Wir Menschen sind die widerlichsten Kreaturen dieses Planeten. Aus Pragmatismus und Anthropozentrismus heraus labeln wir unsere gefellten, gefiederten und geschuppten Erdmitbewohner als Haustier, Wildtier, Nutztier. Die einen streicheln und verhätscheln wir, die anderen werden gejagt, gemästet, gequält, getötet, ausgestopft, gehäutet, gegessen oder, in brutalster Sachlichkeit ausgedrückt: verwendet. Als Steak, Schuhwerk, Pelz oder hübsches kleines Krokoleder-Täschchen.
Mit der Ausstellung „tierisch schön?" will das Deutsche Ledermuseum (DLM) in Offenbach nun die „ambivalente Ästhetik" seiner Objekte in den Fokus stellen. Das ist keine schlechte Idee in Zeiten, in denen Leder, Fell und Pelz als Material vor allem im Hinblick auf tierethische Fragen in Verruf geraten sind. Zu Recht oder zu Unrecht? Darauf will Museumsleiterin und Kuratorin Inez Florschütz keine Antwort geben. „Wir wollen Fragen aufwerfen, Denkanstöße liefern, aber keine Antworten in Schwarz-weiß-Kategorien liefern. Es geht hier nicht um gut und böse", sagt Florschütz. Trotz aller Zurückhaltung ist die Schau im DLM dennoch ein Plädoyer geworden.
„Tierisch schön?" ist eine von drei Ausstellungen des Kooperationsprojekts „Artentreffen", bei dem es um das Thema Tier und Mensch geht (siehe Infokasten). 50 Exponate sollen im DLM auf einem Parcours durchs Haus unter kritischen Vorzeichen neu betrachtet werden, zu finden sind sie, wenn man den Katzenpfoten-Aufklebern auf dem Boden folgt. Herzstück der Schau ist ein Raum, in dem die zentralen Fragestellungen aufgeworfen werden; eine ganze „Bandbreite" an Fragestellungen, wie Florschütz betont. Es geht um Themen wie die Nutzbarmachung von Tieren, um ethische Aspekte der Lederproduktion und um Artenschutz, um Jagd und Trophäen, die Kunst der Hautpräparation, um alternative Materialien. Illustriert werden diese Themen mit wenigen, aber anschaulichen Exponaten - von fast schon vulgär wirkenden Handtaschen, auf die präparierte Echsen aufgesetzt sind, bis hin zu veganen Taschen aus Teakholzblättern.
Alternative Materialien spielen in der Sammlung des Museums schon seit Jahren eine Rolle. Aber auch sie sind aus ethischer Sicht vielfach nicht ganz ohne: Oft würden sie chemisch produziert, es werde Erdöl verwendet, und abgebaut werden könnten die Stoffe meist nicht leicht, sagt Florschütz. Klimabewusst und nachhaltig ist das in den meisten Fällen nicht. Anschaulich gemacht ist dieses Dilemma in einer Vitrine, in der ein Persianer-Pelzmantel und ein Fake-Fur-Mantel im Leoprint aus Polyacryl und Polyamid beieinanderstehen. Was ist besser? Plastik jedenfalls ist auch nichts für ein sauberes Gewissen.
Dann doch lieber Leder? Der Frankfurter Kürschner Hans Schwarz, der einen mit floralen Intarsien verzierten Leder- und Pelz-Wendemantel zur Ausstellung beisteuert, hat eine klare Meinung. Leder und Pelz würden größtenteils zu Unrecht verpönt, findet er. Zu 90 bis 95 Prozent stammten die Felle aus der Verwertung. „Ja, es musste ein Tier sterben, aber nicht wegen des Pelzes, sondern wegen der Fleischproduktion", gibt er zu Bedenken. Eine pauschale Stimmungsmache gegen Pelze hält er für falsch. Zum einen, weil für schöne Felle sehr auf das Tierwohl geachtet werden müsse. Und zum anderen, weil beispielsweise so viele ohnehin geschossene Füchse wegen einer „nicht hinterfragten" moralischen Ablehnung von Pelzen ungenutzt „verbrannt oder verbuddelt" würden.
Unser Umgang mit Tieren bleibt paradox. Das kommentieren drei künstlerische Arbeiten, die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind, auf humorvolle, ironische Weise. Erstmals hat die Museumsleiterin auch bildende Kunst in eine Ausstellung eingebunden, wie sie erzählt. Ein gelungenes Experiment: Im Eingang ist der „Cake Stool" ein Eyecatcher. Der Designerstuhl der brasilianischen Campana-Brüder besteht aus Kuscheltieren und spielt, ebenso wie die Porzellan-und-Tierpräparat-Plastik „St. Bernetto" von Marcel Walldorf, auf unsere Doppelmoral im Umgang mit Tieren an. Die bricht Walldorf so herunter: „Viele denken: Ach, was für ein süßer, kleiner Hund! Und dann gehen sie in den Aldi und kaufen Billigfleisch."
Es ist eine menschengemachte Bredouille, in der wir stecken. „Jeder muss für sich selbst eine Position und eine Haltung zum Thema finden", sagt Florschütz. Ein guter Startpunkt für die Suche dürfte diese Ausstellung sein.
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