Im Straßenkinder e.V. gibt es heute Rindfleisch mit Kartoffeln und Spargel. Ein junger Mann sitzt am Mittagstisch. Seinen Namen möchte er nicht nennen. Im Moment ist er obdachlos. Der Kriminalität habe er vor einem dreiviertel Jahr abgeschworen: "Früher habe ich Geld gespart durch Ladendiebstähle. Habe einfach nicht so drüber nachgedacht. Irgendwann war halt der Punkt gekommen, an dem ich gedacht habe, ich will ein Leben führen ohne sowas."
Straßenkinder e.V. hilft ihm dabei, nicht wieder straffällig zu werden. Die warme Mahlzeit spielt eine große Rolle, so der junge Mann: "Es ist schon großartig, keinen Hunger haben zu müssen. Wirklich!" Nach dem Mittagessen will sich der junge Mann an den Computer setzen, den er im Verein kostenlos nutzen kann. Er will nach Jobangeboten suchen.
Arbeit hält er für wichtig, um nicht wieder kriminell zu werden: "Wenn die Leute etwas sinnvolles zu tun haben und sich wieder wertgeschätzt fühlen, ist das etwas ganz anderes. Man leistet seinen Beitrag und kann sich dann die Dinge kaufen, die man möchte. Also ich denke, es gibt immer einen anderen Weg. Für jeden."
Mit dem jungen Mann am Tisch sitzt Gabi Edler, bekannt als Tante E. Sie ist die Leiterin des Straßenkinder e.V. Dass ihre Schützlinge mal beim Klauen oder Schwarzfahren erwischt werden, komme schon vor. Dass es ein großes Problem mit Kriminalität gebe, findet Edler aber nicht. Das liege daran, dass die jungen Leute nicht nur kostenlos Essen und Kleidung bei ihr bekommen.
Die Schützlinge können auch mit jedem Problem zu ihr kommen: "Ich habe immer Verständnis für die. Eins finde ich zum Schreien. Wenn die irgendwas angestellt haben, kommen die zu mir und sagen: 'Tante E., du kannst mir ein paar klatschen. Ich hab Scheiße gebaut.' Ist doch Wahnsinn."
Auf jedes Kind und jeden Jugendlichen einzeln einzugehen, findet auch Rainer Dietrich vom Jugendhaus Leipzig wichtig. Junge Menschen, die schon straffällig geworden sind, bekommen hier beispielsweise Anti-Gewalt-Training oder können an einem sogenannten Täter-Opfer-Ausgleich teilnehmen. Dabei treffen die Jugendlichen auf die Person, der sie Schaden zugefügt haben. Bei diesen Begegnungen ist Dietrich aufgefallen, dass die Bereitschaft, Konflikte zu lösen, in den letzten zehn Jahren abgenommen hat.
Deshalb wünscht er sich, dass der konstruktive Umgang mit Konflikten schon frühzeitig ein Thema wäre: "In den Kindergärten, in den Schulen und in den Lehrbetrieben. Auf allen Ebenen. Das heißt, nicht nur unter den Kindern, sondern vielleicht auch zwischen den Erziehern und Kindern. Als was Lebendiges, als Kultur des miteinander Großwerdens." Es fehlt die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen und miteinander zu reden. Dabei wäre das ein Ansatzpunkt, um Kinder- und Jugendkriminalität vorzubeugen.
Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im Radio: MDR | 20.05.2017 | 06:47 Uhr
Zuletzt aktualisiert: 20. Mai 2017, 14:55 Uhr