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Marathon-Mann machte Troisdorf zu einer Hochburg der Dart-Szene

Diese SMS wird Wolfgang Pütz nie löschen: „Wir haben das Wochenende mit dir sehr genossen", liest der 50-Jährige von seinem Smartphone ab. Er ist stolz, denn die Nachricht sendete ihm Phil Taylor - der erfolgreichste Dart-Spieler aller Zeiten. „Er ist ein unglaublicher Profi", sagt Pütz. „Ein Vorbild."

Es war das erste Wochenende im Mai vergangenen Jahres, als Taylor Bonn-Beuel besuchte, um seine Fertigkeiten an der Scheibe zu zeigen. Pütz hatte die Show organisiert. Ein Erinnerungsfoto zeigt, wie es aussieht, wenn der Fan auf sein Idol trifft. Pütz - braungebrannt, das Haar schon etwas lichter, sein weißes Hemd wie immer weit aufgeknöpft - blickt strahlend in die Kamera. Den Arm hat er um Taylor gelegt, der einen halben Kopf kleiner ist als er.

Der 50-jährige Pütz leitet von seiner Heimatstadt Troisdorf aus eine eigene Dart-Liga in der Region - die „Pütz Dart-Liga", seit 22 Jahren. Zwölf Teams, aufgeteilt in zwei Gruppen, gingen damals an den Start. Heute ist Troisdorf eine Hochburg der Dart-Szene. Rund 800 Mannschaften nehmen regelmäßig an Pütz' Turnieren teil. Das Besondere: Geworfen wird nicht auf die konventionellen Sisalfaserscheiben, sondern auf elektronische Dartautomaten, sogenannte E-Darts.

Wie in der britischen Heimat dieses Sports finden die Turniere in den Kneipen und Bars rund um Troisdorf statt. „Dart ist Geselligkeit", sagt Pütz. „Man unterhält sich nebenbei und trinkt zwei, drei Bier." Für Pütz ist der Dart-Sport noch weit mehr: Der gelernte Kaufmann führt mit seinem Vater das Familienunternehmen „Automaten Pütz" - eine Firma, die sämtliche Automaten, darunter auch E-Darts, aufstellt und wartet. Knapp die Hälfte der Kneipen und Bars, die Liga-Spiele ausrichten, sind heute seine Kunden.

Nach dem Krieg hatte Pütz' Großvater mit dem Verkauf von Zigaretten angefangen. Später kamen Automaten auf den Markt und mit ihnen auch die Zigarettenautomaten. Pütz selbst ist Ende der 80er Jahre ins Unternehmen eingestiegen. Zu einer Zeit, als Jukeboxen und Flipper in keiner Gaststätte fehlen durften. Doch das änderte sich schnell: „Die Leute waren nicht mehr bereit, für Musik zu zahlen." Deshalb nahm er den E-Dart ins Firmensortiment auf.

Allerdings nicht ohne Risiko: „In England war der E-Dart verpönt", weiß Pütz. Ein Grund: Das Spielgerät zählt für den Werfer vollautomatisch, niemand braucht mehr Stift und Zettel. Für Puristen machen die allerdings mit den Reiz aus. Auch die deutschen Gastwirte seien zunächst skeptisch gewesen, erinnert sich Pütz. „Die Engländer können auch bei drei Promille noch kopfrechnen."

Dennoch war der Unternehmer vom Konzept überzeugt. „Die Engländer können auch bei drei Promille noch kopfrechnen", scherzt Pütz. Er sah aber keinen Grund, warum der E-Dart in Deutschland nicht funktionieren sollte. Pütz gab einem Kölner Pub-Besitzer ein Probeexemplar und wettete mit ihm auf den Erfolg seines Automaten. Pütz gewann.

Für Pütz stand früh fest, dass er die Leitung des Familienunternehmens einmal übernehmen würde. „Meine Eltern brauchten mich. Damals war das so üblich." Heute hat der Familienvater selbst zwei Söhne - beide Anfang 20. Ob sie später einmal in das Unternehmen einsteigen, will Pütz ihnen selbst überlassen. „Sie sind noch jung." Dem Dart-Sport jedenfalls könnten seine Söhne nicht viel abgewinnen. „Sie spielen lieber Beachvolleyball."

In ihrem Alter war Pütz dagegen längst infiziert. Bei einem Schüleraustausch im britischen Oxford hatte er zum allerersten Mal einen Pfeil auf eine Scheibe geworfen. Das war 1980 in einem traditionellen Pub. Gleichzeitig wuchs er praktisch mit Kneipen-Automaten auf, erinnert sich Pütz: „Meine Eltern haben mich in der Gaststätte immer an den Flipper gestellt - ich sollte Ruhe geben."

Er spielte am Harlem Globetrotter - Anfang der 1980 das neueste Modell. Heute steht eins im Konferenzraum seiner Firma. Pütz träumt von einem kleinen Museum mit Spielgeräten und anderen Automaten. „Das mache ich für mich ganz privat."

Er selbst wirft kaum noch Dartpfeile auf die Scheibe, dazu fehlt ihm die Zeit. Im Keller seines Wohnhauses steht einer der E-Dartautomaten, bei Familienfeiern macht er ihn manchmal an. Überhaupt: „Meine Dartkünste sind eher durchschnittlich", gibt Pütz zu.

Sportlich gibt er sich einer anderen Leidenschaft hin: dem Marathon-Lauf. Der 50-Jährige hat mitgezählt: An knapp 50 Langstreckenläufen hat er bisher teilgenommen: in London, Athen oder auch Paris. Zuletzt ging er im November beim weltbekannten New-York-Marathon an den Start. Als Ausgleich zum Büro-Job joggt Pütz jeden Abend. Der 50-Jährige raucht nicht, trinkt nicht.

So bleibt Pütz fit für neue Unternehmungen. Er arbeitet bereits an seinem nächsten Coup. Auch Weltmeister Gary Anderson und Michael van Gerwen, der aktuelle Weltranglisten-Erste, sollen in den Rhein-Sieg-Kreis kommen. Gut möglich, dass Pütz' Smartphone danach wieder klingelt - und sich der nächste Star-Spieler per SMS bei ihm bedankt.

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