Finanzieren dich deine Eltern? Brauchst du Drogen, um kreativ zu werden? Ist Kunst nicht einfach nur eine riesige Verarsche?
Jeder, der seine Kindergarten-Krakelzeichnungen am Kunstmarkt gegen Geld anbieten würde, käme schnell zu einer Erkenntnis: Es ist leichter "Kunst" zu produzieren, als sie zu verkaufen.
Tizian Baldinger hat zwar früher nicht die Wände seines Schweizer Elternhauses bemalt ("Das hätte eine Ohrfeige gegeben"), aber heute ist er hauptberuflich Künstler. In Hamburg und China hat Tizian Kunst studiert, sein Alter sei nicht wichtig, sagt er. Der Künstler lebt in Berlin. Nicht, weil er die Stadt so lieben würde, sondern weil Berlin die Kunst liebe - und es sich gut in seiner Vita mache. Geschätzte 8.000 professionelle Künstlerinnen und Künstler sollen laut einer Studie allein in der Hauptstadt arbeiten. Für viele sei das ein Verlustgeschäft.
"Die Kunstwelt ist todeshart", sagt Tizian. Man könne sie mit der Sendung Takeshi's Castle vergleichen: Jeder Künstler renne unter Zeitdruck durch diesen "abgefahrenen asiatischen Parkour" und habe Angst, bei jedem Hindernis ins Wasser zu fallen und mit nichts auszusteigen.
Statt mit Leinwand und Farbe arbeitet Tizian mit Neonröhren, Holz, Plexiglas und manchmal auch mit ausgestopften Vögeln. "Wir haben auch mal 200 Euro in aufblasbare Pool-Tiere investiert", sagt er. Darüber wundere sich das zuständige Finanzamt schon lange nicht mehr. Alles, was er macht, sei ein Spiegel seines Lebens, sagt er. Vor allem die skulpturalen Installationen oder Performances, bei denen er zum Beispiel in Unterhose und Maske einen alten Fernseher bei einer Ausstellung hochhält.
Wir haben Fragen.
VICE: Bist du Künstler geworden, weil du sonst nichts kannst? Tizian Baldinger: Ich wollte eigentlich Unternehmer werden und ein Internet-Start-up gründen. Als ich 17 Jahre alt war, bat ich meine Mutter mir ein Trading-Konto zu eröffnen, weil ich minderjährig war, damit ich an der Börse spekulieren konnte. Ich war völlig geflasht von dieser Welt, aber hatte auch wenig Erfahrung. Weil ich nicht ohne Ausbildung dastehen wollte, bin ich in der Informatik gelandet. Meine Mutter starb, als ich ich 20 Jahre alt war, das hat mich aus der Bahn geworfen.
Ich habe viele Jahre als Webprogrammierer gearbeitet und irgendwann gekündigt, um mich in Zürich an der Kunstschule zu bewerben. Die haben mich abgelehnt. Da habe ich mir gedacht: Fickt euch, ich gründe meine eigene Kunstschule. Also habe ich 1.000 Quadratmeter in Aarau in der Schweiz gemietet, das war 2010, und ein Kunst- und Kulturzentrum aufgebaut, um anderen einen Atelierplatz anzubieten und mich dort zu erproben. Wir waren circa 15 Leute, davon haben zehn dort auch gewohnt. Seitdem bin ich hauptberuflich Künstler und habe schließlich in Hamburg doch noch Kunst studiert.
(...)