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80 Jahre „Schneewittchen"

Haut, so weiß wie Schnee, Lippen, so rot wie Blut, Haare, so schwarz wie Ebenholz. Was schon die Brüder Grimm im 19. Jahrhundert zum ersten Mal schriftlich festhielten, brachte Walt Disney vor 80 Jahren auf die Leinwand: Am 21. Dezember 1937 feierte der erste abendfüllende Animationsfilm „Schneewittchen und die sieben Zwerge" in den USA Premiere. Damit erschuf Disney die erste seiner Prinzessinnen und läutete so das goldene Zeitalter seiner Produktionsfirma ein.

Walt Disneys Idee, einen abendfüllenden Zeichentrickfilm zu produzieren, nahm die Filmbranche mit großer Skepsis auf. Die Trickfilmfigur Mickey Mouse, 1928 das erste Mal von Disney entworfen, erfreute sich zwar schon großer Bekanntheit. Und natürlich hatte Disney schon mit der seit 1929 laufenden Animationskurzfilmreihe „Silly Symphonies" unbekanntes Terrain betreten. Doch ein eineinhalbstündiger Film mit gezeichneten Hauptcharakteren? Das hielten viele für den Anfang vom Ende der 1923 gegründeten Walt Disney Company. „Disneys Folly" nannten die Kritiker sein Vorhaben: Disneys Torheit.

Schon 1934 gab es die ersten Produktionstreffen für das kühne Filmprojekt. Von Disney selbst stammte die Idee, das Märchen Schneewittchen als Vorlage zu nehmen. Doch nicht die schwarzhaarige Prinzessin hatte es Disney angetan, sondern die sieben Zwerge als potenzielle Comedy-Figuren, die in der Märchenerzählung nur eine untergeordnete Rolle spielten. Deswegen waren auch erste Entwürfe des Drehbuchs mit wesentlich mehr Slapstick und Scherzen gespickt. Der Prinz sollte außerdem ein ziemlicher Clown werden, die böse Königin eine verrückte, feiste Narzisstin.

Eine abgespeckte Version

Doch nicht alles, was Disney und seine Mitarbeiter ausprobierten, schaffte es am Ende auf die Leinwand. Die Macher setzten eine abgespeckte Version der Geschichte um; so wurde der aus dem Märchen bekannte erste Versuch der Königin, Schneewittchen mit einem Kamm zu ermorden, aus dem Drehbuch gestrichen. Auch von einer zusätzlichen Szene, in der der Prinz im Kerker der Königin gefangen gehalten wird, nahm das Produktionsteam wieder Abstand. Selbst bereits gezeichnete und animierte Szenen wurden kurzfristig wieder gestrichen: Eine Sequenz, in der Schneewittchen versucht, den Zwergen Tischmanieren beizubringen oder wo diese ein Bett für die Prinzessin bauen, fiel auf Disneys Wunsch dem Schnitt zum Opfer. Denn der Fokus sollte auf dem Konflikt zwischen Prinzessin und Königin liegen. Eine Narzisstin blieb die Königin zwar, doch zeichneten die Animateure sie als große Frau mit kaltem Blick. Ein Kernelement des Märchens blieb bestehen: Die Antwort auf die Frage „Spieglein, Spieglein, an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?" ist auch in der Disney-Version der Auslöser für den Zorn der Königin.

In den drei Produktionsjahren waren knapp 750 Künstler an der Umsetzung des Schneewittchen-Films beteiligt. Die Mitarbeiter machten zahlreiche Überstunden, um das Werk weiterzuentwickeln. Die meiste Zeit nahmen dabei die möglichst realitätsnahen Zeichnungen ein. Denn Schneewittchen sollte sich ganz deutlich von den Zeichnungen der vorherigen Kurzcomics abheben. Das ist auch heute noch zu sehen: Vor allem Hintergrundbilder wie das Schloss der Königin oder das Haus der sieben Zwerge unterscheiden sich durch die realistischen Details deutlich von dem, was Zuschauer aus Mickey-Maus-Filmen gewohnt waren.

So ging die junge Prinzessin, deren nach ewiger Schönheit besessene Stiefmutter ihr nach dem Leben trachtet, in die Filmgeschichte ein. Der gelbe Rock, die blaue Bluse und die rote Schleife im Haar, die Disney der Prinzessin verpasste, gehören inzwischen zur Symbolfigur Schneewittchen, genauso wie die glockenhelle Stimme. Nicht nur im amerikanischen Original, sondern auch in der deutschen Synchronisation bildete Schneewittchens Stimme einen Kontrast zur tieferen und härteren Stimme der bösen Stiefmutter.

Erst 1950 in Deutschland

Die erste deutschsprachige Synchronisation für eine Veröffentlichung in Österreich und der Schweiz wurde bereits 1938 in Amsterdam aufgenommen. In den deutschen Kinos war dieser Film allerdings erst 1950 zu sehen. Viele der Stimmgeber hatten den Zweiten Weltkrieg nicht überlebt: Sowohl die Sprecherin der bösen Königin, Dora Gerson, als auch der Sprecher des Zwergs Chef, Otto Wallburg, wurden im Konzentrationslager Auschwitz von den Nationalsozialisten ermordet. 1966 entstand für die Wiederaufführung des Films im deutschen Walt Disney Filmverleih eine Neusynchronisation, die im Gegensatz zum Original moderner, textlich aber auch kindgerechter gestaltet war.

Für die Neuveröffentlichung des Films auf Videokassette 1994 wurde schließlich die dritte Synchronisation aufgenommen. Die Texte wurden erneut überarbeitet. Die vorherigen Synchronisationen dürfen heute nicht mehr offiziell verwendet werden. Wer also heute Schneewittchen im Fernsehen schaut oder auf DVD im Regal stehen hat, hört mit hoher Wahrscheinlichkeit die Version von 1994. Ein bisschen Original steckt trotzdem dahinter: Die Texte und Lieder der 1994er-Version orientieren sich stark an der ersten Synchronisation. Einige Effekte, wie das Brunnenecho zu Beginn des Films, sind sogar noch aus der englischen Originalfassung übrig geblieben.

Ein abendfüllender Animationsfilm gehört im 21. Jahrhundert zu jeder erfolgreichen Kinosaison unweigerlich dazu: Auch wenn Zeichentrickfilme in den letzten Jahren zurückgegangen sind, bringen die großen Filmstudios jährlich mindestens einen Animationsfilm raus. Die Einnahmesummen sind dabei enorm. Die Walt Disney Cooperation ist heute eines der erfolgreichsten Filmstudios: Animationsriese Pixar gehört inzwischen genauso zum Konzern wie Lucasfilm und Marvel Studio - und damit die großen Filmhelden aus den „Star Wars"-Filmen und der Marvel-Superhelden-Reihe.

Einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten

1,75 Millionen Dollar kostete die Produktion des ersten Disneyfilms - knapp 1,7 Milliarden Dollar hat er inzwischen inflationsbereinigt eingespielt. Damit ist „Schneewittchen und die sieben Zwerge" einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Mit dem eingespielten Geld kaufte Disney einen Studiokomplex im kalifornischen Burbank; heute heißt dieser Ort „Walt Disney-Studios". Disneys Strategie ging auf. Und auf Schneewittchen folgt bis heute eine endlose Riege von Prinzessinnen.

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