Am 26. Mai wird in den USA der „Tag des Papierfliegers“ gefeiert. Weltrekordler John Collins präsentiert seine schönsten Entwürfe und verrät, was es für den perfekten Faltflieger braucht
Ein kurzer Anlauf, zwei, drei Schritte, den Unterarm nach vorn drücken, schon steigt der weiße Pfeil in die Luft. Er segelt erst geradeaus, steigt steiler und steiler, senkt die Nase, verliert an Höhe, macht doch noch mal die Biege und gleitet weiter. Ein Stückchen noch, dann landet er - nach knapp zehn Sekunden - bei 69 Metern und 14 Zentimetern. Urheber dieses Kunststücks ist John Collins, „The Paper Airplane Guy", der zusammen mit Ex-Quarterback Joe Ayoob am 26. Februar 2012 in der McClellan Air Force Base in Sacramento, Kalifornien, den Weltrekord für den weitesten Papierflieger-Wurf aufgestellt hat - der bis heute hält.
Der 57-jährige Collins hat sich schon sehr früh für die Gesetze der Schwerkraft begeistert, und dafür, wie die Natur sie außer Kraft setzt: „Fische, die über das Wasser segeln, in der Luft tanzende Ahornsamen oder die Aerodynamik von Hummeln: Fliegende Objekte üben noch immer eine Magie aus, die kaum zu fassen ist", schwärmt er. Nachdem er begriffen hatte, dass man schon aus einem einfachen Stück Papier eine kleine Flugmaschine bauen kann, gab es kein Halten mehr.
Über die Jahre experimentiert Collins, er verwendet Papiere mit Rillen und Beschichtungen, versucht sich an Würfen mit viel oder wenig Schwung, beobachtet und misst den Einfluss von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Dazu knicken, wenden, falten, fliegen - immer wieder. Schon bald erkennt er die Mängel des Standardmodells, das überall auf der Welt gebaut wird, schnell und einfach: die umgeschlagenen Ecken und Kanten, die sich im Flug öffnen; die dünne Nase, die beim Aufprall leicht zerknittert; die viel zu geringe Spannweite. „Ein schreckliches Design", stöhnt der Experte, „aber diese Konstruktionsfehler haben mich erst darauf gebracht, es anders zu machen."
Es ist schließlich das Studium des Origami, der uralten japanischen Kunst des Papierfaltens, das aus Collins' Flattermännern echte Rekordgleiter werden lässt. Fortan baut Collins Fledermäuse, Pelikane und Möwen aus Papier nach - oder reale Vorbilder aus der Luft- und Raumfahrt, mit Nasen, Fahrwerken und Gondeln. Die Tausenden Papierknöllchen im Wohnzimmer treiben Ehefrau Suzanne fast in den Wahnsinn. Collins entwirft Modelle, die weit gleiten, die in Schleifen oder wie auf Wellen aus Luft fliegen oder wie ein Bumerang zu einem zurückkehren. Er erfindet den kreisrunden „Tube", der ganz ohne Flügel durch den Raum schwebt. Bei seinen Auftritten staunen die Leute, selbst die Studenten der School of Design an der Universität Harvard, wo er schon Seminare gab.
Was ist nun John Collins' Geheimnis? „Scharfes Falten, genaues Falten, Gesamtsymmetrie", sagt er. Ein guter Papierflieger sei gar nicht so kompliziert. „Es braucht nur ein wenig Technik - und ein wenig Zeit." Für sein Rekordmodell benötigte er drei Jahre. Sein Zehn-Sekunden-Flug ist für die Ewigkeit.