Der Mann in der Pilotenuniform nimmt das rote Plastikflugzeug mit dem winzigen Propeller und den Stummelflügeln in die Hand, zieht es mit dem Drehknopf an der Seite auf, setzt es auf den Boden - und lässt los. Es knattert über die Fliesen, schlägt Haken, kratzt Kurven und vollführt dabei Purzelbäume und Rückwärtssalti. Robert Löffler, vier goldene Streifen auf dem Ärmel, Kapitän der Luftfahrt, Herr über die Schwerkraft, lacht und schlägt sich auf die Schenkel, voll jungenhafter Begeisterung.
Rückblick: Löffler, 1955 geboren, wächst im oberfränkischen Kulmbach auf, damals Zonenrandgebiet. Eines Tages liegt er auf einer Wiese und schaut in den Himmel, beobachtet die Flugzeuge dort oben. „Viel los war in meiner Heimat sonst nicht", erinnert er sich. Also träumt er sich den Maschinen hinterher, die weit über ihm weiße Linien ins Blau malen und dann im Nirgendwo verschwinden. An einem dieser Tage fasst der junge Robert den Entschluss, Pilot zu werden. Noch vor dem Führerschein macht er seine Privatpilotenlizenz, 1974 dann folgt der Aufnahmetest bei Lufthansa. Seitdem hat er insgesamt mehr als 20 000 Flugstunden gesammelt.
Vor ihm, auf dem großen Esstisch in seinem Wohnzimmer in Frankfurt-Ginnheim, liegen jetzt die Objekte seiner anderen Leidenschaft, fein säuberlich aufgereiht: Wecker und Manschettenknöpfe mit Flügeln; Bilderrahmen und Leselampen mit Propellern; Schlüsselanhänger und Broschen in Form einer Boeing; Stempel und Eierbecher mit Fahrwerk. Kerzenständer, Spardosen, Taschenmesser - so ziemlich alles hier sieht nach Fliegen aus oder ist mit Flugzeugen dekoriert und verziert.
„Angefangen hat alles mit diesen Buchstützen", sagt er und zeigt auf das Regal neben dem Esstisch. Eine flauschige Wolke aus Porzellan steht da, zweigeteilt, mit einer kleinen Propellermaschine, die durch sie hindurchtaucht. Ein aeronautisches Wunder ist zu sehen: Links, im Cockpit, sitzt eine Giraffe, rechts, am Heck, ein Nilpferd. 30 Dollar habe das gekostet, damals, 1980, am Pier 39 in San Francisco, erzählt Löffler. Es ist bis heute sein Lieblingsstück geblieben.
Er führt durch die Sammlung und zeigt seine Highlights: das Martiniglas mit der Einmotorigen am Stiel vom Granville Market in Vancouver. Die Teekanne von Harrods, in British Racing Green. Oder der rosa Düsenjet, eigentlich ein Aschenbecher, mit Goldverzierung und Bildern des Vatikans. Sachen gibt's ... „Ich werde für mein Hobby öfter belächelt", sagt Löffler und winkt ab. Für ihn, den promovierten Geschichtswissenschaftler, sei das alles aber weit mehr als ein Sammelsurium aus Krempel und Nippes. „Für mich ist das der Ausdruck eines historischen Umgangs mit dem Fliegen. Von dem, was die Menschen darin sehen und gesehen haben."
Alltägliches, Kurioses, Nützliches, Kitschiges - über die Jahre ist einiges zusammengekommen. Allein schon der Weihnachtsschmuck: ein Jumbo mit Regenbogenfarben und Palmen auf dem Rumpf, der jedes Jahr im Tannenbaum hängt. All die Artikel von Käthe Wohlfahrt, dem Weihnachtsladen in Rothenburg ob der Tauber, Garanten für besinnliche Stimmung. Das Küken mit Pilotenbrille, das immer im Advent als Räuchermännchen aufgestellt wird, das ist Löffler „ganz wichtig". Seine neueste Anschaffung ist ein Rentier im blauen Flieger. Klatscht man in die Hände, blinkt es rot und grün und weiß, wild durcheinander, und während sich der Propeller schneller und schneller dreht, wünschen kleine LED-Leuchten unermüdlich „Merry Christmas". Auch jetzt, Monate nach dem Fest, steht das Prachtstück noch in der Bücherwand.
Mit der Zeit, berichtet Löffler, hätten sogar Freunde und Verwandte beim Sammeln geholfen. Statt Hemden, Krawatten und Socken gebe es zu Geburtstagen feine Schmuckdöschen der Porzellanmanufaktur Limoges mit Teddyfiguren als Piloten, USB-Flieger mit Steckplätzen an den Propellerpositionen oder Kuschelkissen in Kampfjetform. Einen vierstelligen Euro-Betrag habe er bislang für die Sammlung ausgegeben, sagt Löffler.
Bei Ebay kauft er grundsätzlich nichts. Viel lieber streift der 63-Jährige über Floh- und Antikmärkte oder durchforscht Souvenir- und Geschenkläden. Natürlich stellt er sich jedes Mal die Frage, was er kaufen soll, was eher nicht. „Nur weil etwas alt ist, muss ich es noch lange nicht haben. Es muss schon ausgefallen sein - und im besten Fall irgendwie zu gebrauchen." Maßstabgetreue Modelle hat er nur ganz wenige, „die stehen ja bloß rum und stauben zu".
Rund 150 Stücke zählt Löfflers Sammlung, vielleicht auch mehr, er zählt nicht ständig nach. Und mit jedem seiner Teile verbindet er eine besondere Erinnerung. Er weiß noch genau, wie ihm in Toronto, nur wenige Stunden vor dem Heimflug, der Porzellanflieger mit Micky und Minnie Maus auffiel. Um Platz im Koffer zu schaffen, überlegte er dann, welche T-Shirts er zurücklassen könnte.
Der Sammler holt das Coca-Cola-Wasserflugzeug aus Florida hervor. Es erinnert ihn an das modifizierte Leichtflugzeug Piper Cub, mit dem er ab und an ein paar Runden am Himmel dreht und dann - platsch, platsch, platsch - den See zur Landebahn macht. Er erzählt von der Teekanne aus Stockholm, deren Deckel nicht ganz passte, weswegen er sich freiwillig für den nächsten Flug dorthin einteilen ließ. Man könnte stunden-, ach, tagelang bei ihm sitzen und Geschichten hören ...
Löffler würde gern mal einen Katalog seiner Sammlung erstellen und die Objekte ausstellen. Doch noch, befindet er kritisch, sei sie nicht komplett: Im Main-Taunus-Center, in einem der Schaufenster, da stehe ein Modell der legendären Propellermaschine Ju 52, „das hätte ich schon noch gern". Auch für den Swarovski-Flieger, der auf den Boden gefallen und zersplittert ist, sucht er noch Ersatz. Das Wichtigste aber, das noch fehle, sei ein Flugzeug mit einer Pilotin: „Das gehört zur Geschichte der Luftfahrt einfach dazu."
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