Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, begrüßt die Initiative.
Herr Alt, Bremen muss sich seit Jahren den Vorwurf gefallen lassen, das hiesige Abitur tauge nichts und sei ein Wettbewerbsnachteil. Wie sieht es mit den Hochschulabschlüssen aus?Peter-André Alt: Die Bremer Abschlüsse sind viel wert. Die Hochschulen haben einen sehr guten Ruf. Die Fachhochschulen bieten ein enorm vielfältiges Spektrum. Vor allem die Universität ist sehr forschungs- und drittmittelstark, deswegen lassen sich Professoren gerne nach Bremen berufen.
Mit dem neuen Wissenschaftsplan soll der Standort weiter ausgebaut werden, mehr Arbeitsplätze, mehr Studierende, Leitbilder und Bildungsziele sind darin vorgesehen. Wie beurteilen Sie das Konzept?Alt: Diese Pläne ähneln sich in den meisten Bundesländern, denn die meisten Felder sind für alle wichtig: Transfer, Internationalität, Lehrqualität, um einige zu nennen. Allerdings zeigt sich an den tatsächlichen Investitionen, ob ein Plan leere Formel ist oder ob er Substanz hat. Der Zuwachs, den Bremen bis 2025 geplant hat, kann sich sehen lassen. Diese Selbstverpflichtung des Landes gegenüber den Hochschulen finde ich bemerkenswert.
Wie steht Bremen im Gegensatz zu anderen Stadtstaaten da?Alt: Es ist wichtig, dass man als Stadt erkennt, was für ein wichtiger Treiber die Hochschulen sind, für den Arbeitsmarkt, die Wirtschaftskraft oder die Diversität der Bevölkerung. Bremen profitiert enorm von den Hochschulen. In einer Stadtgesellschaft, die sich nicht von vornherein als Uni-Stadt begreift, muss sich die Wissenschaft aktiv verankern und als Standortfaktor sichtbar machen. Studierende und der Rest der Stadt dürfen keine separaten Communities bilden.
Unternehmensberatung mit über 70 Studierenden
Der Punkt Transfer ist Ihnen, Frau Quante-Brandt, sehr wichtig.Eva Quante-Brandt: Die Wissenschaft ist in der Bremer Stadtgesellschaft angekommen. Junge Menschen regen zum Quer- und Nachdenken an. Die Lust am Dialog ist wichtig, denn nur so entstehen neue Ideen und gesellschaftlicher Wandel.
Im neuen Wissenschaftsplan ist auch eine Erhöhung der weiblichen Professuren vorgesehen. Wie weit sind die Hochschulen in Sachen Gleichstellung?Quante-Brandt: Im Wissenschaftsplan ist eine Quote von 35 Prozent Professorinnen festgeschrieben - natürlich sind 50 das Ziel. Wir haben in Bremen schon lange eine sehr gelungene Geschlechterpolitik, aber wir stagnieren aktuell bei 26 Prozent. Die Hochschulen müssen künftig begründen, wenn Frauen nicht berufen werden oder sich nicht für eine Bewerbung motiviert fühlen. Nur so kann ein nachwachsendes System, in dem Frauen aufsteigen, auch wirklich gestärkt werden.
Alt: Man braucht einen langen Atem. Der Wissenschaftsplan führt ein Kaskadenmodell ein, das von Stufe zu Stufe die Karriere von Frauen fördert. Das ist das Verfahren, das auch die HRK empfiehlt.
Herr Alt, in Bremen wird gerade viel über den Aufbau einer medizinischen Fakultät für den klinischen Teil der Ausbildung diskutiert. Was würde das für Bremen bedeuten?Alt: Bremen ist das einzige Bundesland ohne Hochschulmedizin. Die Fakultät wäre ein Gewinn für die Stadt. In Deutschland haben wir einen spürbaren Ärztemangel, weil zu wenige Absolventen des Medizinstudiums sich für die praktische Arbeit entscheiden. Wir brauchen also weitere Medizinstudienplätze, um den Bedarf zu decken. Zudem ist die Medizin ein wichtiges Innovationsfeld. Die Forschungsdynamik durch eine Uni-Medizin in Bremen würde neue Formen der Zusammenarbeit mit den Naturwissenschaften ermöglichen und den Standort weiter stärken.
Quante-Brandt: Wir werden die klinische Ausbildung solide prüfen, das ist eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen. Der klinische Teil kann für das Land sehr gut sein. Wir haben in Bremen eine leistungsstarke Krankenhauslandschaft und ein hervorragendes Wissenschaftssystem. Hier wird sehr vieles von dem abgebildet, was man in der Medizin können muss. Wenn wir ein kluges Modell finden, das all die Expertise aus den Natur- und Gesundheitswissenschaften bündelt, kann das ein Gewinn sowohl für die Hochschulen als auch für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und die Medizinversorgung sein. Aber Gründlichkeit vor Schnelligkeit, so betreiben wir das. Und: Es muss bezahlbar bleiben.
Herr Alt, Bremen hat den Exzellenzstatus im vergangenen Jahr verloren. Hat das der Uni geschadet?Alt: Zuallererst bedeutet es eine finanzielle Einbuße, was besonders für bereits begonnene Projekte eine Herausforderung darstellt. Für die Universität kommt es jetzt darauf an, die Motivation für eine Bewerbung bei der nächsten Exzellenzrunde hochzuhalten. Ich nehme die Bremer Universität als sehr dynamische Institution wahr, der es gelingen wird, neue Pläne für künftige Exzellenzcluster zu entwickeln.
Was macht den Wissenschaftsstandort Bremen stark?Alt: Bremen besitzt eine große Vielfalt, im Blick auf Forschungsprojekte, Studiengänge und Hochschultypen. Allein die Universität weist ein sehr breites Forschungsspektrum auf, sie ist stark in Technik- und Sozialwissenschaften, Informatik, den Gesundheitswissenschaften und der Meeresforschung. Zudem sind die Wege zwischen den Institutionen sehr kurz. Ein echter Vorteil: Für Innovationen braucht man den Austausch mit dem Gegenüber - auch im digitalen Zeitalter.
Das Gespräch führte Lisa-Maria Röhling. Zu den PersonenEva Quante-Brandt (SPD) ist seit 2015 Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz. Zuvor war die gelernte Pädagogin Senatorin für Bildung und Wissenschaft.
Peter-André Alt ist seit August 2018 der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Der Philologe war unter anderem von 2011 bis 2018 der Präsident der Freien Universität Berlin.