Der Zutritt ist verboten. Doch das Tor zum ‚George Harrison Park‘ steht offen. 1886 sind hier die Goldadern entdeckt worden, denen Johannesburg seine Existenz verdankt. Die historischen Schächte sind längst stillgelegt. Wenigstens in der Theorie. Eine Spur aus Müll, Exkrementen und Batterien führt zu den Männern, die hier schon seit Jahren auf eigene Faust nach Gold graben.
Zerlumpte, staubige Gestalten schleppen Steinbrocken in selbstgebastelten Rucksäcken aus dem Untergrund. Einige machen verschreckt kehrt, die anderen schauen skeptisch. Sie mögen keine Zuschauer. Nur einer ist bereit, anonym von seiner Arbeit zu erzählen.
"Ich mache das schon seit sechs Jahren. Ein Freund hat mich damals mitgenommen. Davor war ich lange arbeitslos, ohne Perspektive auf einen Job. Aber jetzt kann ich meine Familie ernähren, das Schulgeld für die Kinder bezahlen und meine alten Eltern unterstützen. Dafür schufte ich jeden Tag von morgens bis abends, im Schnitt zwölf Stunden. Manchmal bleibe ich aber auch tage- oder wochenlang dort unten."
Seine dunkle Haut hat die Farbe der Erde angenommen, ein schuppiges Grau-Gelb. Er trägt eine Mütze statt eines Schutzhelms, Sneakers statt Sicherheitsschuhe, Stirn- statt Grubenlampe. Seine einzigen Werkzeuge sind Hammer und Meißel. ‚Zama Zama‘ werden Männer wie er genannt. Übersetzt heißt das so viel wie: Die, die es immer wieder versuchen. Und zwar überall im Land, meint David van Wyk von der „Bench Marks Foundation“, einer Stiftung, die sich unter anderem für Menschenrechte im Bergbau einsetzt.
"Es gibt etwa 6.000 verlassene Minen in Südafrika. Ein Zehntel von ihnen hier im Großraum Johannesburg. Und wir schätzen, dass allein in diesen Minen rund 30.000 Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen"
Tendenz steigend. Angesichts von Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit
suchen immer mehr Männer ihr Glück buchstäblich im Untergrund.
Reich werde man entgegen aller Gerüchte nicht, betont der ‚Zama Zama‘. Mal verdiene er mehr, mal weniger.
"Es hängt von der Qualität der Gesteinsbrocken ab, die wir an die Oberfläche bringen. Mit der Zeit bekommt man ein Auge dafür. Und die Nachfrage ist groß. Allein in Soweto gibt es zahlreiche Leute, die wissen, wie man das Gold aus den Steinen holt. Wir verkaufen jeweils an den, der am meisten bietet."
Die „Zama Zama“ erhalten nur einen Bruchteil der Gewinne, obwohl sie jeden Tag ihr Leben aufs Spiel setzen. Ihre Arbeit ist so hart wie gefährlich. Sie atmen Quarzstaub sowie giftige Gase ein und laufen in den ungesicherten Stollen ständig Gefahr, von Felsabbrüchen begraben zu werden.
„Erzähl Ihr von der Polizei“, ruft einer der Männer. Der ‚Zama Zama‘ erzählt von Schikanen und Bestechungsgeldern. Auch deshalb hätten sie jetzt Wachmänner engagiert. Er deutet auf einen jungen Mann in erstaunlich sauberer Kleidung.
"Er warnt uns, wenn die Polizei kommt. Dann verstecken wir uns. Außerdem hält er nach den kriminellen Banden Ausschau, die uns ausrauben wollen."
Diese Gefahren, die zum Alltag der ‚Zama Zama‘ gehören, seien vermeidbar, wenn ihre Arbeit entkriminalisiert würde, fügt David van Wyk hinzu. Jedenfalls in Stollen wie diesen, die nah der Oberfläche liegen.
"Allein im Großraum Johannesburg leben nahezu eine viertel Million Menschen vom Einkommen der ‚Zama Zama‘. Statt sie als illegal abzustempeln, sollte die Regierung sie lieber anerkennen. Sie propagiert doch mehr Teilhabe schwarzer Südafrikaner an der Bergbauindustrie. Und genau das passiert hier im Kleinstformat. Deshalb sollte man diesen Mikro-Bergbau formal organisieren, Arbeitsbedingungen sowie Sicherheit verbessern und den Männern beibringen, wie sie kleine Unternehmen führen."
Lange ist diese Forderung seiner Stiftung auf taube Ohren gestoßen. Doch auf der Bergbaumesse hat der zuständige Minister nun angekündigt, eine schrittweise Legalisierung in einzelnen Minen einzuleiten. Zum ersten Mal an diesem Tag huscht ein Lächeln über das müde Gesicht des ‚Zama Zama‘.
"Es wäre ein Traum, wenn wir unserer Arbeit legal nachgehen könnten. Wir stehlen ja nicht, wir überfallen niemanden, wir bringen keinen um. Wir schuften für unser Geld und versuchen nur unsere Familien zu ernähren."
Wie auf Stichwort unterbricht
eine Polizeisirene die Unterhaltung. Nervös schaut sich der Mann um,
verabschiedet sich rasch und verschwindet mit seinen Kumpeln in der Dunkelheit
des Stollens.
Deutschlandfunk | Eine Welt |26.5.2018
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