Wie 2.678 Flüchtlinge Steinhaus am Semmering verändert haben.
Der Refrain eines Liedes im Radio. So lange dauert es, im Auto durch Steinhaus am Semmering zu fahren, einmal von Ortsschild zu Ortsschild. Dazu muss man von der Schnellstraße S6 abfahren und beim lachsrosa gestrichenen Laufhaus scharf rechts einbiegen. Der Ort liegt ab vom Schuss, man erspäht ihn nur zufällig. Der Zug, dessen Rattern gelegentlich die Stille durchbricht, macht hier nicht halt. Steinhaus am Semmering, das ist ein Dorfgasthaus, ein Kindergarten, ein kleiner SPAR-Markt mit anschließendem Stüberl, umrahmt von viel Landschaft. In den hölzernen Schauboxen neben der Straße befestigen Stecknadeln die neuesten Aushänge der ÖVP, SPÖ, FPÖ, des Touristenvereins und Kameradschaftsbundes. Sie zeugen davon, dass die Welt hier noch in Kategorien zu passen scheint. Für die Steinhauser bringt die Abgeschiedenheit ihres Ortes viel Bewegungsfreiheit. Sie ist das, was sie unter Lebensqualität verstehen. Eine Qualität, die aus Sicht vieler von ihnen vor fünf Jahren, im September 2014, plötzlich beschnitten wurde.
Will man verstehen, was von der Flüchtlingsbewegung vor fünf Jahren bleibt, welche Spuren der Umgang Österreichs mit Asylwerbern vor Ort hinterlassen hat, dann lohnt ein Blick auf den Mikrokosmos Steinhaus, das zur Gemeinde Spital am Semmering gehört. Der Ort ist in vielen Aspekten die Regel: Eine von unzähligen österreichischen Gemeinden, in denen Asylwerber untergebracht sind. Er ist zugleich aber auch die Ausnahme, ein Extrembeispiel. Denn zwischen 2014 und 2018 haben insgesamt über zweieinhalbtausend Asylwerber in Steinhaus gelebt - während die einheimische Bevölkerung gerade einmal 600 Seelen zählt. Was macht das mit einem Ort?