Als es mit einer Karriere im Cockpit nichts wird, macht Ralph Lellé den Privatpilotenschein - und lackiert sich einen Miniflieger im Look der Kranich-Linie. Am Flughafen Frankfurt erfüllte Lufthansa ihm jetzt einen großen Traum.
Wäre da nicht diese klitzekleine Kurzsichtigkeit, Ralph Lellé würde heute wohl häufiger auf den großen Flughäfen der Welt im Einsatz sein. Jetzt steht der 59-Jährige in Halle 7 der Cargo City Süd am Airport Frankfurt und wartet auf die Ankunft einer ganz besonderen Maschine: ein Airbus Typ A380, Kennung D-AIMI. Lellé, graues Haar, Overall und Turnschuhe, ist ein echter Flugzeugnarr. Aufgewachsen in der Nähe von Pirmasens, ist ihm schon früh klar, dass er hoch hinaus will - fliegen für Lufthansa, schweben für die Nasa,etwas in der Art. Auf Pfälzer Flugtagen bewundert er die Haudegen, die Abenteuer erleben, endlose Wüsten überfliegen, die Alpen queren. Bei der Mondlandung 1969 sitzt er gebannt vor dem Fernseher. Und neben „Fix & Foxi" liest er am liebsten „Superman". Das Überwinden der Schwerkraft zieht den Knirps an.
Aber seine Sehkraft ist zu schwach für eine Laufbahn als Berufspilot. Also wird Lellé Hobbyflieger. Ein Jahr nach dem Abitur sitzt er zum ersten Mal am Steuerknüppel. Bis zu seinem 30. Geburtstag hält er die Lizenz für kontrollierten Sichtflug, für Kunstflug, die Zulassung für Nacht- und Blindflug. Im Laufe der Zeit steuert Lellé mehr als zwei Dutzend verschiedene Flugzeugtypen und sammelt Hunderte Starts und Landungen auf Flugplätzen. Mit Stecknadeln markiert er sie auf einer Weltkarte, als Highlight gilt ihm die Landung auf dem - 2003 geschlossenen - legendären Meigs Field auf einer Halbinsel im Michigansee.
„Mir fehlte nur ein Flugzeug, bei dem mir keiner reinquatscht, ohne die ganzen Profi-Instrumente", erzählt er. 2014 entdeckt Lellé den Prototyp einer neuen Flugzeugklasse, die kaum gesetzliche Auflagen kennt. Der Flieger ist nur 120 Kilo schwer, hat eine Spannweite von knapp achteinhalb Meter, besteht aus kaum mehr als einem Rahmen aus Stahlrohren und Kunststoff, dazu abnehmbare Flügel aus Holmen und Spanten, überpinselt mit Spannlack, weiß, blau und gelb. „Pappdrachen", sagen die Kameraden aus Lellés Luftsportclub. „Rebell" steht auf der Seite der Tragflächen.
Entwickelt wurde der Ultraleichtflieger, der jetzt neben seinem Besitzer im Hangar in Frankfurt steht, von Roman Weller. Weller baute schon Oldtimer von Blériot oder Fokker nach, produzierte Ersatzteile für Ausstellungsstücke im Deutschen Museum München oder lieferte die Steuerung für den Rekordflieger Solar Impulse. „Ein genialer Tüftler", findet Lellé.
Seit März 2016 hat Lellé mit seinem neuen Rebell mehr als 220 Flugstunden gesammelt. Er schwärmt: wie er manchmal in der Luft steht, wie er sich einmal sogar rückwärts bewegte, weil der Gegenwind zu stark war. Er führt vor, wie er nach den Landungen das Leitwerk anhebt, sich unter den Arm klemmt und zur Parkposition zieht, einfach so. „Wenn ich dürfte, könnte ich hier starten, und ich wäre noch vor dem Hallentor in der Luft", sagt er. So wie er lacht, ist ihm zuzutrauen, dass er ein paar Runden im Hangar drehen, ins Freie fliegen und genüsslich langsam am Himmel verschwinden würde.
Mit diesem Modell wird Fliegen wieder zum Abenteuer. Und wo immer Lellé damit landet, ist es eine Attraktion. Die Menschen posieren für Selfies, staunen über den Propeller aus Eschenholz, über die Seilzüge in den Hohlflügeln oder den Motor, kaum stärker als der eines Rasenmähers. Der größte Gag: das Logo mit den Initialen RL, eine Design-Hommage an den berühmten Kranich.
Dann der große Moment: Die Lufthansa A380 ist im Anflug. Lellé stellt sich auf die Zehenspitzen, reckt sich über den Flügel seines Fliegers und schaut hinaus in die Sonne. Vom Vorfeld schiebt sich ein mächtiger Schatten durch das Tor, der Riese der Lüfte rollt ein. Wenige Minuten später stehen die beiden Maschinen Flügel an Flügel. Der kleine Kranich und sein großer Bruder. Lellé, der Mann mit dem grauen Haar, hat das Funkeln eines begeisterten Jungen in den Augen. Eintauschen würde er seinen Flieger trotzdem nicht. „In ihm spürst du jede Thermik, jeden Hubbel auf der Landebahn, schipperst ganz allein durch die Wolken. Wo kann man heute noch so fliegen?" Außerdem habe er einen wichtigen Vorteil gegenüber den Lufthansa Piloten: „Ich muss im Cockpit keine Krawatte tragen!"
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