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Absolventenkongress: Jobsuche im Schlaraffenland

Die Besucher des Kölner Absolventenkongresses werden von einem richtigen Event mit jeder Menge Unterhaltung und Feel-Good empfangen. Ein schnöder Messestand reicht nicht mehr aus: Gespräche auf Augenhöhe sind gefragt. Foto: Leon Kirschgens

 Food-Truck, Feel-Good-Lounge und Gaming-Zone: Aus dem Absolventenkongress in Köln ist ein Erlebnisevent geworden. Das liegt auch an den gewandelten Ansprüchen der neuen Absolventen-Generation. Unternehmen möchten sich auf der Jobmesse als nahbare Arbeitgeber präsentieren.



Wer Ende November durch die Halle des Absolventenkongresses streifte, dem fielen gleich die riesigen gelben Banner auf, die von der Decke hingen: „Feel-Good-Lounge" oder „Gaming-Zone" prangte dort in großen Lettern. Dort konnte man sich in einen der Sessel sinken lassen und entspannen oder klassische Gameboy-Spiele wie „Super Mario" als Ablenkung in der Mittagspause spielen. Ob ein Fotoshooting mit den Freunden in einem nostalgischen VW-Bulli oder beim „RoboticsCup" einfach nur dem Fußballspiel von künstlich intelligenten Robotern folgen - fast überall konnten die Besucher sich amüsieren. Und auch die 250 auf der Messe vertretenen Unternehmensstände selbst lockten mit eigenen Ideen wie Gewinnspielen oder Vorträgen. Vertreten waren neben großen Unternehmen wie Rewe, Bayer oder Deutsche Post auch diverse Start-Ups.


Der Absolventenkongress ist ein Gesamterlebnis

Der Einladung waren in diesem Jahr 15.000 Menschen gefolgt. Sie besuchten nicht bloß eine Jobmesse, sondern ein Event, das sich zu viel mehr als der bloßen Aneinanderreihung von Ständen entwickelt hat. Jan Paczynski, Operations Manager beim Karrierenetzwerk Squeaker.net, das auch mit einem Stand auf der Messe vertreten war, führte diesen Wandel auf die veränderten Ansprüche der Berufseinsteiger und der Konkurrenz im Internet zurück. „Unternehmen müssen sich etwas Neues einfallen lassen, um die Absolventen zu locken", sagte er. „Die Messe ist zu einem Gesamterlebnis geworden, zu dem die Leute mit ihren Freunden kommen und sich einen schönen Tag machen." Natürlich, sagte er, stehe noch immer das Netzwerken und der Kontakt zu den Firmen im Vordergrund.

Doch die Besucher wollen unterhalten werden und etwas geboten bekommen.

Die Messe reagierte in den vergangenen Jahren darauf mit neuen Ideen, die auch in diesem Jahr wieder umgesetzt wurden: Da waren die Beratungsstellen, die mit den Besuchern an ihrem Lebenslauf oder Bewerbungsschreiben feilten. Da waren die Fotografen, die mit den Besuchern professionelle Bewerbungsfotos machten. Und da waren all die „Speech"-Bühnen, auf denen Unternehmer von ihrer „Career Story" erzählten und erklärten, wie man heute Karriere mache.


Auf Augenhöhe mit Bewerbern sprechen

Das persönliche Gespräch zwischen potentiellem Bewerber und dem Unternehmen stand jedoch noch immer an erster Stelle. Auch hier hat sich etwas getan: Die Unternehmen reagierten auf den Wunsch vieler Absolventen, den Mitarbeitern in den Gesprächen auf Augenhöhe begegnen zu können. Denn während der Kongress früher mehr einer Werbeplattform glich, auf der sich Unternehmen von ihrer schönsten Seite präsentierten, ist er allmählich zu einem Ort geworden, an dem Absolventen sich mit den Mitarbeitern über deren Berufserfahrungen austauschen konnten. Junge Kandidaten interessierten sich auf der Messe meist nicht mehr nur für das Renommee eines Unternehmens oder dafür, wie viel Geld sich dort verdienen lässt, sondern auch, ob ihnen der Arbeitgeber persönlich zusagt: Sind die Mitarbeiter mit mir auf einer Wellenlänge? Sind sie mit ihrem Job zufrieden? Kann ich dort meine eigenen Ideen einbringen?


Die Kandidaten fühlen den Firmen auf den Zahn

Justinian Gomez Moreno suchte vor allem Gespräche auf Augenhöhe mit potenziellen Arbeitgebern. Foto: Leon KirschgensDer 27-jährige Justinian Gomez Moreno etwa, der seinen Bachelor in Global Management gemacht hat, kam auf die Messe, ohne einen bestimmten Stand anzuvisieren. Ihm war wichtiger, ein Unternehmen zu finden, das seinen Vorstellungen entspricht. „Ich habe die Mitarbeiter immer zuerst gefragt, ob sie mit ihrem Job selbst zufrieden sind. Ich möchte etwas über die internen Arbeitsweisen erfahren. Das kann man in den Gesprächen gut vorfühlen", sagte er. „Erst danach interessiert mich, ob auch die Bezahlung stimmt." Wichtig sei ihm, viel Freiraum für eigene Ideen zu haben.

Exklusive Stellenangebote fernab von der Karriereseite oder Jobbörsen

Genau wie Gomez Moreno haben viele Absolventen mit Abschlüssen in gefragten Berufen heute den Luxus, sich aussuchen zu können, wo sie arbeiten möchten. Für die Aussteller ist die Messe deshalb zu einem Kampf um die Gunst der Besucher geworden: Mitarbeiter der Unternehmen ergriffen selbst die Initiative und suchten das Gespräch mit den Absolventen. Das Prinzip habe sich umgedreht, sagte Elena Erbes vom Personalmanagement der Rewe-Gruppe: „Mittlerweile bewerben wir uns bei den Besuchern und müssen uns bemühen, genug bieten zu können. Wir bieten zum Beispiel exklusive Stellen auf dem Absolventenkongress an, die man nicht im Internet findet." Bei vielen Bewerbern kam das gut an:

"Wenn die Leute gezielt auf mich zukommen, habe ich das Gefühl, dass ich nicht nur eine von vielen bin",sagte die 25-jährige Wirtschaftspsychologin Marisa Ruppelt. Das bestätigte auch ihr 26-jähriger Kommilitone Ivan Logunov: „Die Unternehmen geben sich Mühe, überzeugend und nahbar herüberzukommen. Ein Finanzdienstleister möchte mich sogar demnächst zum Essen einladen", sagte er. Logunov studiert Soziologie und war bereits voriges Jahr auf dem Absolventenkongress. „Ich habe das Gefühl, dass die Unternehmen in diesem Jahr mehr Interesse an Geisteswissenschaftlern als im vergangenen Jahr gezeigt haben", sagte er. „Sie suchen auch fachfremde Leute, um sich interdisziplinärer aufzustellen."


IT und Consulting im Fokus, wenig für Ingenieure oder Geisteswissenschaftler

Insgesamt fanden einige Besucher das Angebot für Geisteswissenschaftler allerdings zu klein. Die meisten Firmen kamen aus der IT- und Consultingbranche - ein Resultat des Fachkräftemangels vor allem im IT-Bereich. Aldi etwa war in diesem Jahr mit einem weiteren, gesonderten Stand für IT-Absolventen vertreten. Die 29-jährige Lian Whang hätte sich ein breiteres Angebot gewünscht. „Ich bin extra aus Karlsruhe angereist, um mich über Unternehmen im Bereich der Elektromobilität zu informieren. Doch für Ingenieure wie mich war das Angebot überschaubar." Berufliche Kontakte konnte sie deshalb nicht knüpfen. Gelohnt habe es sich für sie aber trotzdem: „Die Expertenvorträge und Bewerbungstrainings haben mir weitergeholfen. Wenn das Angebot im nächsten Jahr etwas breiter aufgestellt ist, werde ich wiederkommen."

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