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Ein Abfangjäger gegen Plastikmüll

Mit einem eigens entwickelten Gerät will die Organisation Flüsse von Plastikmüll befreien. (Foto: imago images/ZUMA Press)

  • Das Gerät, eine Art schwimmender Kasten, soll Müll mit einem wasserdurchlässigen Fließband in große Tonnen im Inneren eines Schiffs transportieren.
  • Experten sehen das Vorhaben kritisch: Zu groß sei das Problem in den Meeren und Flüssen, als dass so eine Plattform helfen könne.
  • Man müsse vielmehr verhindern, dass Plastik überhaupt ins Wasser gelange.

Die niederländische Organisation The Ocean Cleanup, einst angetreten, um die Weltmeere vom Müll zu befreien, möchte nun auch Kunststoffe aus Flüssen fischen. Bei einem groß angelegten Event präsentierte das Team um Gründer Boyan Slat vor wenigen Tagen seine neuste Erfindung, den kastenförmigen "Interceptor" - zu deutsch "der Abfangjäger".

Das Gerät, eine Art schwimmender Kasten, soll Müll mit einem wasserdurchlässigen Fließband in große Tonnen im Inneren eines Schiffs transportieren. "In den nächsten fünf Jahren möchten wir 1000 Flüsse auf aller Welt mit dem Interceptor ausrüsten", sagte der 25-jährige Slat. Viele Meeresbiologen bleiben hingegen weiter kritisch gegenüber den Jubelmeldungen.

Vor nicht allzu langer Zeit hat The Ocean Cleanup schon einmal die Aufmerksamkeit und die Kritik von Wissenschaftlern auf sich gezogen. Unter großem medialen Getöse hatte die Organisation einen Müllfänger getestet, der auf dem offenen Meer an der Oberfläche schwimmendes Plastik abschöpfen sollte. Der erste Versuch im vergangenen Jahr scheiterte, als ein Teil der U-förmigen Konstruktion abbrach. Ein halbes Jahr später endlich meldeten sie den ersten Erfolg; das modifizierte System sammelte wie geplant Plastik aus dem offenen Meer.

Das System könnte der Flora und Fauna mehr schaden als nützen

Doch an der Kritik aus der Wissenschaft änderte das wenig: Zu groß sei das Problem in den Meeren, als dass so eine Plattform helfen könne - man müsse vielmehr verhindern, dass das Plastik überhaupt in die Ozeane gelange, so die Einschätzung vieler Experten.

Auch Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut in Bremen kritisierte von Beginn an das Konzept von Gründer Boyan Slat - und sieht auch in dem Flussreiniger keine langfristige Lösung. Schlimmer noch: Das System könnte der Flora und Fauna mehr schaden als nützen. "In asiatischen Flüssen herrschen andere ökologische Bedingungen vor als in europäischen oder afrikanischen Flüssen. All das muss berücksichtigt werden", sagt Bergmann.

"Beim Abschöpfen des Plastiks holt der Müllsammler auch das für das Ökosystem wichtige organische Material wie Blätter und Äste aus dem Fluss - das zeigen sogar die Videos, die The Ocean Cleanup selbst veröffentlich hat", sagt Ökologe und Flussexperte Christian Laforsch von der Universität Bayreuth. "Sie sind eine wichtige Nahrungsgrundlage für alle im Fluss lebenden Organismen."

Meeresbiologin Bergmann sieht zudem ein Problem in einem Teil des Plastiks, der so klein ist, dass er von der Strömung unter die Oberfläche gezogen wird. Größere Kunststoffteile zersetzten sich zusätzlich bereits im Fluss zu Mikroplastik, wenn sie etwa an dem feinen Sand des Flussbettes reiben. "Das Mikroplastik, dessen Wirkung auf die Umwelt noch kaum erforscht ist, kann der Ocean Cleanup bisher nicht abschöpfen", sagt sie. Das sei zwar kein Punkt gegen den Müllsammler, der zumindest grobe Kunststoffteile abschöpfe. Dass der Ocean Cleanup sich nun auf die Flüsse konzentrierte, sei ein Schritt in die richtige Richtung - doch bestehe in den Flüssen dasselbe Problem wie auf dem offenen Meer, so Bergmann.

Wer wirklich wirksam und nachhaltig etwas gegen die Plastikverschmutzung in Gewässern tun möchte, müsse viel früher ansetzen, statt technische Lösungen zu suggerieren. "Wenn das Waschbecken überläuft, wische ich ja auch nicht zuerst das übertretende Wasser auf, sondern drehe zunächst den Hahn zu." Das Geld, das in die Entwicklung der Ozean-Lösung und nun für die Flüsse investiert wurde, hätte man besser in die Erforschung von Plastikalternativen investiert, so Bergmann.

"Die Lösung wird nicht darin bestehen, so wie bisher weiterzumachen und auf Müllsammler zu setzen", sagt auch Meeresbiologin Stefanie Werner vom Umweltbundesamt. Vielmehr müsse die generelle Plastikproduktion reduziert werden. Die Hälfte allen Mülls, der an europäischen Stränden gefunden wird, besteht aus Einwegprodukten aus Kunststoffen, deren Einsatz zum Großteil verzichtbar ist, so Werner. Der neue Flussmüllsammler, da sind sich die Experten einig, ist eine vergleichsweise ineffiziente Methode und steht damit eher am Ende der Kette aller möglichen Lösungsansätze.

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