seit Monaten beschäftigt sich die Polizei mit dem Derby.

Es geht um die Sicherheit im Allgemeinen, aber vor allem auch um einzelne Fans, die vielleicht zum Problem werden könnten. Und gegen die haben die Sicherheitskräfte in den zurückliegenden Monaten so einiges unternommen.

Bei Dennis S. zum Beispiel haben sie Mitte Juli geklingelt. Die Beamten baten um Zutritt zu seiner Wohnung, Doch Dennis S. lehnte ab. Also redeten sie auf der Straße. S. ist Hertha-Fan und Teil der aktiven Fanszene. Wie bei vielen anderen hat die Polizei im Vorfeld des Derbys auch bei ihm zum Mittel der sogenannten Gefährderansprache gegriffen.

Diese diene dazu, „im Vorfeld von Fußballspielen positiven Einfluss auf das Fanverhalten zu nehmen und so mögliche Auseinandersetzungen zu verhindern", heißt es von der Polizei. Durchgeführt werden die Ansprachen bei Personen, die „Einfluss auf ihre jeweiligen Fanlager" haben. Auch Marc A. wurde an seinem Wohnort von der Polizei aufgesucht. Sowohl er als auch Dennis S. geben an, noch nie vor, während oder nach einem Fußballspiel mit der Polizei in Kontakt gekommen zu sein.

Beide berichten von dem aggressiven Charakter, den die Ansprache gehabt habe und die sich im Fall von Marc A. auch direkt an dessen Eltern richtete. „Die Polizei wollte mich verunsichern und meine Eltern gleich mit", sagt er. „Sie wollten ihnen ganz klar Angst machen. Die Ansprache sollte einen bleibenden Eindruck hinterlassen." Dennis S. spricht von einer „Drohansprache". Marc A. und Dennis S. sind wohl keine Einzelfälle.

Erste Ansprachen im Juli

Der Fanhilfe von Hertha BSC zufolge wurden zahlreiche weitere Herthaner angesprochen oder postalisch angeschrieben. Erste Ansprachen gab es bereits im Juli. Auf Nachfrage bestätigte die Polizei, dass auch mit Fans des 1. FC Union auf diese Weise geredet wurde.

Solche Methoden werfen die Frage auf, wie sicher das Derby überhaupt ist. Die Polizei wird in jedem Fall mehr zu tun haben als im sonstigen Bundesliga-Alltag. „Es ist klar, dass ein Derby eine besondere sportliche Bedeutung hat und dass wir dementsprechend unseren Kräfteansatz dem ganzen anpassen werden", heißt es von der Berliner Polizei auf Nachfrage. Wie der Bedarf genau aussieht und wie viele Kräfte mehr gebraucht werden als sonst, will die Polizei erst am Spieltag bekanntgegeben.

Viele haben sich darüber hinaus über die Anstoßzeit gewundert, denn das Spiel wird nicht nachmittags, sondern erst um 18.30 Uhr angepfiffen. Am 2. November soll die Sonne bereits um 16:34 untergehen. Wenn die meisten Fans durch die Wuhlheide Richtung Alte Försterei laufen, wird es also stockdunkel sein. Noch dazu ist das Gebiet rund ums Stadion ziemlich weitläufig und unübersichtlich. Aber auch darin sieht die Berliner Polizei kein Problem: „Die Wetterlage und sonstige äußere Einflüssen werden in der Lagebeurteilung berücksichtigt. Die Dunkelheit hat rein vom Sicherheitsgedanken her aber keinen Einfluss."

Keine Absprachen zwischen Polizei und DFL

Mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) habe sich die Polizei nach eigenen Angaben nicht über die Anstoßzeit ausgetauscht: „Die Spielplanung wird generell von der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze und der DFL vorgenommen. Bei diesem konkreten Spiel gab es zwischen der Berliner Polizei und der DFL keine Absprachen."

Am Samstag wird es die Hauptaufgabe der Polizei sein, für eine sichere An- und Abreise aller Fans zu sorgen. Dafür setzt sie auf eine klare Fantrennung: „Das ist bei dem normalen Fan, der rein wegen des Spiels da ist, kein Problem. Aber wir wissen auch von Problemfans, auf die unsere szenekundigen Beamten ein Auge haben." Darauf deuten eben auch die Hausbesuche bei den Fans hin.

Das präventive Vorgehen ist durchaus üblich und wird offenbar auch in anderen Bundesländern angewandt. Auf Nachfrage haben fünf weitere Fanhilfen in Deutschland angegeben, dass auch sie in jüngerer Vergangenheit Erfahrungen mit Gefährderansprachen gemacht haben.

Einschüchterung ist rechtlich bedenklich

So berichtet etwa die Blau-Gelbe Hilfe von Eintracht Braunschweig, dass 2016 vor dem Derby gegen Hannover 96 Gefährderanschreiben in „niedriger dreistelliger Zahl" an Fans verschickt wurden. Drei Fanhilfen bestätigten außerdem, dass Mitglieder ihrer Fanszene von der Polizei am Arbeitsplatz angesprochen wurden, bei einem Fall wurde sogar direkt beim Arbeitgeber selbst vorgesprochen.

Dient die Gefährderansprache lediglich der Übermittlung einer polizeilichen Information, ist das legal. Hat das Mittel allerdings einen einschüchternden Effekt, kann es auch rechtlich bedenklich werden. So hat es jedenfalls Felix Bleckmann von der Universität Köln in einer wissenschaftlichen Arbeit herausgearbeitet. Wenn bei der Ansprache der appellative Charakter so nachdrücklich hervortritt, dass dem Adressaten keine Alternative zum geforderten Verhalten bleibt, sei es problematisch.

Als problematisch haben es auch die beiden Hertha-Anhänger Dennis S. und Marc A. empfunden. Eigentlich wollten sie sich die Vorfreude auf das erste Bundesliga-Derby gegen den 1. FC Union nicht nehmen lassen. Aber mit Blick auf seine jüngsten Erfahrungen sagt Dennis S. nun: „Nach all den Drohungen, die gegen mehrere Menschen aus meinem sozialen Umfeld gemacht worden sind, birgt der Derbytag schon einige potenzielle Ängste."

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