In der ehemaligen Glasfabrik an der Lausitzer Straße 10 und 11, einem Gebäudekomplex mit mehreren Innenhöfen und einem Wohnhaus zur Straßenseite, sitzen Dutzende GewerbemieterInnen, viele davon linke AktivistInnen, FotografInnen, FilmemacherInnen, JournalistInnen. Sie kämpfen von der Lause aus für eine bessere Welt. Wie Tækker offenbar auch - so sieht es jedenfalls damals aus.
„Einer von ihnen"Denn der neue Eigentümer solidarisiert sich mit den linken MieterInnen. Er unterstützt ein Kollektiv, indem er ihm mehrere Jahre lang die Miete erlässt. Einer Gruppe, die gegen Faschismus kämpft, soll er Geld gespendet haben. Alle anderen zahlen vergleichsweise niedrige Mieten, und wenn Mieten erhöht werden, dann nur geringfügig. Tækker sagt: „Was die machen, imponiert mir. Ich bin einer von ihnen."
Zwar investiert er nicht in die 1906 erbauten Gebäude, lässt sie verrotten. Zweieinhalb Jahre lang ist der Fahrstuhl kaputt, es zieht, weil die Fenster undicht sind, immer wieder fällt die Heizung oft tagelang aus.
Der schlechte Zustand nervt die MieterInnen, aber die Miete ist günstig, die Lage gut und die Stimmung auch. Für die komplette Liegenschaft zahlt Tækker damals 2,3 Millionen Euro an den Voreigentümer - das Land. Ein Schnäppchen, Berlin braucht Geld.
„Rückblickend war das ein Riesenfehler", sagt Florian Schmidt (Grüne), Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg seit Ende 2016, heute. Und: „Schizophren" sei Tækker, sagen heute Lause-Mieter. Der Besitzer will den Komplex nun weiterverkaufen - für knapp 20 Millionen Euro. Dass die jetzigen MieterInnen bei einem Verkauf in ihren Räumen bleiben könnten, ist unwahrscheinlich. Seit Monaten protestieren sie mittlerweile gegen Tækker.
Die Welt verbessern
Der steht gut 450 Kilometer Luftlinie von der Lausitzer Straße in Kreuzberg entfernt im dänischen Aarhus vor Häusern aus Pappmachee - ein kleiner, drahtiger Mann, pinkes T-Shirt, vor seinem Traum. Mit feingliedrigen Händen, denen man seine sechzig Jahre nicht ansieht, streicht Jørn Tækker über die Häuschen, die niedriger sind als sein Daumen: sein Projekt, Nye, eine ökologische Vorzeigesiedlung für 20.000 Menschen.
„Ich will die Welt zu einem besseren Ort machen", sagt er. Es klingt ein wenig gehetzt. Tækker spricht so schnell, dass man Mühe hat, ihm zu folgen. Fragen übergeht er oft, vielleicht hört er sie nicht.
Menschen machen Ärger
Der Weltverbesserer mit dem pinken T-Shirt, den Segelohren und dem Traum ist der Mann, der sich nicht nur für die Lause-MieterInnen von einem Robin Hood in eine Heuschrecke verwandelt hat. Tækker hat zahlreiche Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben. Weil Lofts und Gewerbeflächen nicht nur in Kreuzberg mittlerweile viel wert sind. Und weil sich Wohnungen ohne Menschen darin besser verkaufen. Denn Menschen machen Ärger, pochen auf ihre Rechte.
Und Ärger haben in Berlin viele mit Tækker. Sein Name steht wie kein anderer für Verdrängung, auch wenn der Investor sich aus der deutschen Hauptstadt mittlerweile größtenteils zurückgezogen hat.
4.500 Wohnungen gehörten Tækker noch vor wenigen Jahren in Berlin. „Ich war damals der größte ausländische Investor", sagt er. Und dass ihn Profit nicht interessiere.
In der Finanzkrise hat Tækker 300 Millionen Euro verloren. In Dänemark entließ er 40 seiner 60 MitarbeiterInnen, sein Berliner Büro löste er im April auf. Dass sein Unternehmen überlebte, verdankt er vor allem dem Verkauf eines Großteils seiner Berliner Immobilien.
Davon hat Jørn Tækker inzwischen bereits mehr als die Hälfte abgestoßen. Der Investor wird nun woanders gebraucht. In seiner Heimatstadt Aarhus will er seinen Lebenstraum fertigstellen: das Öko-Utopia Nye, das bislang nur in Miniatur in seinem Büro steht - finanziert mit dem Erlös des Verkaufs seiner Immobilien in Berlin.
Mehr über den Investor, seine Geschäfte und seinen Traum lesen Sie in der gedruckten taz.berlin an diesem Wochenende
Original