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Wie uns Facebook abhängig macht

Facebook - Image by Marco Paköeningrat ( CC BY-SA 2.0)

Eine Psychologin hat das Geheimnis von Facebooks Erfolg entdeckt: das soziale Netzwerk erfüllt tagtäglich unsere grundlegensten psychologischen Bedürfnisse. // von Lars Sobiraj

Facebook ist nach Ansicht der Diplom-Psychologin Dr. Liraz Margalit vor allem dazu in der Lage, das Selbstwertgefühl der Besucher positiv zu beeinflussen. So wie wir in den Laden gehen, um uns Waren für die Aufrechterhaltung unseres Körpers zu kaufen, so kümmert sich Facebook um unsere Seele. Dort werden nach Ansicht von Frau Dr. Margalit die notwendigsten Grundbedürfnisse einer jeden Psyche befriedigt.


Warum ist das wichtig?

- Facebook ist ein Musterbeispiel für den Erfolg von sozialen Netzwerken: es erfüllt tagtäglich unsere grundlegensten psychologischen Bedürfnisse.

- Die letzten 10 Jahre stellen den Aufschwung der sozialen Netzwerke dar. Insbesondere Facebook konnte sich gegen alle Konkurrenten durchsetzen, das muss einleuchtende Gründe haben.
- Facebook hat in vielen Staaten mehr Seitenzugriffe als die Suchmaschine Google oder sonst irgendeine Webseite. Damit ist Zuckerbergs Werk zum einflussreichsten Portal der Welt geworden. Die Fähigkeit sich mit engen Freunden, Familienmitgliedern aber auch mit weitläufigen Bekannten auszutauschen und sich ihnen zu präsentieren, ist nur ein Teil des Erfolgskonzepts. Was steckt sonst noch dahinter?

Das Selbstwertgefühl ist eine der wichtigsten Bestandteile die darüber entscheiden, ob wir uns in unserer Haut wohl fühlen. Unsere Selbsteinschätzung ist so wichtig, weil wir auf dessen Basis Informationen verarbeiten und Dinge bewerten. Umso geringer unser Selbstwertgefühl ist, umso eher tendieren wir dazu, Dritte zu hoch zu bewerten. Wer von sich glaubt intelligent und tüchtig zu sein, wird eine schlechte Note in einer Klausur schlecht wegstecken können. Alle möglichen Teile unseres Facebook-Profils reflektieren unsere Selbsteinschätzung, glaubt Frau Dr. Margalit. Zuzüglich zu unserer äußeren Erscheinung beinhaltet unser Profil Informationen über zahlreiche Dinge, die uns direkt betreffen. So etwa über die Anzahl unserer Kontakte, der Beruf, unsere Hobbys oder politischen Vorlieben, unseren Bildungsgrad, Familienstand, Anzahl der Kinder und vieles mehr.


Facebook kann unbewusst unser Selbstbewusstsein und somit unsere Stimmung positiv beeinflussen, indem wir plötzlich die Gelegenheit erhalten, unser digitales Erscheinungsbild zu verändern. Trolle und andere lästige Zeitgenossen können im Gegensatz zum echten Leben mit einem Mausklick verbannt werden. Man muss sich nicht länger mit ihnen und ihren bösartigen Angriffen auseinandersetzen, die uns negativ beeinflussen. Manch ein Nutzer würde sich dies in einem Forum wünschen, das geht dort aber nicht so einfach.

Management der Wahrnehmung

Bei Facebook kann man mit einfachen Mitteln seine Fremdwahrnehmung aktiv beeinflussen. Wer seine eigenen Erfolgserlebnisse im richtigen Abstand und Zusammenhang veröffentlicht, kann dort leicht den Eindruck eines tüchtigen und zielstrebigen Menschen vermitteln. Natürlich könnte man sich auch als Trottel outen, der keinem Fettnäpfchen aus dem Weg geht, doch wer tut das schon freiwillig?


Im wahren Leben geht alles sehr schnell. Bei Facebook hat man alle Zeit der Welt, die richtigen Worten für seine Pinnwandeinträge oder Diskussionsbeiträge zu formulieren. Auch wird man im Gegensatz zu Twitter nicht durch ein geringes Zeichenlimit o.ä. behindert. Unser Gegenüber kann uns im Web nur dadurch und nicht über unsere Gestik oder Mimik beurteilen. Damit fallen die wichtigsten Beurteilungskriterien weg, die bei einer tatsächlichen Begegnung entscheidend sind.


Unsere Wahrnehmung wird bestimmt durch die Summe aller Signale, die wir bei Facebook von einer anderen Person wahrnehmen. Diese können mehr oder weniger eindeutig sein. Deutliche Signale sind beispielsweise die Anzahl der "Freunde", die Sprachwahl, die Anzahl neuer Beiträge oder Fotos pro Woche etc. Daneben gibt es auch weniger eindeutige Signale, die ihrerseits sehr viel mehr aussagen können. Wer seinen Beziehungsstatus oder Details über die eigenen sexuellen Vorlieben verschweigt, gibt damit mehr preis, als die Person ahnt.


FB-Profil so aussagekräftig wie unser Schlafzimmer


Eine Studie aus dem Jahr 2004 der Universität von Texas kam zu dem Ergebnis, dass unser Facebook-Profil so aussagekräftig ist, wie die Gestaltung unseres Wohn- oder Schlafzimmers. Man brauchte nur wenige Minuten, um die wichtigsten Wesenszüge korrekt zu erfassen. Das dürfte sich bis heute nicht grundlegend verändert haben.

Durch die sorgfältige Auswahl unserer Aussagen stellen wir uns automatisch positiver dar, als wir sind. Liraz Margalit spricht sogar von einer "Neuerfindung" unseres selbst. Die Zurschaustellung von hochwertigen Filmen und Büchern soll zum Beispiel unbewusst dafür sorgen, dass wir anerkannt werden. Niemand wird freiwillig mehr ungünstige Fotos von sich präsentieren, als dies unbedingt nötig ist. Wenn möglich, veröffentlichen wir nur solche Fotos, die uns positiv wirken lassen. Oft werden auch Freundschaftsanfragen an Personen gestellt, die wir respektieren und mit denen wir gerne in Verbindung gebracht werden möchten. Da uns dieses soziale Netzwerk dabei aktiv unterstützt, uns vielen Personen in der Form darzustellen, wie es zu unserem Vorteil gereicht, trägt die Nutzung von Facebook ein Stück weit zum Wohlbefinden der User bei. Selbst introvertierte Menschen können dort ihr Innerstes nach außen kehren und behalten dabei die volle Kontrolle. Nach Ansicht der Psychologin können wir bei Facebook gänzlich extrovertiert sein ohne befürchten zu müssen, dass wir deswegen narzistisch bezeichnet werden. Auch wird uns niemand auslachen, das dieses Verhalten dort völlig normal ist. Niemand würde flüchtige Bekannte auf der Straße dazu auffordern, sich seine neuesten Aufnahmen anzuschauen. Bei Facebook teilen wir tagtäglich private Fotos mit allen "Freunden", die diese automatisch angezeigt bekommen und liken oder kommentieren können.


Fazit


Die Nutzung von Facebook ist im Laufe der Jahre zu einer Gewohnheit, einer Routineangelegenheit geworden, die sich täglich mehrfach wiederholt. Niemand tut etwas ohne eine bewusste oder unbewusste Belohnung. Unser Gehirn hat sich offenbar gemerkt, in welcher Form es für den Besuch bei Facebook belohnt wird. Deswegen machen wir es immer wieder. Wahrscheinlich haben wir uns eines schönen Tages aus reiner Neugier registriert, wie bei vielen anderen Diensten auch. Doch bei Zuckerbergs Portal sind wir im Gegensatz zu den meisten Online-Angeboten dauerhaft geblieben. Ohne es zu realisieren entwickelten viele Menschen ein abhängiges Verhalten, weil wir dafür immer wieder unbewusst psychisch honoriert werden. Wer kennt das Szenario nicht nach einem Urlaub nach Hause zu kommen und als erstes die E-Mails und dann bei Facebook zu prüfen, ob wir etwas verpasst haben. Das haben wir natürlich nicht, das ändert aber keinesfalls unser Verhalten.


Der Login wurde nach Ansicht von Frau Dr. Liraz Margalit zu einer automatischen Aktion, die wir ohne jede Reflektion in relativ kurzen Abständen wiederholen. Die Belohnung unseres Hirns hat nur eine recht kurze Halbwertzeit. Das Ergebnis von Zuckerbergs Belohnungs-Strategie? 1,23 Milliarden aktive Nutzer weltweit.

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