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Psychische Gesundheit: Einsam im Lockdown

Menschen, die alleine leben, sind mit Lockdown und Kontaktverbot bisher am besten zurechtgekommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Sonderbefragung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), die ZEIT Online vorab vorliegt. Alleinerziehende waren durch den Lockdown demnach am stärksten belastet. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben zwischen April und Juli fast 7.000 Menschen aus unterschiedlichen Haushaltstypen befragt.

Untersucht wurden die drei Faktoren Wohlbefinden, Zufriedenheit und Einsamkeit in drei verschiedenen Phasen der Pandemie. Die erste Phase beinhaltete den Lockdown im März und April, die zweite Phase zieht sich von April bis Mai, wo schon erste Lockerungen eintraten, und die dritte Phase ist die Zeit ab Juni, in der in vielen Bereichen alles wieder normalisiert wurde.

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Das SOEP existiert seit 1984, jährlich werden dieselben rund 30.000 Menschen in Deutschland befragt. So konnten die Forscherinnen und Forscher auf Vergleichswerte von vor der Corona-Zeit zurückgreifen. Für die Sonderbefragung wurde ein Teil der Gruppe zum Befinden in der Pandemie befragt. Dabei zeigte sich: Vor Ausbruch der Corona-Krise waren Paare mit und ohne Kinder im Vergleich zu Alleinerziehenden und -lebenden grundsätzlich zufriedener. Sie fühlten sich weniger einsam und insgesamt wohler.

Alleinlebende sind dann jedoch sehr gut durch die Zeit des Lockdowns gekommen. Den Angaben der Studie zufolge stiegen sowohl ihr Wohlbefinden als auch ihre Zufriedenheit im Vergleich zu vorher an, beides sinkt ab der zweiten Phase jedoch wieder. Die größte Belastung hingegen empfanden Paare mit Kindern. Sie waren während des Lockdowns unzufriedener und fühlten sich unwohler. Das ist wenig verwunderlich, schließlich mussten viele Job und Kinderbetreuung gleichzeitig stemmen. Diese Paare mit Kindern fanden aber in der Zeit nach dem Lockdown, als auch Kitas und Schulen wieder geöffnet waren, wieder zu ihrem vorigen Wohlbefinden zurück. Für Paare ohne Kinder und Alleinerziehende veränderte sich laut der Studie in der Lebenszufriedenheit und im Wohlbefinden durch den Lockdown wenig.

Forscherinnen fordern mehr Therapieangebote

Beim Thema Einsamkeit sieht das allerdings anders aus: Alleinerziehende waren schon vor der Corona-Pandemie besonders einsam. Dieses Gefühl hat sich in der Zeit des Lockdowns weiter verstärkt. Grundsätzlich fühlten sich alle befragten Menschen in dieser Zeit einsamer, doch der Anstieg war bei Paaren mit und ohne Kinder und bei Alleinlebenden weniger hoch. Diese Entwicklung hatte sich bereits frühzeitig durch Erzählungen von Eltern abgezeichnet. Die Studie bestätigt diese Schilderungen. Schon im Juli gab das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden bekannt, dass 60 Prozent der Alleinerziehenden eine hohe Gesamtbelastung empfanden, bei Paaren waren es nur 50 Prozent.

Forscherinnen und Experten warnen schon seit Beginn der Pandemie vor den psychischen Auswirkungen der Corona-Pandemie, die weltweit zu sehen sein werden. Die nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina wies im September auf die langfristigen Folgen hin und sagte, Strukturen und Möglichkeiten entsprechender Hilfen seien notwendiger denn je. Das Angebot der Prävention und Therapie müsse deutlich vergrößert werden.

Am 22. März hatte die Bundesregierung das Kontaktverbot beschlossen. Die meisten Menschen blieben zu Hause. Noch immer ist wenig beleuchtet, welche psychischen Folgen diese Zeit hatte und hat. Die Studie SOEP-CoV ist eine Zusammenarbeit zwischen dem DIW und der Universität Bielefeld als Teil des Sozio-oekonomische Panels.

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