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Der automobile Mensch ist ein Irrtum

Mit der Kaufprämie für Elektroautos hält die Bundesregierung weiter am Konzept Auto fest. Ein falsches Signal in der Debatte um die Mobilität der Zukunft.

Mehr Geld, längere Laufzeit: Die Bundesregierung will den Absatz von Elektroautos ankurbeln, indem sie die vor drei Jahren eingeführte Kaufprämie verlängert und um eine Milliardensumme aufgestockt. Das ist ein Ergebnis des "Autogipfels", der am Montag im Kanzleramt stattfand und bei dem Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) Spitzenvertreter der Autoindustrie traf.

Klingt nachhaltig, ist jedoch ein Paradebeispiel dafür, wie fehlgeleitet die Diskussion über die Mobilität der Zukunft hierzulande geführt wird. Ja, klar: Es gibt Teile Deutschlands, in denen kein reichhaltiges alternatives Mobilitätsangebot zur Verfügung steht. Dort kann die Maßnahme einen guten Impuls für eine Minderung der CO2-Emissionen setzen. Aber in allen urbanen Verkehrsräumen ist die Förderung ein Irrweg.

Zwei Annahmen sollten Investitionen in Metropolregionen zugrunde liegen:

  • Wir kommen in der Frage, wie wir uns in der Stadt effektiv fortbewegen, nicht weiter, wenn wir uns auf Antriebsarten konzentrieren.
  • Jegliche Subventionierung des Individualverkehrs, der darauf ausgerichtet ist, leeren Raum durch die Stadt zu bewegen, ist falsch.

Mit der Kaufprämie wird wieder einmal am Konzept Auto festgehalten. Das ist keine Überraschung in einer motorisierten Gesellschaft, aber überraschend kurz gedacht. Irren ist zwar menschlich, der automobile Mensch jedoch ein einziger Irrtum. Schließlich wird zumindest im urbanen Raum der Grundgedanke von Mobilität beim kollektiven Stau-Erlebnis ad absurdum geführt. Während man durch die Windschutzscheibe mal wieder auf ein Standbild schaut, hat man Zeit, über Folgendes nachzudenken:

Wir haben ein Platzproblem. 68 Prozent der Berufspendler in Deutschland nehmen das Auto, um zur Arbeit zu kommen, das geht aus dem aktuellen Mikrozensus des Statistischen Bundesamts hervor, der alle vier Jahre veröffentlicht wird. Diese Zahl muss sinken. Dafür müssen wir in Fahrradinfrastruktur investieren. Wenn mehr Menschen Fahrrad fahren, wird die Luft in der Stadt besser. Zwar bringen E-Autos weniger Feinstaub mit sich als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor - immerhin will die Bundesregierung mit der Kaufprämie etwa 650.000 bis 700.000 Fahrzeuge fördern - jedoch ist damit kein Platz gewonnen. Vor allem nicht, wenn das E-Auto als Zweit- oder Drittwagen den Fuhrpark aufstockt.

Trotzdem ignoriert der vernunftbegabte Mobilist diesen Umstand und wird so zum Opfer seiner anachronistischen Denkweise. Entsprechend empört reagiert die Fahrradlobby auf die Pläne der Bundesregierung. Vor allem, weil die Prämie jene belohnt, die Auto mit Auto ersetzen.

Zusätzlich fühlen sich Radfahrer durch vergleichsweise bescheidene Aufstockungen des Etats für Fahrradinfrastruktur gegängelt, die auch noch als großer Coup verkauft werden: Scheuer kündigte im Oktober an, bis 2030 zusätzliche 900 Millionen Euro für die Förderung des Radverkehrs auszugeben. Runtergerechnet auf die Jahre ist das ein ziemlich kleiner Betrag. Vor allem, wenn man sich anschaut, dass der Bund in den nächsten Jahren allein 3,5 Milliarden Euro in den Aufbau einer Ladeinfrastruktur für E-Autos investieren will.

Gleichzeitig kritisieren der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) und der Verbund Service und Fahrrad e.V., dass die 20 Millionen Euro, die 2019 erstmals für "Investive Maßnahmen" bereitgestellt wurden, im Bundeshaushalt 2020 nicht mehr auftauchen.

Ein gutes Beispiel dafür, wie eine Prämie im Radbereich funktionieren kann, findet sich in Hamburg. Hier können Privatpersonen, Vereine oder Firmen einen Zuschuss von bis zu 2000 Euro (33 Prozent des Anschaffungspreises) für den Kauf eines Lastenrads beantragen. Laut Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sollen durch das Programm mehr Lastenräder und weniger Autos auf den Straßen unterwegs sein. Nach kurzer Zeit gingen knapp 400 Anträge ein und das eingeplante Fördervolumen war ausgeschöpft, sodass für die Folgejahre eingeplante Subventionssummen nun vorgezogen werden.

Im Vergleich dazu fällt das bundesweite Engagement mager aus. Vielleicht muss man bei diesem Bild bleiben. Elektroautos zu fördern, um Verkehrsprobleme zu lösen, ist wie Diätprodukte zu essen, um abzunehmen: Hilft nur oberflächlich. Dann doch lieber langfristig die Ernährung umstellen oder sich einfach mehr bewegen. Das macht man übrigens auch beim Radfahren, sich bewegen. Im Gegensatz zum Rumsitzen im E-Auto.

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