Schwarmverhalten und Vogelzug - fliegende Lebewesen faszinieren die Menschen seit Urzeiten. Der Fotograf Lothar Schiffler hält ihre Tänze am Himmel fest: vergängliche Spuren, sichtbar gemacht wie noch nie zuvor.
Möwen, Krähen, Eintagsfliegen: Woher kommt Ihre Faszination für fliegende Lebewesen?
Ich bin auf einem Dorf bei Stuttgart aufgewachsen und musste als Junge oft aufpassen, wenn ein Bussard über dem Hühnerstall kreiste. Zu sehen, wie diese Vögel minutenlang da oben schweben, ohne einen einzigen Flügelschlag, das hat mich schon immer sehr beeindruckt.
Eigentlich sind Ihre Werke keine Fotos ...Stimmt. Fototechnisch kann man diese Flugbahnen nämlich gar nicht einfangen. Bei einer Langzeitaufnahme verschwimmen ihre Bewegungen, die Tiere werden vom Licht verschluckt. Schon in den 1980er-Jahren habe ich versucht, 16-Millimeter-Negativfilme auf Fotopapier zu belichten - leider erfolglos.
Wie haben Sie das Problem gelöst?Moderne Spiegelreflexkameras können seit einigen Jahren auch Hochgeschwindigkeitsvideos aufnehmen. Mit der Nikon D5500 kann ich Filme mit 50 Bildern pro Sekunde drehen, hochauflösend. Mein Assistent Nikolai Klassen hat eine spezielle Software entwickelt, mit der wir die in Einzelbilder zerlegten Videos zu Spursegmenten zusammensetzen, wie einen Stapel von Overhead-Folien.
Also macht der Computer die Arbeit?Was die Rechenleistung angeht, ja. Bei einem Fünf-Minuten-Film reden wir immerhin von 15 000 Einzelbildern. Daran säße ich sonst wochenlang. Was mir der Rechner nicht abnimmt: Aus der Masse an Linien jene Flugbahnen rauszusuchen, die ein ansprechendes Motiv ergeben. Und die vielen Insekten rauszuretuschieren, die vor der Linse herumschwirren und die Ästhetik stören würden.
Welche Flugbahnen sind Ihre liebsten?Besonders mag ich die Mauersegler vor meinem Balkon in München, ihre bizarren, tollkühnen Kurven, ihre Bewegungslust und Beherrschung der Thermik. Wenn die Mauersegler das Nest verlassen, fliegen sie zwei Jahre, ohne auch nur einmal zu landen. Sie sind wahre Künstler der Lüfte.